Spielestapeln am Bodensee

Wir waren am Bodensee, um die berühmten Bodenseedelfine zu kosten. Aufgrund eines Missverständnisses war dieser Plan nicht erfolgreich umsetzbar. Denn zu dieser Jahreszeit hat der Bodenseedelfin Schonzeit. Überhaupt ist er sehr scheu, wegen seiner vermutlich graugrünen Tarnfarbe ist er schwer zu entdecken. Uns gelang kein wirklich guter Schnappschuss dieser raren Spezies. Dafür blieb uns aber mehr Zeit zum Belichten der auch etwas raren Highlights der diesjährigen Neuheiten.

Der Blick auf den linken Stapel der positiv aufgenommenen Spiele wirkt, als gäbe es wieder vorrangig gute und sehr gute Spiele. Wir waren dieses Jahr aber nicht sehr kritisch. Manch ein Spiel wäre in den Vorjahren nicht links, sondern in der Mitte gelandet, und einige der Spiele des mittleren Stapels hätten auch locker rechts in den Schlund des höflichen Vergessens geraten können. Die Ausgangssituation war dieses Jahr auch etwas anders. Erstmalig fand unser Herbstspielen erst zwei Wochen nach den Spieletagen statt, und so nutzten wir die Möglichkeit, nur die uns wirklich interessant erscheinenden Spiele in den Urlaub mitzunehmen. Deshalb gab es aber auch weniger positive Überraschungen beim Spiel. Wir konnten keinen neuen unverhofften Geheimtipp identifizieren. Nachteilig war auch das gute Wetter, das uns einige Male mehr und länger als üblich vor die Tür trieb. Deshalb schafften wir dieses Jahr nur 33 neue Spiele an sieben Tagen zu spielen.

Bild von Links 2015

Doch nun zu den Details des linken Stapels. Diesmal beginne ich oben:

PAIRS von Truant gab es schon mal. Ein Tipp auf der Messe trieb mich zu Anschaffung dieses überaus einfachen wie lustigen Spiels im Niveau von Absacker.

SPLASH! von der Game Factory habe ich im Rahmen von Mannheim spielt Stadt Land Spielt schon empfohlen. Es ist immer noch gut.

ROYAL GOODS vom österreichischen Spielemuseum ist leider schon ausverkauft, als „Du meine Güter!“ steht es aber bereits bei Lookout Games in der Veröffentlichungs-Pipeline. Es ist ein einfaches Wirtschaftsspiel mit originellen Produktionsketten. Hätten wir es nicht schon am Messedonnerstag gespielt und daraufhin am Stand der Fairplay als Sondertipp beworben, wäre ROYAL GOODS die Überraschung des Urlaubs gewesen.

Sie mögen Qwixx? Dann mögen Sie auch QWINTO, mehr braucht es zur Kurzwürdigung nicht.

Sie mögen Beauty Bar? Dann mögen Sie auch NEW BEASTS IN TOWN, mehr braucht es zur Kurzwürdigung nicht. Die NEW BEASTS IN TOWN lassen sich allein und in Kombination mit dem Vorgänger spielen.

Das Spiel ohne erkennbaren Titel heißt JORAKU und kombiniert Mehrheitenwertungen mit einem Stichspiel, ohne das Thema, den Kampf um Kyoto, zu vernachlässigen. Hoffentlich erscheint JORAKU bald bei einem größeren Verlag.

In der BLUTIGEn HERBERGE geht es ums fröhliche Morden und Verscharren von Gästen in einem französischen Gasthof. Nur nach einer langen Diskussion konnte sich das Spiel auf den linken Stapel positionieren. Ob es wirklich dauerhaft gefällt, muss sich noch zeigen.

IKI ist ein Spiel mit einer sehr schlechten Regel. Das ist typisch für Kickstarterprojekte, wir fallen aber immer mal wieder darauf rein. Das Spiel selbst ist spannend und gut durchdacht. Es geht um Städtebau und Geschäfte in Japan.

Der HASPELKNECHT rundet die Ruhrtrilogie ab. Ich bin mir nicht sicher, ob das Spiel wirklich Neues bietet. Es ist aber gut konzipiert, macht Spaß und ist erfreulicherweise auch etwas einfacher zugänglich als die beiden Vorgänger.

Auch AGENT UNDERCOVER könnte ein Geheimtipp sein. Aber es ist „nur“ die Neuauflage von Spyfall, das wir schon beim Spielen im Sauerland kennenlernten. Seit langen Jahren ist es mal wieder ein Titel von Piatnik, der in jedes Spieleregal gehört.

Bei NIPPON von What’s your game war ich erst sehr skeptisch. Das Spiel ist nicht schön und trotz der japanischen Inseln auch etwas trocken. Es ist auch komplex, aber es ist nicht kompliziert. So waren alle 180 Minuten des Spiels spannend und abwechslungsreich. Darin ähnelt es MOMBASA, das mir aber noch einen Tick besser gefällt.

T.I.M.E STORIES war der kooperative Hit des Urlaubs. Leider lässt es sich nur einmal spielen. Zum Glück ist die erste Erweiterung schon erschienen. Wir brauchten etwa 120 Minuten und zwei Anläufe um die Aufgabe zu lösen. Wer kann das unterbieten?

Auch über Roll for the Galaxy haben wir schon geschrieben. In Essen gab es jetzt die erste Erweiterung mit neuen, unverzichtbaren Würfelfarben.

MYSTERIUM war der zweite kooperative Hit. „Eine Mischung aus Cluedo und Dixit“ charakterisiert das Spiel zwar sehr treffend, aber auch wenn Sie verständlicherweise Cluedo meiden oder [cref dixit] unverständlicherweise nicht mögen, sollten Sie MYSTERIUM testen, denn es ist ähnlich gut wie Dixit, aber anders und für Spieler vielleicht einfach zugänglicher.

Bei MY VILLAGE waren wir uns wieder nicht sicher, ob es den Platz auf der linken Seite verdient hat. Der Mechanismus ist klasse, das Spiel dauert aber vielleicht etwas lang und bietet dabei zu wenig Interaktion. Aber der Spaß überwog, und es war doch deutlich stärker als so manche Mittelklasse.

MOMBASA ist – Überraschung – ähnlich wie NIPPON ein gutes komplexes Spiel mit zwar vielen aber intuitiv erfassbaren Regeln. Und nein, es fördert oder schönt nicht den Rassismus und Kolonialismus in Afrika.

Abschließend noch ein paar Worte zum mittleren Stapel: SIGNORIE ist zwar gut, dauert aber eine Runde zu lang. Das ließ das Spiel kippen. DISCOVERIES hängte sich bei uns in den ersten Zügen auf, und so mutierte ein flottes Wettrennen zum trägen Dauerhecheln. POTION EXPLOSION lockt mit tollem Material, bietet aber noch weniger Interaktion als MY VILLAGE und ist dabei ähnlich grübelintensiv. TUMULT ROYAL haben wir neulich schon kurz vorgestellt. Unsere Mitspieler konnten sich aber nicht begeistern.

SPIRITS OF THE RICE PADDY ist ein noch typischerer Kickstarter als IKI. Wären das Material nicht wirklich knuffig und das Thema gut umgesetzt, wäre das Spiel sofort auf dem rechten Stapel verbannt worden. Denn es ist weder ausgewogen noch redaktionell bearbeitet, und die Regel ist auch noch unvollständig. Wir werden dem Spiel noch eine zweite Chance geben, aber wahrscheinlich einfach als teure Lehre abschreiben.

SHAKESPEARE hat wenig mit Theater, aber viel mit Frust im Spiel zu tun. Jeder Siegpunkt ist hart erkämpft und leicht verloren. Ich empfehle stattdessen den Besuch eines Schauspiels. INHABIT THE EARTH haben wir wahrscheinlich unterbewertet. Das Spiel ist schwer zugänglich und zeigt seinen Reiz wahrscheinlich erst nach zwei oder drei Partien. ALTE DUNKLE DINGE waren auch mal ein Kickstarter, das sagt alles. Gleiches gilt für CHENG HUANG, dem zweiten Spiel ohne lateinischen Titel. WUNSCHMASCHINE ist schließlich ein Kinderspiel, das uns aber durchaus gefiel.

Weiter geht es 2016. Wo wir dann hochstapeln wissen wir noch nicht.

Bild von Bodenseedelfinsucher

2 Kommentare

  1. Danke für die Ersteindrücke! 🙂

    TIME Stories reizt mich im Prinzip auch sehr, aber ist das nach dem erfolgreichen Abschluss einer Geschichte wirklich nicht mehr (mit halbwegs vergleichbarem Genuss) spielbar? Wenn man nach einem erfolgreichen Anlauf bereits Erweiterungen benötigt, läuft das auf eine ziemliche Materialschlacht und einen teuren Spaß hinaus, von dem ich eher absehen werde…

    Dass explizit NIPPON als hässlich erwähnt wird, überrascht mich jetzt – mir gefallen die relativ charakteristischen Illustrationen von Mariano Iannelli (allgemein What’s your game) eigentlich sehr gut. Nippon mag nicht das schönste Spiel von ihm sein, aber auf euren Stapeln hätte ich einige Spiele gefunden, die mich optisch weniger ansprechen. 🙂

    • Der Wiederspielreiz von T.I.M.E Stories ist vergleichbar mit dem Spaß the 6th Sense ein zweites mal zu schauen. Das Spiel ist auf Erweiterungen ausgelegt. Dafür sind Story und Überraschungmomente halt viel besser als bei anderen vergleichbaren kooperativen Spielen. Darin ähnelt es mehr einem Krimirollenspiel oder AD&D Abenteuer – von denen auch niemand erwartet es zweimal spielen zu wollen – als gewöhnlichen Brettspielen.
      Vielleicht hätte der Verlag auch einen günstigeren Einstieg in Time Stories wählen können. Größere Teile des Materials werden im ersten Abenteuer noch gar nicht benötigt. Wir fanden den Spielgenuss aber groß genug für den Preis.

      Nippon: Ich finde die clipartartigen Gestaltung der Fabriken und den Spielplan als solches eben etwas lieblos und langweilig und habe mich vielleicht an den blassen Pastelltönen der What’s Your Game Spiele etwas satt gesehen. Zhang Guo & Vasco da Gama fand ich besser gelungen (die anderen What’s Your Game Spiele haben keinen Dauerplatz in unserer Sammlung bekommen). Aber das ist natürlich Geschmacksache.

      viele Grüße,
      Peter.

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