Last Train To Wensleydale

Ohne mich näher mit Last Train To Wensleydale zu beschäftigen, gab es für mich schon drei Gründe, dieses Spiel ungespielt zu kaufen:

    • Der Titel, zusammen mit dem treffenden Schachteltext:

For many years the train gaming world has been waiting for a game about moving cheese in the Yorkshire Dales. That wait is now over!

(…)
Mousebender You do have some cheese, do you?
Wensleydale Certainly, sir. It’s a cheese shop, sir. We’ve got…
Mousebender No, no, no, don’t tell me. I’m keen to guess.
Wensleydale Fair enough.
Mousebender Wensleydale.
Wensleydale Yes, sir?
Mousebender Splendid. Well, I’ll have some of that then, please.
Wensleydale Oh, I’m sorry sir, I thought you were reffering to me, Mr Wensleydale.
(…)

Bild von Last Train to Wensleydale

Last Train To Wensleydale überzeugt auch spielerisch. Die Regeln sind zwar gerade noch überschaubar kurz, da die Spielabläufe sich aber nicht sofort intuitiv erschließen, folgt nun eine etwas ausführlichere Beschreibung:

Auf der Karte von Mittelengland finden sich Wiesen, Täler und Hügel. Auf Hügeln liegen Steine, auf Wiesen Käse. In einigen Ortschaften stehen auch noch Passagiere herum, die dringend in grüne oder rote Städte möchten. Schließlich bereiten sich ein paar oppositionelle Bauern schon mal auf das Schlimmste vor. Denn hochmotivierte Jungunternehmer treten an, um das Land mittels kleiner Eisenbahngesellschaften zu urbanisieren und Käse, Steine und Passagiere einzusacken.

Kleine Eisenbahngesellschaften können aber nicht langfristig profitabel arbeiten. Deshalb müssen sie möglichst schnell mit geringstmöglichem Verlust an eines der beiden großen Bahnunternehmen der Region verkauft werden. Um diese Vertreibung Oppositioneller, Verlegung von Schienen, den Transport von Waren und Verkauf von Streckennetzen dreht sich alles bei Last Train To Wensleydale. Als Kleinunternehmern fehlen den Spielern zudem noch die finanziellen Mittel, eigene Züge zu kaufen. Deshalb müssen sie jede Runde erneut ein paar Lokomotiven und Waggons mieten.

Neben Siegpunkten gibt fünf weitere „Währungen“: Investitionssteine, Einfluss auf die Regierung, Einfluss auf Zugvermieter, Einfluss aufs rote große Bahnunternehmen und Einfluss aufs grüne große Bahnunternehmen. Man merkt schon: in Wensleydale geht es ums Networking! Einflusspunkte werden am Anfang jeder Runde versteigert. Dazu stehen jedem 12 bis 15 Investitionssteine zur Verfügung. Der Ertrag dieser Auktionen ist gering. Zwei bzw. drei Steine müssen mindestens geboten werden, um drei oder vier Einflusspunkte zu bekommen. Einfluss regelt nicht nur die weitere Spielreihenfolge, mit ihm werden zum Beispiel auch Schienen gebaut oder Züge gemietet.

Zunächst darf jeder einen verzweigungsfreien Schienenstrang errichten. Jede Schiene kostet ein oder zwei Investitionswürfel, die durch beliebige Einflusspunkte ersetzt werden können. Felder, die auch schon zum Netz der großen Rot- oder Grünbahnen gehören, kosten einen Extrapunkt roten oder grünen Einflusses. Stehen noch weiße Bauern auf einem Feld, müssen diese zunächst mit einem weißen Einflusspunkt vertrieben werden.

Nach dem Schienenbau kommt es – wie so oft bei Eisenbahnspielen – zum Transport. Dazu müssen in jeder Runde erneut Züge gemietet werden. Je nach Zugkapazität kostet dies ein bis drei Zugvermietereinflusspunkte. Da es ohne Transport keine Siegpunkte gibt, ist es ausnahmsweise erlaubt, auch mit Investitionssteinen oder anderen Einflussarten im Tauschverhältnis 1:3 zu bezahlen. Dies ist ziemlich bitter! Für den Transport von Steinen muss nebenbei bemerkt nicht der Berg, auf dem der Stein liegt, sondern nur ein angrenzendes Tal angeschlossen sein. In Wensleydale gibt es keine Zugspitzen.

Dann wird die Rechnung der aktuellen Runde präsentiert: Die Schienen auf dem Spielfeld jedes Spielers werden mit den gerade transportierten Gütern und Personen verrechnet, Steine zählen doppelt. Das Ergebnis reduziert oder erhöht den aktuellen Gewinn-Verluststand, der zwischen -13 und +5 schwanken kann.
Erst danach darf jeder einen Strang Schienen abstoßen. Das kostet je einen roten oder grünen Einflusspunkt für je zwei Schienen. Die entsprechenden Schienen werden durch rote oder grüne ersetzt und gehören fortan zum neutralen Netz.

Nach vier bis fünf Runden endet das Spiel mit der Ermittlung von Siegpunkten: Aktueller Gewinn/Verluststand minus Anzahl der verbleibenen Schienen plus einen Punkt pro im Spiel transportierte Ware oder Person plus zwei Bonuspunkte pro kompletten Satz aus Stein, Käse, rotem und grünem Passagier.

Trotz oder gerade wegen der etwas wirr erscheinenden Mechanismen spielt sich Last Train To Wensleydale erfrischend abwechslungsreich und zügig. Eine Spielübersicht mit den Infos, was wann wie bezahlt werden kann, wäre zwar hilfreich. Der Zielgruppe solcher Spiele kann aber auch zugemutet werden, sich vor dem ersten Übungsspiel etwas intensiver mit der Regel auseinanderzusetzen und bald weitere Partien folgen zu lassen. Der Spielspaß lädt dazu auf jeden Fall ein.

Vor lauter Pflichtneuheiten kamen wir leider erst jetzt dazu, das Spiel genauer zu betrachten. Zu beachten gibt es viel, um erfolgreich Siegpunkte zu sammeln. Zunächst gilt es die diversen Spielreihenfolgen richtig zu beurteilen. Es ist ein großer Vorteil, zum Beispiel als erster Schienen bauen zu dürfen. Dann sollte genau abgewägt werden, welche Einflusspunkte ersteigert werden müssen. Wer sich hierbei überbietet, oder immer nur nimmt, was übrigbleibt, manövriert sich schneller als gedacht aufs Abstellgleis.

Siegpunkte sind schwer erreichbar. Da jede gebaute Schien fortan Verluste einbringt, ist es natürlich geschickt, eine gebaute Strecke möglichst schnell leerzutransportieren und dann abzustoßen. Dies ist leichter gesagt als getan. Da die Gewinn-Verlustskala bei 5 nach oben gedeckelt ist, lohnt es in den ersten zwei Runden auch gar nicht all zu sehr, die Kosten zu minimieren. Dann sollte das eigene Unternehmen aber langsam profitabler werden oder zumindest die Verluste nicht weiter ausdehnen. In der letzen Runde sollte zudem nach Möglichkeit noch etwas Einfluss zum Verkauf der längsten Linie übrig sein. Es hat jeder Spieler überhaupt nur 15 Schienen. Bevor das Netz weiter gebaut werden kann, müssen also auch schon früher Strecken abgestoßen werden. Besonders lukrativ sind schließlich die Bonuspunkte für komplette Sets, der Aufschlag macht immerhin 50% aus.
Bei all diesen Überlegungen ist leider, leider auch noch der zufällige Spielaufbau zu beachten, der jedesmal andere Schwerpunkte erfordern kann. Und die doofen Mitspieler wollen einem auch noch ständig vor der Nase die schönsten Strecken wegbauen, die besten Züge wegmieten oder die wichtigsten Güter abtransportieren.

All dies ist äußerst anspruchsvoll und vergnüglich und zeigt, dass auch bei vermeintlich völlig ausgelutschten Themen wie Eisenbahnspielen mit Gütertransport und Streckenbau noch furiose Spiele möglich sind, ohne großartig innovative Ideen zu verwirklichen.

Bild von 2 von 3 Käse
Prädikat
: 2 von 3 Käse

Ein Kommentar

  1. Pingback:spielblog » Blog Archive » First Train to Nürnberg - eine “kurze” Vorstellung

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