Montego Bay

Rum, Karibik, Schiffe – was erwartet man da?! Piraten! Entern! Abenteuer! Doch es müssen nicht immer Freibeuter sein. Stattdessen lernen die Spieler einen sympathischen, friedlichen, gerechten und respektierten Kerl kennen. Der Tally-Man ist zuständig für das Verladen von Fässern. Da möchte doch jeder sofort gerne zur Hand gehen und fleißig Fässer rollen. Oder?

Auf dem geräumigen Spielplan fühlt man sich gleich in die Karibik versetzt. Ein Gläschen Rum gefällig? Doch es gilt die alte Tropenregel: Alkohol nie vor Sonnenuntergang! Sonst steigt es einem ins Hirn. Also doch erstmal die Ärmel hochkrempeln und angepackt. Zwei Ladearbeiter kommandiert jeder Spieler. In einem geschickt gestalteten Schienensystem wird die Reihenfolge bei der späteren Auswertung vorgegeben. Von Runde zu Runde wird dies rollieren – ein Arbeiter herausschieben und auf der anderen wieder einsetzen. Um die feste Reihenfolge mal aufzumischen, wird diese in der Mitte des Spiels komplett neu ausgelost. Jeder Arbeiter kann zwischen einem und fünf Schritten entlang der Einbahnstraße rund um die Ladehäuser gehen. Erst planen – dann traben: Verdeckt legt jeder die Marschbefehle an seine Arbeiter aus, dann wird gemäß der Reihenfolge gearbeitet.

Bild von Montego Bay

Hier beginnt nun das Vergnügen. Denn sobald sich Arbeiter im selben Laderaum treffen, stellen sie allerlei lustige Dinge an. So muskulöse Kerle sind halt eher einfach gestrickt. Wird nun eine Figur auf ein bereits besetztes Feld bewegt, so wird der dort befindliche Kollege einfach durch den Laderaum hindurch auf die andere Seite befördert. Um den Witz zu verstehen, sei hier erklärt, dass jedes Lagerhaus aus zwei Räumen besteht. Je ein Ausgang führt nach Norden und nach Süden hinaus. Im Rundkurs wird man somit unsanft auf die Gegenbahn befördert. War der Kamerad in dieser Runde noch nicht an der Reihe, wird er bei seinem Marsch an einem ganz anderen als dem ursprünglich angepeilten Ziel landen. Oder hat er den Schubs bereits geschickt einkalkuliert?

Und was passiert, wenn der eigene Arbeiter einen Kollegen trifft, der nicht auf die andere Seite durchgereicht werden kann? Das passiert, wenn dort ein dritter Kumpel steht. In diesem Fall übt sich der eigene Arbeiter in Zurückhaltung und stellt sich höflich hinten an aufs letzte freie Feld.

So weit, so gut. Sobald alle Arbeiter ihren Arsch zur mehr oder weniger freiwilligen Zielposition bewegt haben, startet der Tally-Man seine Runde und schaut bei jedem mal vorbei. Nun wird es interessant, in die Lagerhäuser zu schauen. Befinden sich dort ein oder mehrere – bis zu vier – Fässer? Jetzt werden sie in die im Hafen liegenden Schiffe verladen – der Spieler entscheidet, welche Fässer in welches Schiff gelangen. Sind ein oder zwei kaputte Fässer abgebildet? Pech gehabt: Bereits verladene Fässer gehen dafür hops. Immerhin kann man gelegentlich eine Münze verdienen. Für ein Gehalt von drei Münzen bietet „Lazy Jack“ für eine Runde seine Dienste als dritter Arbeiter an.

Das vorderste Schiff wird am Ende dieser Runde ablegen. Die anderen stechen aber auch in See, falls sie bereits vollgeladen wurden. Da jeder Spieler Fässer seiner Farbe verlädt, dürfen sie in den Schiffen das alt bekannte Mehrheitenspiel spielen. Bei unterschiedlicher Ladekapazität der Schiffe sind unterschiedliche Siegpunktstaffelungen drin. Anstelle zügig ans Verladen zu gehen, beginnen die Arbeiter auf Anraten ihrer kontrollierenden Spieler an dieser Stelle zu zögern. Wie viele Fässer werden in dieser Runde noch wohin verladen? Welche Schiffe werden ablegen? Wie lassen sich die Mehrheiten erringen? Im ersten Teil der Runde ging die Planung der Arbeiterbewegungen noch leicht von der Hand. Vor allem konnten hier alle Spieler zugleich agieren. Bei der Auswertung der Verladeprozesse zieht es sich hingegen in die Länge. Verschiedene Konstellationen wollen durchgerechnet werden, um optimal zu beladen und keine Fässer zu verschenken. Mancher Spieler wünscht sich zur Überbrückung der Wartezeit dann doch lieber ein Rum-Misch-Getränk – wie wäre es mit einem Cuba Libre?

Diese zähe Phase verpasst dem ansonsten durch lockere Überraschungsmomente geprägten Spiel leider einen ziemlichen Dämpfer. Hinzu kommt, dass die Unterschiede der zu verladenden Fässer gravierend sein kann. In einem Lagerhaus beträgt die Differenz gar sechs Fässer – denn vier Fässer zu verladen oder zwei bereits verladene Fässer entfernen zu müssen, das ist schon ein Unterschied! Als Glückselement kommt ferner die Reihenfolge der Arbeiterbewegung hinzu. Meist reicht die Rundenanzahl nicht, um in einer Spielhälfte einmal komplett durchzurotieren. Je nach Losglück gibt es Spieler, die ihre Figuren während der ganzen Partie häufiger früh oder spät ziehen müssen.

Das Spiel endet, sobald der Stapel der Schiffe weitgehend durchgespielt wurde. Jetzt legen selbst alle nicht fertig beladenen Schiffe ab. Bild von 1 von 3 Fässern
Prädikat
:
1 von 3 Fässern

Wer hier in der letzten Runde geschickt eingesetzt hat, kann plötzlich mit wenigen Fässern ganz viele Punkte holen und das Feld über den Ha(u)fen werfen. So viel Spaß die gegenseitige Schubserei durch die Lagerhäuser macht, so überraschend die Ketteneffekte bei der Bewegung der Arbeiter sind – so enttäuschend gestaltet sich der zeitintensive Wertungsmechanismus. Schade – so wird der viel versprechend klingende Ausflug in die Karibik dann doch mehr zum Arbeitsspiel.

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