Die Kamele von Camel Up erinnern mich an die Rüsselbande von Alex Randolph. Mit diesem Spiel verbinden wir ganz persönliche Erinnerungen: Zur Geburt ihrer Tochter schenkten wir dieses Spiel einer befreundeten Familie. Denn Kleidung und weiteres Baby-Zubehör war schon reichlich vorhanden, weshalb also noch mehr davon schenken? Und so hatte die ganze Familie ihren Spaß am Spiel, auch die älteren Brüder. Und wir lernten, wie begeistert Kinder ein Spiel immer und immer wieder spielen wollen – das eigentlich keinen Einfluss bietet. Camel Up ist natürlich nicht Rüsselbande – doch die Erinnerung an letztere weckte sofort unsere Neugier auf das Kamelrennen und den Wunsch, auch die rennnenden Kamele zu mögen.

Der Bewegungsmechanismus von Rüsseln und Höckern ist insofern gleich, als dass die Tierchen Stapel bilden. Wird ein Tier bewegt, kommen alle huckepack hockenden Höcker- bzw. Rüsselträger mit. Wer sich von hinten auf den Haufen wirft, kann also überraschend weit nach vorne gelangen – durch Nichtstun! Bei den Kamelen werden die bunten Gesellen gar in einer zufälligen Reihenfolge bewegt – die Würfelpyramide enthält fünf Würfel in den fünf Kamelfarben. Wer würfelt, betätigt den Pyramidenschieber, einer der Würfel fällt heraus und gibt die Farbe des rasenden Kamels vor. Eine Etappe endet, wenn jedes Kamel auf diese Weise einmal bewegt wurde. Klar: Wenn es komisch läuft, zieht das weiße Kamel in dieser Etappe zuletzt und wird in der nächsten als erstes losgeschickt.

Bild von Camel UpDoch so viel Spaß das Würfeln mit der clever gebauten Pyramide und das Voranziehen der Kamele – am liebsten im hohen Stapel – auch machen, die Alternativen locken meist mehr. Denn während der Etappe winken lukrative Wetten: Welches Kamel liegt wohl am Ende der Etappe vorn? Wer nicht wettet, sondern würfelt, gibt den Mitspielern Informationen preis: Beispielsweise ein Kamel, das sich schon bewegt hat, kann nur noch passiv (oben auf einem Stapel) voranziehen! Oder wagt es womöglich schon jemand, auf das „tolle Kamel“ – den Gesamtsieger des Rennens – oder das als „olles Kamel“ bezeichnete Schlusslicht zu wetten? Und wo es um Wetten geht, ist das Spielziel doch sicher schon klar: Der Spieler mit dem meisten Geld gewinnt!

Reihum entscheiden sich die Spieler für eine Möglichkeit: Würfeln? Auf Etappensieg wetten? Auf das tolle oder olle Kamel setzen? Die vierte Möglichkeit besteht in der Manipulation der Strecke: Wer den Kamelen ein Wüstenfeld in den Weg legt, schickt ein hierher laufendes Kamel um ein Feld zurück – das Oasenfeld hingegen verleiht einem hierher gelangenden Kamel so viel Antrieb, dass es noch ein Feld weiterrennt. Gemein: Die Wüste schickt ihre Opfer sogar unter bereits auf dem hinteren Feld stehenden Kamele! Da im Kamelstapel immer das oberste Viech auch das vorderste aus diesem Stapel ist, kann das die eine oder andere Wette bös verhageln.

Unsere ersten Partien verliefen eher gemäßigt spannend. Wir setzten die Wüsten- und Oasenfelder noch nicht wirklich ein und entschieden uns im Zweifel fürs Würfeln. Denn wer würfelt, erhält zudem ein Ägyptisches Pfund! Zwar ist durch die Wette zum Etappensieg ein Gewinn von 5 Ägyptischen Pfunden drin – aber natürlich nur, wenn der Vierbeiner hinterher auch vorne liegt! Auf dem zweiten Platz bringt er ein Pfund ein, aber weiter hinten kostet die Wette sogar ein Pfund! Und den vollen Gewinn von 5 Pfund erhält nur, wer früh wettet – wer später noch auf dieselbe Farbe wetten will, muss mit weniger Gewinn vorlieb nehmen. Klar: Hat sich von der letzten Etappe schon ein Favorit etabliert, freut sich der Startspieler, dass er den ersten Zugriff auf die entsprechende Wette hat.

Mit mehr Erfahrung lernten wir, dass sich doch einiger Einfluss nehmen lässt. Nicht nur die Wüsten- oder Oasenfelder können das Feld dynamisch aufwirbeln. Ein guter Riecher für den Rennverlauf – und ein Quäntchen Glück – helfen bei den Wetten. Etwas schade: Wirklich spannende und umwerfende Rennverläufe erlebten wir nicht so häufig wie erhofft. Die Berechnung der Wahrscheinlichkeiten ist nicht soooo komplex – nach ein, zwei oder spätestens drei Würfelwürfen wird der weitere Verlauf doch recht kalkulierbar. Die Entscheidung für oder gegen Wetten fällt dann nicht sehr schwer – und hängt von der Verfügbarkeit der Wetten ab.

Wir trugen Camel Up in viele Spielerunden. Bietet sich ja auch an – die Würfelpyramide ausgepackt, zieht es die Blicke auf sich und die Menschen an den Spieletisch. Dabei beobachteten wir durchweg, dass Neulinge fast immer in die Würfelfalle tappen – und bevorzugt würfeln! Obwohl es zu Beginn einer Etappe fast nie ein guter Zug ist. Das ist schade – denn idealerweise sollten Neulinge so intuitiv ins Spiel gesogen werden, dass sie vielleicht nicht den besten, aber zumindest den ungefähr zweitbesten Zug machen können. Bei Camel Up tendieren sie bedauerlicherweise zur zu Beginn schlechtesten Möglichkeit. Das dämpft das erste Rennen mit Neulingen ein wenig – schade für den Erklärer, der vielleicht sanft versuchte, die Spieler auf andere Optionen aufmerksam zu machen.

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Prädikat
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Camel Up spielt seine Stärke aus, wenn sich spannende Rennverläufe ergeben und ein Kamel das Feld unerwartet von hinten aufrollt. Bleiben die Rennen in wahrscheinlichen Bahnen, kann der Versuch über Manipulationen per Wüste/Oase für Überraschungen, Schockeffekte, Hoffnungen und Flüche sorgen. Werden auch diese ungenutzt übersprungen, bleibt das Rennen ohne große Höhepunkte. Ich stehe Camel Up daher mit ein wenig gemischten Gefühlen gegenüber. In neuen Runden habe ich keine sehr große Lust mehr, es zu erklären – ich finde es zu schade, dass neue Spieler durch den beinahe magnetisch erfolgenden Griff zur Würfelpyramide zu Vorlagen tendieren. So bleibt jede Partie eine Hoffnung auf die unerwartete Wendung – und sobald die in Sicht ist, dreht der Spielspaß auf!

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