Cartagena

Zahllose Sagen und Legenden spinnen sich um die Piratenfestung von Cartagena. Ein wenig von diesem Seemannsgarn könnte aus unserem Spielerhaushalt stammen. Denn unser Spiel der „Spiel 2000“ in Essen war nicht Carcassonne (das lernten wir erst ein paar Wochen später auf der Süddeutschen Spielemesse in Stuttgart kennen), sondern Cartagena! Und so besitzen wir nicht nur die Carcassonne-Schachtel ohne Spiel-des-Jahres-Pöppel, mit Wegelagerer und 70-Punkte-Siegpunktleiste, sondern auch ein Exemplar der ersten Cartagena-Auflage, in der die Piraten noch gemeine Pöppel waren, wie aus einem „Mensch ärgere dich nicht“-Spiel ausgebrochen.

Cartagena begleitete uns an viele Orte und zu vielen Menschen, und es ist auch für die eine oder andere Einführung von Kindern in die Faszination der Brett- und Kartenspiele verantwortlich. Auch wenn manches daran Zufall war – einmal besuchten wir eine Familie mit zwei Kindern. Der damals knapp fünfjährige ältere Sohn wollte partout noch aufbleiben und erhielt als Zugeständnis die Erlaubnis, bei Cartagena die Karten für einen der Erwachsenen halten zu dürfen. Mit dieser Familie und beiden Kindern „mussten“ wir daraufhin über lange Zeit immer wieder das „Piratenspiel“ spielen – und durften so miterleben, wie sich Kinder spielerisch in diesem Alter so entwickeln. Denn von Mal zu Mal (zwischen zwei Treffen lagen meist ein paar Wochen oder Monate) machten sie Fortschritte und meisterten die taktischen Aufgaben immer besser – erst von einem Zug zum nächsten, später auch über mehrere Züge hinweg.

Doch auch mit Vielspielern hat uns Cartagena in vielen Runden unterhalten. Die Flucht der Piraten durch den Tunnel ist clever konzipiert. Mit bis zu drei Aktionen bewegt der aktive Spieler seine Piraten. Vorwärts durch den Tunnel spielt er Karten aus und zieht einen Piraten auf das nächste freie Feld des ausgespielten Symbols. Da die sechs Tunnelsegmente so aufgebaut sind, dass sie jeweils alle sechs Symbole in unterschiedlicher Reihenfolge zeigen, ergeben sich jeweils andere Dynamiken. Natürlich sind lange „Ketten“ – mehrere besetzte Felder desselben Symbols – besonders lukrativ. Wer dieses Symbol ausspielt, gelangt sehr weit nach vorne oder gar ins rettende Boot, das am Ende des Tunnels wartet – sobald ein Spieler alle Piraten hierherzieht, gewinnt er. Ungünstig sind hingegen Stellen, an denen zwei gleiche Symbole knapp aufeinander folgen. Solche Stellen sollte man womöglich lieber überwinden, indem man andere Symbole spielt.

Die zweite Aktionsmöglichkeit dient zum Kartennachschub – und führt in die entgegengesetzte Richtung. Wer mit einem Piraten zu einem besetzten Feld zurückzieht, darf eine oder zwei Karten nachziehen – je nachdem, ob er einen oder zwei Kameraden dort trifft. Gern gesehener Zug: Mit zwei gleichen Symbolen eine weite Zugreichweite ausnutzen, und dann mit einem Piraten in der Kette rückwärts ziehen. Für die nachfolgenden Spieler ist die Kette damit aufgerissen und kostet sie zumindest eine Karte mehr.

In Nürnberg präsentierte Ravensburger die Neuauflage von Cartagena. In etwas opulenterer Schachtel verbirgt sich eine leicht vereinfachte Variante. Während in der ursprünglichen Ausgabe sechs Piraten ins Ziel zu bringen waren, sind es nun in der einfachen Version nur vier, in der Variante für fortgeschrittene Spieler immerhin fünf. Einschneidender ist die Beschränkung der Aktionen. Während die Fortgeschrittenen weiterhin mit drei Aktionen zum Vor- oder Zurückziehen spielen, stehen den Anfängern nur zwei zur Verfügung.

Bild von Cartagena
Ganz weggefallen ist die so genannte „Tortuga“-Version des Originals, in dem die Spieler mit offenen Hand- und Nachziehkarten spielen. Hier will ich ehrlich sein: Die Tortuga-Version vermisse ich gar nicht. Wir haben sowieso meist die weniger verkopfte Version mit verdeckt gezogenen und gehaltenen Karten gespielt. Sie bietet freilich ein höheres Glückselement, aber auch mehr Emotion durch Überraschung und Ärgern. Auch die Reduktion auf fünf Piraten schadet dem Spielgefühl überhaupt nicht. Lediglich mit der Reduktion auf zwei Aktionen kann ich mich nicht anfreunden – wenn ich jedoch an meine viele Jahre zurückliegenden Erfahrungen mit Kindern zurückdenke, so hat diese Variante definitiv ihre Berechtigung. Hier wurde redaktionell sorgfältig gearbeitet.

Auch nach vierzehn Jahren mögen wir Cartagena immer noch sehr – schön, dass es erneut erhältlich ist. Ob die neue Ausgabe schöner ist, mag da Geschmackssache sein. Wir sind natürlich so sehr an die „alte“ Grafik gewöhnt, dass uns die neue bunter und knalliger vorkommt – aber das war auch bei Puerto Rico so, als wir begannen mit der Jubiläumsausgabe zu spielen …

P.S.: Woher kennen wir die Piraten, die in der Ravensburger Ausgabe zum Einsatz kommen? Ein Blick auf den zuständigen Redakteur könnte einen Hinweis geben. Nicht so hilfreich wird der Tipp sein, dass wir das entsprechende Spiel nicht hier bei Das-SpielEn.de rezensiert haben …

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Prädikat
: 2 von 3 Kuttern

2 Kommentare

  1. Hallo Katrin,

    >> Woher kennen wir die Piraten?

    Etwas bunter aus dem feldschen alea-Einsteigertitel „Um Ru(h)m & Ehre“ 🙂

    Liebe Grüße
    Nils

  2. Hallo Nils,

    richtig – insbesondere güldener 🙂

    Viel Spaß mit den Piraten (hier wie dort) wünscht
    Kathrin.

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