Notre Dame

Paris, Paris – Stadt der Liebe, der Romantik und des guten Essens. Schnuckelige Gassen, laissez faire, Café au lait, Baguette, vin rouge ordinaire, und auch der Eiffelturm sollte neben Montparnasse und selbstredend der Seine genannt werden. Paris ist auch Lutetia, die vielleicht erstaunlichste Stadt des Universums.

Wer an Paris denkt, denkt aber auch an Versailles, Notre Dame, Quasimodo und – genau – an Ratten. Welches Kind kennt nicht die Geschichte vom Rattenfänger von Paris? Beliebt ist auch das Sprichwort über die Ratten, die das stinkende Paris verlassen. So war es längst an der Zeit, in einem Spiel die enge Beziehung der possierlichen Nagetiere mit der Hauptstadt des Kitschs zu vertiefen. In Notre Dame ist dies endlich geschehen.

Bild von Notre Dame
Das zentrale Spielelement von Notre Dame sind neun Aktionskarten, die jedem Spieler zur Verfügung stehen. Aus dreien sucht sich jeder eine aus und gibt zwei weiter, behält wieder eine und gibt die verbleibende weiter. Dann spielt jeder zwei Karten und führt entsprechende Aktionen aus. Dieses Draften ist natürlich schon länger bekannt und wurde zum Beispiel genial in Fairy Tale angewendet. Neun Mal wiederholt sich dieser Reigen, unterbrochen wird er nur durch die Möglichkeit, noch Extraaktionen zu erwerben, sowie durch kleinere Siegpunktwertungen.

Dazu gibt es noch die Ratten. In jeder Runde vermehren sie sich wie die Karnickel und wollen bekämpft werden, da sie sonst munter alle Siegpunkte annagen. So drehen sich viele der Aktionen nicht nur ums Siegpunktscheffeln, sondern widmen sich vielmehr der Rattenwehr. So kann das Rattenhospital besetzt werden, um in jeder Runde das Rattenmeter (Anzeige des Ausmaßes der Rattenplage) zu reduzieren. Der Rattenpark ist auch nett. Wer ihn zwei Mal nutzt, entledigt sich einiger Viecher und bekommt quasi nebenbei im weiteren Spiel ständig Extrasiegpunkte. Mit jeder gespielten Karte wird ein Feld mit einem Holzwürfelchen besetzt. Da diese beschränkt sind, ist es notwendig in der Rattenschule für Nachschub zu sorgen. Wer will, kann aber auch mit dem Rattentaxi durch die Gegend fahren, um Ratten zu plätten und Siegpunkte einzuheimsen.

Wegen der vielen Ratten kommt die Interaktion bei Notre Dame etwas kurz. Sicherlich lohnt es, beim Draften die Mitspieler zu beachten. Sonst kommt man sich aber nur per Rattentaxi manchmal in die Quere. Doch stört dies nicht weiter, da die reine Rattenbekämpfung höchst vergnüglich und kurzweilig ist. Dabei lässt sich das Spiel auf vielerlei Weisen gewinnen und verlieren. Neben den schon erwähnten Aktionen ist zum Beispiel auch noch die Rattenresidenz sehr lukrativ. Der erste Stein auf ihr bringt einen Siegpunkt, der zweite zwei, der dritte drei usw.. In gleicher Weise steigert sich auch der Ertrag einiger anderer Felder. Wer will, kann auch versuchen, die Ratten zu ignorieren. Dies bietet sich oft im letzten Drittel des Spiels an, da wie immer der siegpunktreichste Spieler gewinnt. Da es keinen Sonderpreis für besonders nachhaltiges Wirtschaften oder die gründlichste Rattenbekämpfung gibt, ist ein Paris kurz vor dem Kollaps ein guter Ausgangspunkt, um bei Notre Dame zu siegen.

Die Erweiterung zu Notre Dame bringt erwartungsgemäß neun weitere bestechliche Pesonen, welche die schon erwähnten Extraaktionen gewähren. Zur Bestechung stehen immer drei unterschiedliche Personen zur Verfügung. Erst die Reihenfolge ihres Erscheinens bringt etwas Variabilität in den Spielablauf. Mit der Erweiterung werden die Partien noch etwas abwechslungsreicher. Zufällig werden 9 Personen aussortiert, die restlichen werden vor Spielbeginn bekanntgegeben. Weiteres ändert sich nicht.

So ähnelt die Notre Dame Erweiterung den anderen kleinen Ergänzungen aus Aleas Schatzkiste. Sie verändert das Spiel nur minimal, lohnt sich aber durchaus zu spielen. In ihrem Umfang erinnert sie eher an ein Give-away als an eine ausgewachsene Erweiterung.

Die Ratte unseres Vertrauens bewertete Notre Dame mit einem wohlwollenden Doppelquiek. Dann kamen die Kater.

2 von 3 Kater
Prädikat
: 2 von 3 Katern

4 Kommentare

  1. Bei dem Prädikat bleibt die Frage, wer wäre der Drittkater geworden, wenn es für drei Kater gereicht hätte. Vielleicht Einstein? 😉

  2. >Welches Kind kennt nicht die Geschichte vom Rattenfänger von Paris?

    Also, Rattenfängern von Hameln kenne ich, aber Paris?

    Zu Stefan’s Frage…Gödel, vielleicht?

  3. Avatar-Foto Rudi Keiler Gómez de Mello

    Liebe Spiele-Rezensenten,

    das Spiel „Notre Dame“ hat in mir großes Interesse geweckt. Nach Lesen der Spielregel und einiger Kritiken bin ich mir jedoch unsicher über eine Anschaffung. Mehrmals wurde das doch ziemlich hohe Glücksmoment des Ziehens der Aktionskarten erwähnt. Ich persönlich mag eher ein ausgewogenes Verhältnis von Zufall und Selbstbestimmung – so wie bei Carcassonne, Sankt Petersburg, Babel, Bohnanza etc. Ist bei „Notre Dame“ das Verhältnis von Glück und Eigenleistung ähnlich oder gleich wie bei besagten Spielen oder fühlt man sich eher vom Spiel „gespielt“, so dass der Spielverlauf und die Entscheidung über Sieg und Niederlage allein am Glücksmoment hängen? Das Spiel „Revolte in Rom“ (auch von Stefan Feld) wäre hier als Negativbeispiel zu nennen.
    Vielen Dank für die Hilfe!

    Lieber Gruß
    Rudi Keiler Gómez de Mello

  4. Lieber Rudi,

    die Aktionskarten bei Notre Dame erscheinen zwar in zufälliger Reihenfolge, aber es finden folgende Steuerungen statt: Die insgesamt neun Runden sind in drei Abschnitte à drei Runden unterteilt. Innerhalb jedes Abschnittes sind die vorkommenden Aktionskarten bekannt – nur in welcher Reihenfolge sie ins Spiel kommen, ist durch das Mischen dem Zufall überlassen.

    Bei den Aktionskarten werden immer zwei ausgelegt, die aus einer Auswahl von insgesamt sechs Karten stammen. Diese sechs Aktionsmöglichkeiten stehen in jedem der drei Abschnitte gleichermaßen zur Verfügung und erlauben beispielsweise Nachschub an Geld oder an Klötzchen.

    Die dritte ausgelegte Aktionskarte pro Runde stammt pro Abschnitt aus einer Auswahl von drei Karten. Jeder Abschnitt hält passende Aktionen bereit – beziehen sich im ersten Abschnitt die zusätzlichen Aktionen darauf, dass man noch nicht so viel aufgebaut hat, kann man im dritten Abschnitt durch guten Aufbau viele Punkte holen. Wer das Spiel besser kennen lernt, spielt immer gezielter auf die entsprechenden Aktionen und weiß, was im Laufe eines Abschnittes auf ihn zukommt. Da alle vorkommenden Karten bekannt sind, kann man auch ausrechnen (und einplanen), wie viele Ratten im Laufe der Partie zu bewältigen sind.

    Wir haben am Tisch sicher weit mehr als ein Dutzend Partien Notre Dame gespielt, und in der Brettspielwelt weitere 40 Partien. Der Spielreiz ist für uns ungebrochen, was sich auch in unserer Bewertung „2 von 3“ niederschlägt.

    Ich hoffe, ich konnte durch diese Zusatzinformationen zur Klärung beitragen.
    Alles Gute von
    Kathrin.

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