Splendor

Nein, Spiele kann man nicht rein nach dem Lesen der Regeln beurteilen. Splendor ist hierfür nicht das erste, aber ein neuerliches Beispiel. Die kurzen Spielregeln lassen ein trockenes Sammel- und Kaufspiel erwarten. Letztlich wird tatsächlich gesammelt und gekauft – aber trocken ist anders.

Entweder Edelsteinchips sammeln oder eine Karte kaufen – vor dieser Wahl steht jeder Spieler in seinem Zug. Die Chips in den Edelsteinfarben dienen zur Bezahlung der Karten. Jede Karte wiederum gewährt einen dauerhaften Rabatt auf eine Edelsteinfarbe. Wer also etwa eine rote Karte gekauft hat, bezahlt bei allen zukünftigen Karten einen roten Edelsteinchip weniger. Gestaffelt sind die Karten in drei Preisstufen. Während die billigen freilich schneller Rabatte gewähren, sind die teuren mehr Siegpunkte wert. Sobald ein Spieler 15 oder mehr Siegpunkte gesammelt hat, endet das Spiel am Ende der Runde. Es sind also alle Spieler gleich oft am Zug.

Außer über die Karten gelangen weitere Siegpunkte über die Adligen ins Spiel. Wer die geforderte Kombination an Karten gesammelt hat – beispielsweise vier grüne und vier blaue – erhält den entsprechenden Adligen. Es sind so viele Adlige im Spiel wie Spieler teilnehmen, sowie sozusagen ein Bonusgast. Da es mit billigen Karten schneller und einfacher ist, die erforderlichen Kombinationen zu sammeln, ergeben sich in etwa zwei mögliche Strategien: Schnell auf viele Karten und somit Adlige setzen – oder für die stärkeren Siegpunktkarten sammeln.

Chips nehmen oder Karten kaufen, das ist wirklich ein einfacher Spielablauf. Beim Chipnachschub stehen drei Geschmacksrichtungen dieser Aktion zur Verfügung. Die Wahl besteht zwischen drei verschiedenen Chips, oder zwei gleichen (falls noch mindestens vier Chips dieser Farbe im Vorrat liegen) oder einem Joker-Chip. Im letzteren Fall reserviert man sich zugleich eine Karte. Diese kann nur noch selbst gekauft werden – das kann auch einem Mitspieler ein Schnippchen schlagen, der womöglich schon die benötigten Edelsteine beisammen hat. Denn oft genug ist eine bestimmte Edelsteinfarbe in der Kartenauslage knapp. Sobald diese erscheint, geht dann der Wettbewerb los, wer sie sich zuerst sichern kann.

Splendor macht im ersten Moment einen sehr mechanischen Eindruck. In der ersten Partie benötigen die Spieler oft ein wenig Orientierung, was zu Lasten der Wartezeit geht. Auch später gilt es den Überblick zu wahren, doch zu Beginn ist es einfach zäher. Die ersten Karten erfordern immer mindestens zwei Runden des Chipsammelns. Gegen Mitte der Partie nimmt das Spiel an Fahrt auf. Allmählich gelingt es den Spielern, die billigen Karten ohne Zuzahlung von Chips zu nehmen – wenn die Rabatte alle Kosten einer Karte bereits abdecken. Jetzt gilt es rechtzeitig den Absprung zu finden und auf Siegpunkte umzuschwenken.

Bild von Splendor

Ob sich eine Spezialisierung auf Adlige besser eignet oder der Fokus auf besonders lukrative teure Karten – das kann sich von Partie zu Partie unterscheiden. Hierfür gilt es die Auslage zu studieren: Gibt es bei den Adligen eine Edelsteinfarbe, die besonders oft vorkommt? Wer diese Farbe möglichst oft aus der Auslage kauft, kann sich eine Art Monopol aufbauen und somit den Zugriff auf die Adligen optimieren. In anderen Partien unterscheiden sich die Anforderungen für die Adligen stark – dann lohnt es nur auf einen oder bestenfalls zwei Adlige zu spielen. Ähnliches gilt für die teuren Karten: Zeigen ihre Kosten vor allem verschiedene Farben oder herrscht eine vor?

Der gierige Zugriff auf billige oder kostenlose Karten der billigen Kategorie will durchaus überlegt sein. Denn jede gekaufte Karte bedeutet, dass der nachfolgende Spieler eine zufällig vom Stapel gezogene Karte in die Auslage erhält – womöglich genau von der Farbe, die er sich wünscht und die er direkt bezahlen kann! In erfahrenen Runden habe ich schon erlebt, dass sich die Spieler um den Kauf drücken, nur um den anderen Spielern den Zugriff auf interessantere Farben zu verweigern! Während in manchen Partien der Griff zu den Jokern wegen des mit ihnen einhergehenden Tempoverlustes verschmäht wurde – immerhin erhält man nur einen Chip, während bei gemischtem Zugriff gleich drei winken – kann dann die Reservierung einer teuren Karte zusammen mit dem Joker plötzlich interessant werden.

Der Vorrat an Chips ist begrenzt. Es kann daher durchaus passieren, dass bestimmte Farben knapp werden. Sind diese auch durch Karten kaum im Angebot, können sich ebenfalls Mangelsituationen ergeben. Alle bis hierher bereits beschriebenen Effekte sorgen dafür, dass dieses im ersten Moment unscheinbar und mechanisch erscheinende Spiel eine starke Dynamik erhält. Dass sich kein wirklich thematisches Flair ergibt – als Händler der Renaissance habe ich mich nie gefühlt – wird durch das tolle Material mit den klackernden Chips überdeckt.

Splendor gehört zu den Spielen, die bei Peter und mir unterschiedlich ankamen. Während Peter bei seiner ersten Partie im Apfelbäumchen eher enttäuscht war, konnte ich in meiner später stattfindenden ersten Partie den Sog erleben, der durch das Kartensammeln und die Suche nach dem richtigen Zeitpunkt zum Umschwenken auf die Siegpunkte entsteht. Wir spielten daraufhin eine größere Serie an Zwei-Personen-Partien. Für diese Besetzung eignet sich Splendor übrigens sehr gut und ermöglicht gleich mehrere Revanchen. Zumal insgesamt zehn Adlige im Spiel sind und zu zweit drei von ihnen mitspielen, kann man etwa drei Partien mit jeweils einem anderen Trio bestreiten. Zu viert ist das Spielgefühl insofern anders, als dass sich die Kartenauslage und die Chipauswahl bis zum nächsten eigenen Zug stärker verändert. Ferner passierte es zu viert auch, dass der Stapel der billigen Karten aufgebraucht wurde.

Je mehr Partien ich „auf dem Buckel“ habe, desto mehr achte ich auf die Kartenauslage. Zu Beginn überlege ich, welche Farbe besonders interessant zu sammeln ist. Dies gilt zunächst in Bezug auf die erste Chipauswahl, die ich nehme. Doch auch die zu kaufenden Kartenfarben wollen gut überlegt sein. Bei den ersten Karten, die ich kaufe, achte ich auch auf die Kosten. Sind Karten für drei Chips im Angebot? Das ist doch besser als eine für fünf Chips, zumal ich damit schneller die Rabatte nutzen kann. Doch natürlich gilt: It’s more what you’d call „guidelines“ than actual rules. Zumal das Glück beim Kartennachziehen in jedem Falle mitspielt.

Mit Splendor haben wir in recht kurzer Zeit viele Partien in allen Besetzungen erlebt. Der Wiederspielreiz ist hoch, die Spannung während der Partie gewinnt an Fahrt. Das Ende kommt oft ziemlich abrupt – gerade, wenn man das Gefühl hat, dass man so richtig loskaufen kann. Genau dieser Effekt erhöht natürlich den „Nochmal!“-Faktor. Doch es gibt auch kleinere Schattenseiten. Das eher aufgepfropfte Thema habe ich schon genannt. Das Material ist zwar wirklich toll, aber nicht durchgehend praktisch. Vor allem die Rabatte für die weißen Edelsteine sind wegen unterschiedlicher Grautöne nicht

einfach zu erkennen. Den Symbolen für die Kosten der Karten und die Bedingungen für Adlige mangelt es an Intuition – sie sind zu ähnlich. Wenn man dann noch die Größe der Schachtel und damit auch den Preis in Beziehung zur Spieldauer setzt, kann man sich schon fragen, ob es nicht etwas einfacher hätte sein können – understatement wird hier definitiv nicht betrieben. Ist Splendor damit ein Blendor, pardon: Blender? Zum Glück kratzt es die Kurve: Gerettet wird Splendor vor allem durch seinen Mechanismus und die dadurch entstehende Dynamik.

Update 25.2.2016: Wir vergeben per Splendor – Postscriptum nachträglich den zweiten Pokerchip.

Bild von 2 von 3 Pokerchips
Prädikat
:
2 von 3 Pokerchips

Ein Kommentar

  1. Dass es den Symbolen für die Kosten der Karten und die Bedingungen für Adlige an Intuition mangele, dachte ich auch zunächst. Bis mich jemand darauf stieß und dann verstand ich die eigentlich intuitive Logik: Die Kosten für die Karten sind rund angegeben, so wie die Chips, die ich dafür abgeben muss (plus evtl. Boni, die auf den Karten aber ebenfalls durch gerundete Edelsteine dargestellt sind), die Bedingungen für die Adligen eckig, so wie die Karten, die ich dafür besitzen muss. Eigentlich einfach, leicht verständlich und auch intuitiv. Muss man aber erst mal drauf kommen.
    Ansonsten hundertprozentig d’accord – schönes Spiel!!

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