Über Strategie und Taktik bei Firenze möchte ich keine großen Worte verlieren. Eine ganze Reihe an Überlegungen drängen sich zwar auf, über ein besseres „Spiele von der Hand in den Mund“ kommen sie aber nicht hinaus. Aus dieser Unzugänglichkeit erwächst aber eben auch der Spielreiz von Firenze. So kann ich versuchen auf Tempo zu spielen oder effizient nur die dicken Punkte abzustauben, dabei schwebe ich aber immerzu in der Gefahr in die Tiefe gerissen zu werden. Dadurch ergibt sich eine fortlaufende Spannung im Spielverlauf, die mit dem ersten Zug steil ansteigt und bis zum Ende nicht nachlässt.

Damit resultiert leider auch ein fortlaufender Frust, den es erst einmal zu bewältigen gilt. So wird nichts Beständiges erschaffen. Florenz wird einfach mit Türmen zugepflastert. Die wohl meisten von ihnen werden nicht errichtet, weil es sich lohnt, sondern um Schlimmeres zu verhindern oder um Mitspieler zu ärgern. Ärgeroptionen gibt es überhaupt im Überfluss. Wer keinen latent aggressiven Spielablauf mag, sollte die Finger nicht nach Firenze ausstrecken, obwohl das gefällige Design das Gegenteil verspricht.

Firenze ist ein knallhartes Spiel um Mehrheiten, Tempo und das Ausnutzen der Gunst der Stunde. Wir bauen Türme in Florenz. Dazu wird in jeder Runde Baumaterial in sechs Farben geliefert. Mit dem Baumaterial gibt es eine Karte. Es gibt gute Karten, schlechte Karten und böse Karten. Wenn mir die gelieferte Karte oder das Baumaterial darauf nicht gefällt, kann ich auch jenes nehmen, das erst in einer der nächsten Runden an die Reihe käme. Dazu muss ich jedoch die missachteten Angebote mit Materialien aus meinem Vorrat aufwerten. Daduch wird irgendwann auch eine Karte mit vielen Minuspunkten attraktiv.

Dann darf ich bauen. Wenig bauen ist billig, viel bauen teuer. Deshalb lohnt es sich immer mehrere Projekte gleichzeitig zu betreiben. Jeder Turm muss aber jede Runde weitergebaut oder fertiggestellt werden. Wenn ich also keinen passenden Nachschub bekomme oder noch schlimmer aufgrund einer bösen Karte mein Lager räumen muss, stürzt alles bisher Erbaute wieder in sich zusammen. Auch darf jede Turmfarbe in jeder Höhe nur einmal gebaut werden und nachträgliches Turmstutzen ist nicht erlaubt. Selbstredend bringen höhere Türme mehr Punkte als niedrige – und für allerlei Nebenbedingungen gibt es auch noch Extrapunkte.

Die Regeln sind damit erfreulich einfach und eingänglich. Es bedarf einer gehörigen Vorausplanung, um bei Firenze nicht regelmäßig auf der Schnauze zu landen. Da die Lager und die Baustellen der Mitspieler offen liegen, die tollen und bösen Aktionskarten offen genommen werden, die zukünftigen sechs Angebote auch immer schon zu sehen sind und der Materialvorrat abzählbar ist, gibt es eigentlich keinen Grund für böse Überraschungen. Für die ganz großen Punkte müssen aber dann doch ein paar Risiken eingegangen werden. Sonst wird eben doch immer irgendwer etwas schneller oder höher sein.

Bild von Firenze
Soviel zum Mechanismus und zum Spielgefühl. Ob das alles nun in Florenz, in Manhattan oder mit Raketen auf dem Mond gespielt wird, macht leider überhaupt gar keinen Unterschied. Das Thema wird lediglich durch die wirklich stimmungsvolle grafische Gestaltung getragen. Diese bietet dafür umso mehr schöne Details. Zunächst dachte ich, dass Florenz wohl mit San Gimignano verwechselt wurde – dem gängigen Lehrbuchbeispiel für „Geschlechtertürme in der Toskana“. Und Spiele folgen so oft den plattesten Klischees. Bei den Recherchen für diesen Text lernte ich aber, dass sehr wohl auch in Florenz munter Geschlechtertürme errichtet wurden. Nur sind keine erhalten geblieben, denn sie wurden 1251 gekappt, um auch symbolisch die Macht des Adels zu beschneiden (Autsch). Passenderweise werden bei Firenze laut Spielidee die Türme zwischen dem 12. und 14. Jahrhundert gebaut, was so gerade eben zu 1251 passt, wenn wir großzügig das „bis 14. Jahrhundert“ als „Spielende bei 1251“ interpretieren.

Im Florenz der Renaissance – also ein paar Jahre später – entstanden, wie jeder Spieler weiß, wichtige Werke der Kunst und Wissenschaft. Da schuf 1483 zum Beispiel Sandro Botticelli die Geburt der Venus. Die Venus im Zentrum des Bildes ist wohl wirklich jedem bekannt. Sie verkörpert Unschuld, himmlische Liebe, göttliche Schönheit und überhaupt das Herzensgute. Weniger bekannt ist die Frühlingsbotin, die rechts neben ihr in einem geblümten Kleide dargestellt ist und Venus empfängt. Eben diese Frühlingsbotin ist zum Beispiel auch auf dem Spielplan von Firenze zu sehen. Mit etwas Muße lassen sich noch viele weitere Details und Anspielungen finden. Frage: Aus welchem Bild ist die holde Schönheit auf der linken Seite des Spielbrettes (s. Abbildung) entnommen?

Schöngeist
Prädikat: Schöngeist
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Prädikat
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Höhenbeschränkungen


Die Venus war immer ein beliebtes Motiv von Künstlern aller Epochen. Wahrscheinlich verkaufte sie sich gut, ähnlich wie Mittelalter-Themen beim Gesellschaftspiel. So hängt ein paar Räume neben der Venus von Botticelli in den Uffizien Tizians Venus von Urbino. Diese entstand einige Jahre später (1538) und repräsentiert den venezianischen Stil, der – nun ja – wohl weniger dynamisch, dafür um so sinnlicher daherkommt. Diese Venus hat mit entrückter Unschuld und göttlichen Befindlichkeiten nur wenig gemein. So spiegeln diese beiden Bilder eines Motivs die doch sehr konträren Weltbilder der Venezianer und Florentiner jener Zeit wieder. Mit dem Spiel hat dies alles nichts mehr zu schaffen, hier ging es nur noch um das „und Mehr“.

4 Kommentare

  1. Schönes Rätsel, Peter, aber offenbar zumindest für mich zu schwer. Dabei habe ich etliche Bildbände durchgeblättert, Ehrenwort … Ich versuche nun, mit ein paar Fragen Tipps einzuholen.

    Von Botticelli ist es nicht ebenfalls, richtig?

    Die Dame hat ein Reisigbündel dabei. Ist es für ein Feuer bestimmt?

    Falls ja, wird Herr Savonarola verbrannt?

  2. Hallo Florian,

    dank eines Hinweises von Michael Menzel haben wir jetzt die Quelle gefunden. Wenn du selbst gerne suchen möchtest: Es ist Botticelli, und man muss sich an den Tiber begeben, um die Dame sehen zu können.

    Alles Gute von
    Kathrin.

    P.S.: Wer *nicht* selbst suchen möchte, kann hier: http://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Datei:Sandro_Botticelli_036.jpg spicken 😉

  3. Firenze-Ziemlich-Sicher-Gewinnstrategie: Gas geben d.h.nur die kleinen Stockwerke bauen die 5 Punktefuers Spielende abgreifen und dann Spass haben.
    Praxistest: Bei 3 vollkommen verschiedenen Spielgruppen hat dies 3mal zum Sieg gefuehrt (sprich 3verschiedene Personen) gewinnen so.
    Abhilfe: Siegbedingung mindestens ein 4er oder 5er Stockwerk muss dabei sein

  4. Hallo Tom,

    auf der Brettspiel-DM in Herne wurde in meiner Runde der Spieler mit den kleinen schnellen Wertungen deutlich letzter und zwar trotz 5 Punkte fürs Beenden und 4 Punkte für die Anerkennung. Dabei war die Vorgabe ziemlich günstig für ihn: Balkon 2 & 3 war lila – der 4er in Gelb konnte bis zum Spielende nicht errichtet werden.

    Im Gegenteil dazu ging mein Ansatz konzentriert wenig und hoch zu bauen ziemlich gut auf. Die Bonuspunkte für die ersten hohen Etagen sind recht lukrativ und da es in einer geübten Runde schwer ist in einer Farbe zwei Siegel unterzubringen waren mir denn auch viele Bonuspunkte am Spielende sicher.

    Der Zweitplatzierte wählte einen ähnlichen Ansatz, fokusierte sich aber stark auf lila. Im Gegensatz zum Rest der Meisterschaft war mir bei Firenze aber das Glück etwa mehr zugeneigt. – Über die anderen Spiele will ich lieber schweigen ;-).

    Viele Grüße,
    Peter.

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