Die Burgen von Burgund

Endlich mal wieder gibt es bei uns eine etwas andere Meinung: „Die Burgen von Burgund sind zu zweit nicht so dolle!“ Sehr schön sind auch die Ansichten:

„Wer seinen Cappuccino aus der Packung aufrührt, liest auch Rosamunde Pilcher.“ (…)

„Bis auf das Feuilleton ist die FAZ eine prima Zeitung!“ (oder)

„Daten sichern? Backups werden ja im allgemeinen überschätzt!“

(Alles und mehr zu finden bei: www.oberschichtenfernsehen.de)

Bild von Die Burgen von Burgund
Dies soll die Burgen von Burgund aber bitteschön nicht abwerten, ganz im Gegenteil. Zu viert sind sie aber nun mal noch etwas besser. Und das trotz der dann ausartenden Grübelpausen und vielleicht auch gerade wegen der geringen Interaktion. Die kommt nämlich nur sehr indirekt zum Einsatz, denn es geht ums Würfeln mit eigenen Würfeln und das Bebauen von Burgund. Jeder hat sein ganz eigenes Burgund. Geteilt werden nur Landschaften und Ähnliches zum Zupflastern der einzelnen Burgunde. Diese sind zwar nicht wirklich knapp, aber doch mitunter nur etwas eingeschränkt verfügbar. Deshalb ist es erstrebenswert vor den anderen an der Reihe zu sein. Leider ist es nicht damit bewendet einfach ein oder zwei Plättchen zu nehmen und damit Burgund zu verschönern. Es gibt vielmehr eine Reihe von Einschränkungen zu beachten. Je nach Würfelergebnis können nur einige der angebotenen Marker genommen werden. Auch beim Einsetzen gibt es weitere Nebenbedingungen zu befolgen. So darf Burgund nur zusammenhängend wachsen. Plättchen dürfen nur auf die für sie vorhergesehenen Orte gelegt werden: Schlösser in den Wald, Städte in die Ebene, Schiffe ins Wasser und so weiter und so fort. Zu allem Überfluss hat Stefan Feld auch noch Würfelzahlen über Burgund verstreut, deshalb muss zum Einsetzen schließlich noch ein Würfel die passende Augenzahl aufweisen. Um den zeternden Würfelhassern entgegenzukommen, gibt es aber Arbeiter, die Würfelergebnisse modifizieren können.

Jedes Einsetzen einer Landschaft bringt eine kleine Belohnung. Damit sind strategische Kettenzüge möglich. Dann gibt es noch Geld zum Kauf von Plättchen aus einem speziellem Vorrat. Doch dieses Geld ist oft genug ziemlich knapp. Für fast alles gibt es Punkte – viele Punkte – manchmal sogar sehr viele Punkte. Da die Burgen von Burgund ein Spiel von Stefan Feld ist, muss natürlich auch ein kleine Extraleiste für die Spielerreihenfolge mit von der Partie sein.

Die Burgen von Burgund ist ein Spiel unglaublicher Möglichkeiten, fast ohne Mangelverwaltung und mit wahrlich vielen Handlungsoptionen. 25 mal 2 Aktionen darf jeder ausführen. Etwa jede zweite erlaubt eine Bonusaktion und diese bringen etwa zur Hälfte wieder Extraaktionen. Mit viel Glück und Geschick könnte so in einer Partie pro Spieler gar bis zu 50+25+12+6+3+2+1=101 Entscheidungen zusammenkommen. Dabei habe ich die Kaufoptionen noch unterschlagen. Diese sind auch noch 25 mal möglich. Damit sollte klar sein, daß das Würfelelement einzig als Ausrede für die Verlierer des Spiels dient.

Die Burgen von Burgund ist ein konstruktives Spiel. Sehr wohl dürfen zwar die Mitspieler geärgert werden, nicht umsonst ist die Spielreihenfolge öfters ungemein wichtig. Doch bei vielen Zügen gibt es schon so viele eigene Problemchen zu berücksichtigen, dass gar keine Hirnkapazität mehr frei bleibt, um auch noch die Stellung der Gegner zu berücksichtigen. So geht es primär darum möglichst viele Punkte zu sammeln und weniger Punkte anderer zu vermeiden. Und Punkte gibt es wahrlich viele zum Horten: „Ha, ich habe 184 Punkte geschafft!“ – „Pah, bei mir sind es 221“ – „243“ – „264“ – „438“ – „1395“ – „4256“- „28957“ – … – „359238659820“ -„359238659821“. Ok, dies ist leicht übertrieben.

Im Spiel zu zweit gilt dies aber nicht mehr. Denn jetzt kommen nur die Hälfte der Landschaften ins Spiel. Damit ist gar nicht klar, ob es sich zum Beispiel lohnt Schafe zu sammeln. Tiere suchen nämlich ihresgleichen und bringen dann immer wieder Punkte. Wenn aber auf eine halbvolle Schafsweide nur noch Kühe und Gockelhähne gestellt werden können, bleibt der schöne quadratische Siegpunkteffekt aus. Die Marke von 200 Siegpunkten ist damit zu zweit kaum knackbar. Anders formuliert: Das Spiel verliert zu zweit einiges von seinem strategischen Potenzial.

Zu viert können erfahrene Spieler genau kalkulieren, welche besonders punkteträchtigen Optionen sich noch ergeben können und wann es damit trickreich sein könnte Startspieler zu sein. Sie können auf Basis der ersten Auslage überlegen, welche Strategien einzuschlagen sind und mit ihnen scheitern oder gewinnen. Zu zweit stehen dagegen taktische Überlegungen im Vordergrund. Jetzt gilt es eben doch das Burgund des Gegners genau zu beobachten und zu verhindern, dass er die für ihn oder sie zentralen Siegpunktplättchen bekommt. Und genau dies passt nicht zur Spielatmosphäre der Burgen von Burgund. Es macht einfach mehr Spaß mit Dreimillionenvierhundertdreiundfünfzigtausendachthundertvierundneunzig Punkten zu verlieren, statt mit 142 zu 141 Punkten zu siegen.

Die Burgen von Burgund bieten keinen leichten Einstieg. Wer sich auf sie einlässt, sollte bereit sein mehrere Übungspartien zu absolvieren, bevor er den wahren Tiefgang des Spiels entdeckt. Es ist auch kein Spiel, das sich nach einem stressigen Arbeitstag anbietet. Es eignet sich eher für eine entspannte Runde am Wochenende bei Wein und Käse oder Kaffee und Kuchen. Dafür ist es aber ein perfekter Begleiter.

P.S.: Abschließend rate ich davon ab mit T-Shirts: „Ich bin ein toller Vielspielerhecht, denn ich kann das megakomplexe Burgen von Burgund spielen!“ über die nächste Messe zu stolzieren. Zwar hat das Spiel einen alea-Anspruch von 6. Stefan Feld verriet aber in der aktuellen Fairplay, dass das veröffentlichte Spiel nur die „Babyversion“ sei, es gäbe auch eine für Erwachsene sowie eine für Profis.

Pausentatze
Prädikat: Pausentatze

Bild von 3 von 3 Siegpunktflussleistenwindungen
Prädikat: 3 von 3 Siegpunktflussleistenwindungen

2 Kommentare

  1. Jaaaaa, natürlich, das stimmt schon…. zu Zweit kommen nicht alle Plättchen ins Spiel und es wird dadurch glücksabhäniger! Aber zu Zweit spielt es sich so schön flott. Für eine 4 Personen Partie fehlt mir die Geduld, außer jemand spielt mit mir zwischen den einzeln Zügen Lost Cities…

  2. Avatar-Foto Michael Schepers

    Stimmt schon. Zu zweit sind die Einschränkungen schon etwas mehr. Jedoch macht das Spiel trotzdem noch sehr viel spass und lässt mehr als genug Möglichkeiten zur Auswahl frei. Dank der einfachheit des Spiels (sieht komplexer aus als es eigentlich ist) kommt es bei uns öffters aus den Tisch.

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