Bakelit – so heißt das Material, aus dem die Drachentürme bestehen. Bekannt ist dieses mit lustigen Sprenkeln versehene Plastik aus den Spielen der GIPF-Reihe. Ob ich mit dieser Materialeinordnung richtig liege – dafür habe ich keine gesicherte Bestätigung. Aber gut aussehen tut’s auf jeden Fall. Vom Material her hören damit die Gemeinsamkeiten mit den Spielen von Kris Burm auf. Denn außer den Drachentürmen ist Kamisado vor allem eins: Bunt!

Wer das Regelheft aufschlägt, sieht sich mit drei eng bedruckten Doppelseiten konfrontiert. Nur keinen Schrecken kriegen! Auch wenn man es erst auf den zweiten Blick erkennt: Die Grundregeln des Spiels sind denkbar einfach und zusammen mit Beispielen auf nur einer Seite beschrieben. Wer an der Reihe ist, bewegt einen seiner acht Drachentürme vorwärts oder diagonal. Bedingung: Der Turm muss der gegnerischen Grundlinie in seinem Zug näher kommen, darf nur in eine Richtung und nicht über besetzte Felder ziehen. Die Farbe des Zielfeldes gibt an, welchen Turm der Gegner als nächstes bewegen muss. Nur der Startspieler also hat im ersten Zug die Wahl, welchen Turm er nimmt – jede weitere Entscheidung wird jeweils durch den Zug des Gegners vorgegeben. Wer mit einem eigenen Turm die gegnerische Seite erreicht, gewinnt die Partie.

Bild von Kamisado

Völlig ohne Glückselement und im Grunde abstrakt präsentiert sich Kamisado also. Ist damit zu befürchten, dass es hin- und herwogt, bis entweder ein Spieler endlich gewinnt oder ein Patt entsteht? Ein klares Nein: Im eigenen Zug muss man mindestens ein Feld näher zum Gegner ziehen. Irgendwann endet das Spiel somit auf jeden Fall. Einzig eine gegenseitige Blockade kann eintreten: Wenn nämlich ein Spieler nur noch einen gegnerischen Turm „aktivieren“ kann, der ebenfalls schon blockiert ist. Damit niemand eine solche Situation bewusst forcieren und zum eigenen Vorteil nutzen kann, verliert der Spieler, der den letzten Zug ausgeführt hat. Das ist alles ausgesprochen gut austariert. Die Zugmöglichkeiten geben einige Planungsmöglichkeiten. Andererseits dehnen sich die Berechnungen nicht ins Uferlose aus, da die Optionen gut ersichtlich sind. All dies kommt der Spieldauer zugute.

Doch eingangs war von viel längeren Spielregeln die Rede. Wer sich nach einigen Duellen neue Herausforderungen wünscht, kann über mehrere Partien hinweg spielen. Um diese sinnvoll miteinander zu verbinden, bietet Autor Peter Burley eine Reihe weiterer Optionen an. Wer die gegnerische Linie erreicht, stattet den entsprechenden Turm nun mit einem „Drachenzahn“-Marker aus und macht ihn so zum Sumo-Stein. Dieser darf beim Vorwärtsziehen gegnerische Türme um ein Feld zurückschicken. Wer in den Folgepartien zuerst drei Drachenzähne gesammelt hat, gewinnt. Weitere Varianten weiten dies noch weiter aus.

Bild von 1 von 3 Türmen
Prädikat
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1 von 3 Türmen

Ich muss zugeben, dass ich bei Spielen zu zweit die knackigen Varianten bevorzuge und daher Kamisado zumeist in der Variante ohne Drachenzähne spiele. Doch bereits im Grundspiel entfaltet der eingängliche Mechanismus seinen Reiz. Wer nicht aufpasst, erkennt schnell schmerzlich seinen Fehler – ein wirksamer Übungseffekt! Allein ein Fragezeichen bleibt zurück: Für Farbenblinde ist die Farbe auf einer Spielplanseite in chinesischen Schriftzeichen auf die Felder gedruckt. Bloß woher kriegt man den Crashkurs in Chinesisch, wenn es mal akut werden sollte?

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