Alea iacta est.

Cäsar, Julius  – Scheiterte in Rom, Italien, an innerfamiliären Unstimmigkeiten.

Etwa zur Zeit des Einfalls der Barbaren ins römische Reich bekamen Würfelspiele bei echten, ernsthaften Spielern den leicht abfälligen Ruf, glücksabhängig zu sein. Es wurde gar modern, mit dem Pech beim Würfeln zu hausieren: „Statistik schön und gut – aber würfeln liegt mir nicht! Da verliere ich immer.“ Das waren und sind gern gehörte Sprüche, mit denen sich Strategen vom niederen Volk der Kniffelzocker absetzen möchten.

Dann kam Kingsburg. Mit ihm versuchten die Veranstalter der deutschen Brettspielmeisterschaft in einem letzten, zaghaften Aufschrei, das Würfeln in die Ecke des Glücksspiels zu drängen. Nur übersahen sie dabei: „Jeder ist seines eigenen Glückes Schmied.“

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Wer dieses famose Spiel noch nicht kennt, sollte diese Lücke schleunigst schliessen: In ihren Provinzen errichten die Spieler als Gouverneure des Königs Gebäude und Verteidigungsanlagen. Dafür benötigte Materialien bekommen sie von den Beratern des Königs zugeteilt. Während im Frühjahr, Sommer und Herbst tüchtig gehämmert und gehobelt wird, erstürmen im Winter neidische Feinde die Barrikaden. Nach fünf Jahren wird abgerechnet.

Das Umschmeicheln der 18 Berater im Lande Kingsburg geschieht mit Würfeln. Die Gouverneure werfen je drei Würfel und können reihum die Ergebnisse nach ihrem Geschmack aufteilen. Wer zum Beispiel 3,3,4 würfelte, könnte den 3-er Baumeister und den 7-er Astronom belegen. Doch jeder Berater hilft pro Jahreszeit nur einem Gouverneur. Dann werden Gebäude gebaut, die selbstredend nette Vorteile im weiteren Spiel bringen. Wenn schließlich im Winter die zufällig starken Feinde anrücken, gilt es genügend Verteidigungskapazität aufgebaut zu haben. Glücklicherweise unterstützt auch der König die wackeren Verteidiger. Ein Würfel legt die Stärke seiner Truppen fest. Erfolgreiche Heerführer werden belohnt. Versagern werden Gebäude und Siegpunkte entrissen. Natürlich werden die Feinde von Jahr zu Jahr stärker und die Gebäude Stück für Stück teurer, wertvoller und erstrebenswerter.

Die Entscheidungen, welcher Berater als erstes okkupiert werden sollte und welches Gebäude eher oder später errichtet werden könnte, ist nicht trivial. Zu viert und zu fünft kann sich das Spiel deshalb durchaus zwei Stunden in die Länge ziehen. Doch über die gesamte Spieldauer herrscht knisternde Spannung, mitunter fällt die Entscheidung mit dem letzten Würfelwurf.

Schon erklingt in der Ferne das Stöhnen des Strategiepuristen: „Würfel und Siegen?“ – Das geht nicht. Er könnte – nein: wird – Pech haben. Wie oben erwähnt ist er schließlich kein Kind des riskanten Glücks, sondern liebt das Vorhersehbare und die Kontrolle. Also igelt sich der Stratege ein und konzentriert sich auf die Verteidigung und geht somit keinerlei Gefahr ein. Im Jahre Fünf können zum Beispiel die Feinde eine Stärke von 7 bis 9 erlangen, die Streitmacht des Königs beträgt zufällig 1 bis 6. Also rüstet er sich mit einer eigenen Verteidigung von 8. Dann wird der 7er Feind gezogen, der König würfelt eine Sechs, und der Stratege klagt über das viel zu leichte Spiel im speziellen und den Zufall im allgemeinen. Denn er würfelte immer nur 1,1,1  – vieleicht mal 1,2,3… Während der Jammerer mit seinem Schicksal hadert, lohnt es sich aber, einen genaueren Blick auf die Pechkomponenten zu werfen.

Die Berater bringen etwa einen Rohstoff pro eingesetztem Würfel. Richtig doof sind nur die Kombinationen 1,1,1 und 2,2,2 – oder wenn mehrere Spieler sehr ähnlich würfeln Da die häufigsten Ergebnissse mit drei Würfeln aber zwischen 9 und 12 liegen, lassen sich in Kombination mit den richtigen Gebäuden aus fast allen Würfen zwei oder drei Rohstoffe ergattern.  Einige Berater schenken auch Armeen oder erlauben den nächsten Feind zu erspähen. Dieses Lunzen ist ausgesprochen siegfördend. Denn einige besonders starke Feinde haben nur eine geringe Zerstörungswut. Sie lohnt es nicht zu bekämpfen. Sehr wichtig ist das Spähen übrigens im vierten Jahr. Tatsächlich sind die Feinde ziemlich schwach. Pro Jahr gibt es nur fünf verschiedene, und der König würfelt zur Unterstützung. Somit ergeben sich 30 Kombinationen aus denen sich eine effektive Feindesstärke zwischen 0 und 8 berechnen lässt. Der Median der Verteilung der effektiven Stärke ist ein erster Indikator, wieviel Verteidungskraft die Gouverneure aufbringen sollen. Dann gewinnen sie mindestens 50% der Kämpfe:

Jahr: effektive Stärke:
  0     1     2     3     4     5     6     7     8    Median:  
  1 21  5  3  1  0
  2 14  5  5  4  2  1
  3 9  5  5  5  4  2  2
  4 4  5  5  5  5  4  2  3
  5 0  1  3  5  5  5  5  4  2  5

Die martialischen Teile des Spiels werden also erst in den letzten beiden Jahren wichtig.

Dem Wunsch nach stärkeren Feinden sind die Autoren mittlerweile mit einer Variante nachgekommen. Diese wird auch zur Meisterschaft gespielt. Nun darf jeder Spieler selbst seine Unterstützung anfordern und zwar zweimal 1 und je einmal 0,2,3,4. Die nichtverbrauchte Unterstützung wird in Siegpunkte gewandelt. Dadurch wird Kingsburg noch taktischer. Die Feindesstärke verteilt sich nun wie folgt:

 Jahr: Stärke:
 2   3   4   5   6   7   8   9   Median: 
   2  2  1 3
  1  2  2 4
 3   1  2  2 5
 4   1  2  2 6
 5   1  2  2 8

Außer im ersten Jahr lohnt es nun also durchaus, immer mit dem Schlimmsten zu rechnen. Die spähenden Berater werden sehr viel mächtiger.

Neben der Verteidigung ist das Bauen der Gebäude natürlich sehr wichtig. Diese sind in fünf Gruppen unterteilt: Es gibt die zu teuren Prachtbauten, nur das Standbild und sehr selten noch die Kapelle lohnt sich von ihnen. Dann folgen die Wirtschaftsunternehmen. Der Bauernhof ist sicherlich das mächtigste Gebäude, wenn er spätestens im Jahr Zwei errichtet wird. Markt und Kneipe sollten schon im ersten Jahr gebaut werden. Zwei Gruppen beschäftigen sich mit der Landesverteidigung. Egal in welcher, aber nur in einer sollte sich jeder engagieren. Aus der letzten Kategorie sind alle Bauten billig und nützlich. Insbesondere die Barrikaden sollten im Jahr Eins errichtet werden, denn Goblins sind doppelt so häufig wie andere Bösewichter. Mit den Turnierregeln empfiehlt sich in einem normalen Spiel mit einigem Pech folgende Baustrategie: Kneipe – Markt – Barrikade – Kran – Rathaus – Palisaden – Botschaft – Ställe – Steinwall -Standbild – Festung – Kapelle.

Oder so ähnlich.

Denn das Spiel ist ungewöhnlich gut austariert, und es gibt immer mal wieder neue erfolgreiche Bauideen, die alles eben erwähnte konterkarieren. Weichenstellend sind hierbei die ersten Jahreszeiten. Manchmal forden die Mitspieler und Würfel Mut zur Lücke. Es sind auch schon Spiele über Prachtbauten und Konzentration aufs Verteidigen gewonnen worden.

Unter den Beratern sind sicherlich die Königin und der Schmuggler die beiden erstrebenswertesten. Doch sind insgesamt die Gaben auch aller anderen gut ausgewogen. Auch der Hofnarr ist nicht zu verachten.

Es gibt auch eine kostenlose Javaversion von Kingsburg mit einer durchaus beachtenswerten KI. Ausgestattet mit all diesen Informationen sollte klar sein: Kingsburg läßt sich zwar auch mit Glück gewinnen. Seltener scheitert man aber ohne es.

Mit der Dummheit kämpfen Götter selbst vergebens. (…) Dem Narrenkönig gehört die Welt

Schiller, Jungfrau von Orleans, Frankreich – Haufenweise gescheitert.

P.S.: Das Foto entstand im Oktober 2008 in Luxemburg.

Pausentatze
Prädikat: Pausentatze

Erster von drei Narren
Zweiter von drei Narren
Prädikat: 2 von 3 Narren

3 Kommentare

  1. Nach gutem Zureden haben wir uns entschlossen, Kingsburg noch einen zweiten Narren zu verleihen.

  2. Danke für den netten Artikel, aber du meinst vermutlich eher „Median“ anstatt „Meridian“, oder?

  3. Hallo Lars,

    ja, dieser Dreckfuhler hat sich ganz schön lange unbemerkt gehalten. Jetzt sollte es stimmen.

    Danke,
    Peter,

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