Schatten über Landsitz Hagenberg

Bereits zum zweiten Mal (nach Mord in der Puszta) erhielten wir eine Anfrage der Art: „Auf Ihrem Blog besprechen Sie Krimispiele. Hätten Sie nicht auch Interesse, unser neues Spiel … zu testen?“. Klar haben wir! Und so schickten uns die Verleger von Culinario Mortale ihren ersten Fall „Schatten über Landsitz Hagenberg“ zu. Es gelang uns, die ideale Besetzung mit drei Frauen und fünf Männern zusammen zu trommeln – und so stieg schließlich unsere Dinnerparty im Schloss des Firmenpatriarchen Anton Hagenberg.

Wer über Krimispiele schreibt, möchte den interessierten Spielerinnen und Spielern natürlich nicht den Spaß verderben. Deshalb hier unser üblicher „Disclaimer“: In dieser Besprechung werden keine Informationen preisgegeben, die für den Tathergang wichtig sind. Weiterlesen ist also gefahrlos möglich.

Sechs der teilnehmenden Spieler hatten bereits wiederholt mit uns nach Mördern gesucht. Ein befreundetes Pärchen erlebte sein Krimidinner-Debüt – und prompt erhielt eine dieser beiden Personen die Rolle der schuldigen Person zugelost! Und meisterte ihre aufregende Aufgabe ganz prima.

Bild von Schatten über Landsitz Hagenberg
Thematisch bietet dieser Fall von Culinario Mortale keine exotische Kulisse. Im Familiensitz der Hagenbergs versammeln sich die Gäste zum 70. Geburtstag des Familienoberhauptes und Firmenbesitzers. Dieser wird im Laufe der Nacht vergiftet. Er überlebt dies jedoch und sucht am folgenden Tag im Kreise der Verdächtigen nach dem Schuldigen. Dabei ist nicht klar, ob dies vielleicht eine Finte ist – handelt es sich womöglich auch um eine Aktion des Patriarchen selbst?! Auszuschließen ist das nicht – aber wie üblich haben alle Rollen ihren ganz individuellen Dreck am Stecken, und so fliegen die Verdächtigungen und hartnäckigen Nachfragen schnell hin und her über den Tisch!

Spieltechnisch ist der Fall recht konventionell aufgebaut. Zunächst erhält jeder einige Informationen über sich selbst und über die anderen Personen. Ein wenig anders gestalten sich die – hier: drei – Spielrunden. Denn im Unterschied zu anderen Krimidinner-Spielen wird hier eine chronologische Abfolge gewählt. In der ersten Runde erfahren alle, was die durch sie verkörperte Person zwischen 17:00 und 19:00 Uhr getan hat. In der zweiten Runde geht es um den Zeitraum zwischen 19:00 und 21:45 Uhr, und in der dritten schließlich um die Zeit bis zur Entdeckung des vergifteten Anton Hagenberg. Diese Art des Ablaufes fanden wir zunächst ungewohnt. Einen großen Vorteil hat dies jedoch: Durch den chronologischen Ablauf passiert es praktisch nicht, dass ich beim Improvisieren etwas erfinde, das durch neue Informationen in späteren Runden widerlegt werden könnte. Diese Form hat für uns gut funktioniert und kommt mir insbesondere einsteigerfreundlich vor.

Nach dem Lesen der eigenen Rolleninformationen, sowie des eigenen Textes zu Runde 1 einigten wir uns darauf, eine Vorstellungsrunde einzulegen. Die Spielregel sieht dies nicht vor, aber zur Orientierung und zum Einfinden in die Rollen empfinden wir es als hilfreich. Sonderlich viel gibt in einer solchen Vorstellung kaum jemand von sich preis, aber die Verwandt- und Bekanntschaftsgrade zu erfassen wird hierdurch sehr gut unterstützt. Schnell fingen wir daraufhin an, uns gegenseitig zu befragen. Die beiden Krimispiel-Neulinge konnten sich dabei zunächst durch Zuhören ein wenig orientieren und gelangten dann schnell ins Spiel und trugen ihre Informationen bei.

Die drei Spielrunden werden – wie üblich – so lange durchgeführt, bis alle versichern, dass sie keine neuen Informationen mehr beitragen können. Zwischen den Runden gelangen allgemeine Informationen ins Spiel, bevor die Spieler die nächsten Rundeninformationen öffnen. Geschickt gelöst ist dies durch das Material: Durch eine Perforation sind die Informationen in den Spielerheften sozusagen „versiegelt“. Erst zum geeigneten Zeitpunkt trennt man diese Perforation auf und kann so weiterlesen. Dadurch ist sichergestellt, dass niemand versehentlich zu früh eine Information erspäht. Zudem ist der Grundriss des Landsitzes im Material jeden Spielers abgedruckt – kein Herumreichen der Karte nötig! Hier gibt es von unserer Spielerunde ein dickes Lob für das Material!

Die drei Spielrunden absolvierten wir gut in der vorgebenen Zeit. Zum Dessert gab es dann die Auflösung. Gemäß der Spielregel führten wir eine Runde durch, in der jeder seinen Verdacht äußerte. Nach abschließenden Diskussionen musste sich endlich jeder entscheiden, und in einer gleichzeitigen Abstimmung wurde die schuldige Person schließlich entlarvt – jedoch nicht einstimmig! Anhand der verfügbaren Informationen war es aus unserer Sicht möglich, sie zu identifizieren. Allerdings erlebten wir beim Verlesen der Auflösung noch Überraschungen, denn nicht alles hatten wir herausgefunden oder erklärt – in einem Fall haben wir kritisch hinterfragt, wie wir eine bestimmte Information überhaupt hätten herausfinden können. Bis auf diese für uns nicht befriedigend beantwortete Frage waren die Informationen jedoch gut aufgebaut.

Dieser erste Fall von Culinario Mortale hat für unsere Runde gut funktioniert und uns einen unterhaltsamen Abend beschert. Die Schwierigkeit des Falles schätze ich als eher leicht bis maximal mittel ein. Die Gestaltung in chronologischen Runden funktioniert gut und bietet einen einfachen Einstieg. Die Interaktionen der Personen untereinander waren einigermaßen konventionell – will sagen: Es gab keine ungewöhnlichen Überraschungen oder Verwicklungen. Freilich hatte jeder etwas zu verbergen. Vollkommen unerwartete Wendungen blieben jedoch im Großen und Ganzen aus. Hier ist für mich nach wie vor die Reihe von „Krimi Total“ führend – durch Nebenhandlungen werden dort noch mehr unterschiedliche Interessen verfolgt, sowie die Spieler stärker mit Verwicklungen überrascht. Doch insbesondere für den Einstieg in das Genre der Krimidinners ist ein eher geradliniger Fall womöglich besser geeignet. Um die Einstiegshürde niedrig zu halten gibt es auch andere Ansätze, etwa bei „Mörderische Dinnerparty“, in der sogar vorgelesene Dialoge enthalten sind, durch die sichergestellt wird, dass die wichtigen Informationen einfließen, noch dazu unterstützt von rundenweisen Zusammenfassungen, die von einer CD abgespielt werden – das mag in anderen Runden funktionieren, doch mit unseren das freie Spiel bevorzugenden Mitspielern passte das starrere Konzept der Mörderischen Dinnerparty nicht so gut.

Bei Culinario Mortale sind je nach Fall 5 oder 6 bis maximal 8 Rollen vorgesehen. Das bedeutet, dass optionale Rollen mitspielen, deren Unschuld von vornherein feststeht. Selbst wenn nur der Gastgeber diese Rollen kennt, so wird zumindest ihm eine Information vorweggenommen. Das finde ich schade. Wie man dies lösen kann, haben wir bei Familie Seebrück gesehen. Hier gibt es einen passwortgeschützten Bereich, der die Personenzusammenstellung für eine gewünschte Personenzahl freigibt. Wer in Vollbesetzung spielt, müsste gar nicht nachschauen. In jedem Fall würde niemand erfahren, welche Rollen optional sind. Da Culinario Mortale einen „Support-Code“ für verloren gegangenes Spielmaterial beiliegt (eine gute Idee, die wir jedoch keinem Test unterziehen mussten), dürfte doch eine ähnliche Lösung für die Herausgeber kein technisches Problem darstellen.

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