Carcassonne – und das Schicksalsrad

Über Carcassonne, das Spiel des Jahres und Gewinner des Deutschen Spielepreises 2001, muss ich sicher nicht viele Worte verlieren. Nach wie vor etwa führt dieses Spiel die Liste der Spiele mit den meisten verlinkten Rezensionen bei Luding an. Dass nicht die Siedler von Catan zumindest um diesen Spitzenplatz konkurrieren, ist allerdings eher der Tatsache geschuldet, dass Internetrezensionen erst ein paar Jahre nach dem Erscheinen der „Siedler“ (1995) so richtig ins Rollen kamen.

Doch der Grund für einen Artikel bei Das-SpielEn.de ist ein anderer. Getreu unserem Motto „Spielen und Mehr“ reizte uns die Verbindung des Spiels mit einem Roman. In Kombination mit dem Roman „Carcassonne – Das Schicksalsrad“ von Helene Luise Köppel erschien nun ein eigenständiges gleichnamiges Spiel.

Wer sich nur für das Buch oder nur für den Roman interessiert, gelangt per Click direkt dorthin:

Zur Rezension des Romanes.
Zur Rezension des Spieles.

Bild von Das Schicksalsrad

Der Roman:

Das „Schicksalsrad“ als Motiv zieht sich durch den Roman in mehrfacher Hinsicht. Im historischen Roman haben die Hauptfiguren natürlich mit allerlei Schicksalsschlägen zu kämpfen. Als konkreter Gegenstand bildet ein Schmuckstück in Form eines Schicksalsrades den roten Faden durch die Handlung und schürt die Neugier der Romanfiguren und der Leser.

Beginnend in der Zeit mehrere Jahrhunderte nach der eigentlichen Handlung blendet der Prolog ins 19. Jahrhundert, als die Restaurierung der Altstadt von Carcassonne begann. Mit einem Fund in einem Kellerraum unter der Stadt beginnt der Rückblick auf das Carcassonne zum Anfang des 13. Jahrhunderts. Die junge Alix soll den Vizegrafen von Carcassonne heiraten, wird aber entführt. Stattdessen wird ihre Schwester zur Vizegräfin. Beide geraten unabhängig voneinander in Kontakt mit der religiösen Gruppe der Katharer.

Eingeflochten in die Romanhandlung erfährt der Leser dabei einiges über diese Glaubensrichtung. Der Konflikt mit der katholischen Kirche erweist sich dabei als weitere Leitlinie im Roman und bestimmt den Handlungsverlauf für die Hauptfiguren. Dabei schwenkt die Geschichte leider recht stark in eine Schwarz-Weiß-Malerei. Bei praktisch jeder Figur ist bei deren Einführung sofort klar, auf welcher Seite sie steht. Überraschende Wendungen sind dadurch Mangelware. Eine vollständige Auflösung aller offenen Fragen bleibt jedoch aus. Und so bleibt der Leser wie die vom 19. Jahrhundert aus zurückblickenden Personen mit einer bestimmten Ungewissheit zurück.

Als Buchumsetzung eines Spiels tritt Carcassonne in die Fußstapfen von den „Siedlern von Catan“. Während das Buch von Rebecca Gablé sich in starke Schicksalswendungen stürzt, und dabei beinahe krampfhaft die Spielelemente wie die Landwirtschaft, den Handel und den Räuber erkennbar aufgreift, tritt dies in Helene Luise Köppels Buch eher in den Hintergrund. Der Aufbau der Geschichte geht eher langsam vonstatten und lässt somit Raum für einigen Einblick in das Leben der Katharer, sowie ihrer Verbündeten und Feinde. Mir persönlich gefällt dies besser als ein ständiger Wechsel zwischen höchsten Höhen und tiefsten Tiefen. Als lockere Lektüre im mittelalterlich-historischen Umfeld vermochte mich der Roman damit durchaus zu unterhalten. Anstelle allerdings zum nächsten Historienroman zu greifen, würde ich als nächstes lieber eine genauere Darstellung des geschichtlichen Umfeldes lesen.

Das Spiel:

Die Kenntnis des Spiels Carcassonne setze ich voraus. Wer das Spiel noch nicht kennt, erfährt bei Luding mehr über die Bewertung des Spiels oder kann sich hier die Regeln herunterladen.

Carcassonne – Das Schicksalsrad ist eine Variante des Grundspiels. Abgesehen von zwei zusätzlichen Elementen wird mit den bekannten Regeln gespielt, wobei auch die Plättchenverteilung vom Ur-Carcassonne leicht abweicht. Der erste Unterschied besteht im Startaufbau. Das Tableau mit dem Schicksalsrad zeigt bereits einige Wiesen-, Straßen- und Stadtkanten. Der Startspieler legt sein erstes Plättchen also hier an und hat dafür 16 Anlegemöglichkeiten am vier mal vier Felder großen Tableau.

Der zweite Unterschied wird von den Ereignissen auf dem namengebenden Schicksalsrad geprägt. Einige Plättchen enthalten ein Symbol, das die Anzahl der Schritte (zwischen einem und drei) auf dem Schicksalsrad angibt. Direkt nach dem Aufdecken eines solchen Plättchens wird zuerst eines von sechs Ereignissen ausgeführt. Meist bestehen diese darin, dass alle Spieler für bestimmte Figuren (Ritter in der Stadt, Mönche im Kloster etc.) Siegpunkte erhalten. Beim Ereignis Pest jedoch muss jeder Spieler eine Figur von der Landschaft zurück in den eigenen Vorrat nehmen. Zusätzlich bietet das Tableau eine neue Einsetzmöglichkeit – wer keine Figur auf die Landschaft einsetzen möchte oder kann, hat auf dem Schicksalsrad einen alternativen Platz, der drei Siegpunkte einbringen kann.

Bild von Carcassonne

Das Spielgefühl dieser Schicksalsrad-Variante bleibt somit dicht am Original. Die Ereignisse bringen ein zusätzliches Glückselement ins Spiel. Denn niemand weiß, wann das nächste Ereignis eintritt oder welches ausgelöst wird. Gezielt auf bestimmte Ereignisse zu spielen ist daher ein Vabanque-Spiel. Insbesondere zu zweit sind die Figuren außerdem zu knapp, um am Schicksalsrad auf drei Extra-Siegpunkte zu spekulieren. Zum Leitmotiv des Romans passt dies freilich gut.

Als Carcassonne auf der Spielemesse 2000 in Essen erschien, hatten wir es zunächst noch nicht im Fokus. Erst auf der wenige Wochen später stattfindenden, wesentlich kleineren Süddeutschen Spielemesse in Stuttgart testeten und kauften wir es. Immerhin besitzen wir somit noch ein Exemplar mit dem Wegelagerer vorn auf dem Cover – in späteren Auflagen musste er einer holden Maid weichen und wurde an den Bildrand links in das Feld verbannt. Der weitere Erfolg des Spiels ist Geschichte. Auch bei uns verdient das Grundspiel sich die höchste mögliche Wertung.

P.S.: Das Foto entstand während unseres Frankreich-Urlaubs 2009. Beim Spaziergang durch die Cité von Carcassonne hielten wir Ausschau nach dem Spiel. Erwartet hatten wir eine ordentliche Präsenz des Erfolgstitels in den Souvenirgeschäften – konnten allerdings nur ein Beweisfoto eines Schachtelcovers der Erweiterung schießen. Unabhängig davon: Ein Besuch von Carcassonne – wenn man den allgegenwärtigen Touristen-Nepp wohlwollend ignoriert – lohnt sich und lässt beim Schlendern durch die Gassen der Altstadt viel Mittelalter-Flair aufkommen.

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Prädikat
:
3 von 3 Meeples

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