Zum ersten Mal, seit wir vor 25 Jahren nach Süddeutschland kamen, haben wir es geschafft Darmstadt spielt zu besuchen. Irgendein anderes Ereignis stand sonst immer im Wege. Manchmal haben wir den Termin auch einfach vergessen. Jetzt war es aber so weit. Wir wollten eh noch ein paar Neuheiten ausprobieren, und so machten wir uns auf den Weg nach Darmstadt ins Darmstadtium, einem modernen Kongresszentrum im Umfeld der Universität.
Dort erwartete uns erstmal eine Schlange am Eingang. Zu einem guten Spielereignis gehört heutzutage Schlangenstehen zum guten Ton. Die Organisatoren waren selbst vom riesigen Erfolg des diesjährigen Treffens (nicht der Schlangen) etwas überrumpelt, bemühten sich aber möglichst schnell alle Spielerinnen ins Gebäude zu bekommen. Während der Eintritt für Erwachsene mit 13 € nicht wirklich günstig war, durften Minderjährige netterweise aber umsonst hinein.
In Anbetracht der Besuchermassen ignorierten wir die nächste Einladung einer Schlange beim Spieleflohmarkt und gingen direkt in die große Spielhalle, um dort keinen freien Platz mehr zu finden. Im ganzen Gebäude gab es zwar noch weitere Räume mit Tischen, einige sogar reservierbar. Es waren aber schon alle restlos vergeben und bespielt. Was tun? Nach Hause fahren? Dumm aus der Wäsche gucken? Exit-Räume besuchen? Überteuerte Snacks verspeisen? Wir beschlossen einfach etwas umherzuirren und fanden bald zwei Stühle sowie eine halbe Tischplatte, die auf Nachfrage nicht wirklich belegt waren. Dem Spielenachmittag stand damit nichts mehr im Wege.
Wir starteten mit CLANS AND GLORY (HUCH!), einer kleinen Fingerübung von Gabriele Bubola und Leo Colovini, die sehr entfernt an Schottentotten erinnert, vermutlich vor allem wegen Thema und Grafik. Wir legen Zahlplättchen an Gebiete an und platzieren Punktemarker. Der Clou ist die Auswertung. Der erste Punktemarker kriegt alle 3er-Plättchen, der zweite die nächsthöheren etc. Dies eröffnet Möglichkeiten zum Ärgern und Taktieren. Das spielt sich nett, fordert aber nicht genügend für eine längere Beschäftigung. Ein typisches „würde ich wieder mitspielen – braucht aber keinen Platz im Regal wegzunehmen“-Spiel.
Weiter ging es mit FLOWERS (Lookout-Spiele) von Trevor Benjamin und Brett J. Gilbert. Dieses Spiel tat zwar nicht weh, viel mehr, bleibt aber nicht in Erinnerung. Es ist ein Mehrheitenspiel über halbe Blumen und Mandalas. Sechs verschiedene Farben müssen an einem Mandala liegen, um dieses zu werten. Zwei sind schon durch Blumenhälften vorgegeben, vier weitere dürfen wir dazulegen, um an einer Wertung überhaupt teilnehmen zu dürfen. Dann geht es aber nur um die Anzahl der Karten. Diese dürfen auch verdeckt angelegt sein, da jede Farbe auch nur einmal an einem Mandala erscheinen darf. Wer schließlich die Mehrheit hat, darf sich zuerst eine Blumenhälfte aussuchen und diese mit einer weiteren gleichen Farbe kombinieren. Punkte gibt es für Blüten auf den Blumen, wobei die kleinere Hälfte verdoppelt wird. Wirr? – Ja! Thema verfehlt? Ebenfalls ja, so überhaupt ein Thema erkennbar ist.
Da wir schon bei leichten Spielen waren, lag es nahe, jetzt auch mal LUMINOS (Schmidt Spiele) von Kirsten Hiese auszuprobieren. Das Spiel lacht einen direkt an und ruft quasi „spiel mich“ in die Runde. So gesellten sich auch sogleich zwei weitere Spielerinnen an unseren halben Tisch, um mitzuspielen. Irgendwie fanden wir genügend Platz und los ging es. Die Regeln von LUMINOS sind erstmal einfach und elegant: Wer am Zug ist, legt ein Plättchen in seine persönliche Auslage. Wann immer dabei ein neues Quadrat aus 2 × 2 Plättchen entsteht, wird es gewertet. Dazu zählen wir die sichtbaren Sonnen, Monde und Sterne. Nur die am wenigsten vertretenen Symbolarten zählen. Drei Monde, zwei Sonnen und zwei Sterne ergeben also zwei Sonnen- und zwei Sternpunkte. Wer im Spiel zu viert einen Himmelskörper so siebenmal werten konnte, beendet das Spiel. Dann zählen aber nur Punktdrillinge aus Sonne, Mond und Sternen. LUMINOS gefällt mit seiner Kürze und Einfachheit, aber auch mit der ansprechenden Gestaltung. Und hinter den kurzen Regeln verbergen sich mehr taktische Möglichkeiten, als der einfache Zugang zunächst vermuten lässt. Eindeutig gehen alle Daumen hoch. LUMINOS lohnt es sich, im Blick zu halten.
So langsam gab es mehr Platz an den Tischen. Fürs nächste Spiel konnten wir uns sogar auf dem ganzen Tisch ausbreiten. Auch bei YRO (HeidelBÄR Games) von Masato Uesugi bekamen wir eine Mitspielanfrage und waren somit zu dritt. YRO ist ein sehr kurzes Spiel in der Tradition von The City (aka Jump Drive). Wir legen gleichzeitig Karten mit wechselseitigen Effekten aus, deren Hauptzweck es ist, jede Runde Punkte zu erzeugen. Nach 40 Punkten oder 9 Karten ist das Spiel schon um. Wir spielten zwei Partien in etwa 20 Minuten. YRO macht Spaß, es ist aber ein klein wenig zu kurz. Im Kern ist es ein Enginebuilder. Nur was soll eine Engine bei einem Spiel, das nach drei bis fünf Runden vorbei ist, schon groß ausrichten? Nun, sie eskaliert nichtlinear. Wer immer einen noch so kleinen Startvorteil in der ersten Runde erringt, kann diesen in wenigen Runden in einen Sieg umwandeln. YRO wollen wir mögen und weiterspielen. Es kann aber gut sein, dass es sich mehr als Skurrilität als Spiel mit Wiederholungsreiz entpuppt.
Nach einer kleinen Essenspause endete der Tag mit einem größeren Spiel: BLACK FOREST (Feuerland Spiele) von Tido Lorenz und Uwe Rosenberg. Viele vergleichen das Spiel mit Rosenbergs Glasstraße vom gleichen Autor. Denn das Ressourcenrad, die Optik und die Gebäude wurden übernommen. Bei Glasstraße war der Kernmechanismus, die Kartenhand der Mitspieler vorherzusehen, um so mehr Aktionen zu generieren. Darin ähnelte es Wir sind Schwanger (auch von Rosenberg) und Wie Verhext. Bei BLACK FOREST laufen wir hingegen einfach über einen Spielplan und lösen Aktionen aus. Schön ist, dass sich das Spiel dadurch etwas länger entwickeln kann. Dafür fehlt ihm jetzt aber jegliches „gewisses Etwas“ welches es von anderen Strategiespielen mittlerer Komplexität hervorheben könnte. Wir wollen uns vorerst nicht weiter mit BLACK FOREST beschäftigen. Damit brauchen wir uns glücklicherweise auch nicht über die doch sehr verbogenen Spielertableaus zu ärgern.
Unser persönlicher Endstand von Darmstadt spielt, ist mit „dreimal abgehakt zu zweimal Interesse geweckt“ ein großer Erfolg. Wir kommen bestimmt mal wieder, dann aber erst gegen Abend, wenn es genügend Platz zum Spielen gibt.
Nächste Woche geht es weiter mit Spielen in Altleiningen, wo es hoffentlich auch noch einiges Neues zu entdecken gibt.
Wärt Ihr mal hoch ins 2. OG zu den Erklärbären und Autorentischen gekommen, ich hätte Euch bestimmt noch eine Runde BEAST anbieten können … 😉
Viele Grüße,
Alex