Die Legenden von Andor – Die Reise in den Norden

Wer sich in den Norden begeben möchte, braucht eine „Gebrauchsanweisung“. So viele neue Monster mit bisher unbekannten Namen, so viele neue Gegenstände, so viel weiteres neues Material! Die Regel rät dazu, das benötigte Material aus dem Grundspiel vorab zusammen zu suchen, und dieser Tipp war wirklich hilfreich. Die übrige Fülle an Karten, Plättchen und Figuren mit Aufstellern kann man vorab kaum so zusammen packen, dass alles „richtig“ verstaut ist. Doch echte Andorianer nehmen das ganz locker und nutzen die Aufbauphase, um sich aufs Spiel einzustimmen oder die letzten Neuigkeiten auszutauschen. Eines jedenfalls ist sicher: Allein das Material macht verdammt neugierig darauf, was den Helden im Norden wohl so begegnen wird! Und: Keine Sorge, die Gebrauchsanweisung wird vor allem dann benötigt, wenn man beim Aufbau herausfinden möchte, welches Monster mit „Nerax“ oder „Seetroll“ oder welches Material mit „Hadrisches Stundenglas“ oder „Gabe des Nordens“ gemeint war…

Ein bisschen erstes Einlesen in der Spielregel kann nicht schaden, aber grundsätzlich werden erfahrene Andorianer bei ihren ersten Schritten im Norden durch die Legenden an die Hand genommen und in die neuen Spielelemente eingeführt. In jeder Legende ging es uns beim Aufbau so: Ui, was haben wohl diese Gegenstände zu bedeuten? Wo werden uns jene Monster begegnen? Welche Herausforderungen werden wohl da auf uns zukommen? Und genau das ist für mich ein ganz zentraler Höhepunkt bei den neuen Legenden im Norden: Sie ziehen mich so tief in die Geschichte hinein, dass ich mich voll darauf einlasse. Ich weiß anfangs nicht, was passieren wird, erlebe es während der Partie, werde sogar zwischendurch überrascht, werfe zusammen mit den Mithelden vorher gefasste Pläne über den Haufen, muss Schicksalsschläge hinnehmen (wenn etwa der Sturm das Schiff quer über den Plan fegt), und verliere doch trotz Materialfülle, trotz recht komplexer Story, trotz anspruchsvoller Abwägung zwischen Erledigung der Aufgaben und Bekämpfen der Monster nicht den roten Faden.

Was ist nun im Norden anders? Alle Details aufzuzählen ergibt aus zwei Gründen keinen Sinn. Erstens, wer will schon eine genaue Liste von Material und Regeln in einer Rezi lesen. Außerdem werde ich hier nicht nach Zeichen oder Zeilen bezahlt, sondern finanziere den Webspace selbst. Zweitens, wer will schon vorab alles erzählt kriegen, wenn es doch viel spannender ist, sich selbst auf die Reise zu begeben und sich den Herausforderungen zu stellen. Da fühle ich mich gerade eher so wie beim Schreiben über ein Krimi-Rollenspiel – wenn ich da gleich den Täter verraten würde, würde ich den Spielern den Spaß ja auch verderben.

Also schildere ich stattdessen nur ein paar der neuen Aspekte. Das erste fällt einem beim Auspacken gleich auf: Das Schiff! Als hübsche Holzfigur bewegt es sich über den Plan, ein eigener Spielplan bietet für die Wege auf See Platz für die Heldenfiguren sowie für Ausbauten, die unterwegs eingekauft werden können. Der Clou beim Segeln: Ein einzelner Held kann für eine Stunde das Schiff entlang einer der acht möglichen Richtungen (vier Himmelsrichtungen, sowie die vier dazwischen liegenden Richtungen wie z.B. Südost) bewegen – und alle an Bord befindlichen Helden werden automatisch mittransportiert. Dass auf See allerlei Hindernisse, Monster, Begegnungen und vieles mehr passieren können, versteht sich von selbst. Die Legenden werden über die gemeinsame Rahmenhandlungen wunderbar miteinander verknüpft, bauen aufeinander auf und führen somit perfekt zum großen Schlussakt auf der Rückseite des Planes.

Als weiteres neues Element, das ich ohne großen „Spoiler“ erwähnen kann, kommt der Barde Grenolin ins Spiel. Er singt vom Ruhm der Helden – doch wenn die Helden es zulassen, dass die Landstriche von Monstern heimgesucht werden, sinkt ihr Ruhm beim Sonnenuntergang (Ende der Runde). Es gilt also immer ein Blick auf den Ruhm zu behalten und ihn durch tapfere Kämpfe weiter anzufeuern. Dass der Erzähler auf der Legendenleiste im Norden erst bei jeder zweiten besiegten Kreatur voranschreitet, führt zu einem etwas kampflastigeren Spiel. Gleichzeitig funktioniert der Kampf vom Schiff aus ein klein bisschen anders als an Land.

Nach Auffinden des Sternenschilds in [cref die-legenden-von-andor-der-sternenschild] spielt die Bonuslegende „Der Kampf um Cavern„. In dieser Legende begründet sich das Fernbleiben des Zwerges von der Reise in den Norden thematisch. Spielmechanisch mag seine Sonderfähigkeit nicht gepasst haben – da die Spielpläne im Norden ihre Felder einfach fortlaufend zum Ursprungsplan nummeriert haben, fehlt nun das vom Zwerg gerne aufgesuchte Minenfeld. Stattdessen gelangt der Seekrieger ins Spiel, der besondere Fähigkeiten beim Steuern des Schiffes hat. Aus einer gewissen Tradition heraus spielen wir in unserer festen Runde in immer derselben Konstellation, und so war ich etwa magisch begabt unterwegs, immer meine Fähigkeit des Würfelumdrehens anpreisend.

Alle Legenden im Norden bieten abwechslungsreiche Ereignisse, neue Elemente, variationsreiche Aufträge und spannende Geschichten. Der Höhepunkt allerdings ist die Abschlusslegende auf der Spielplanrückseite. Hier findet ein fulminantes Finale statt, das zudem unterschiedliche Erzählstränge anbietet – sei es durch zufällige Auswahl oder je nach Entscheidung durch die Helden. Dabei ist es ein ganz besonderes Erlebnis, eine Legende das erste Mal zu erleben und dabei wirklich authentisch mit den Unwägbarkeiten, Wendungen und Aufgaben konfrontiert zu werden. Wer eine Legende das zweite Mal spielt, kann sich ja doch irgendwie auf bestimmte Dinge einrichten, etwa sich schon in Position bringen, passende Gegenstände kaufen oder was auch immer. Dennoch lohnt sich selbst nach dem Bestehen die Rückkehr: Die Legenden im Norden – insbesondere die Final-Legende – bieten an verschiedenen Stellen wieder viel Variation und versprechen daher auch beim wiederholten Bereisen Abwechslung und neue Aufgaben und somit einen hohen Wiederspielreiz.

Meine Rezension basiert darauf, dass wir mit einer festen Spielerrunde von vier Spielern im Norden unterwegs waren. An der finalen, nahezu abendfüllenden Legende 10 sind wir im ersten Versuch ganz kurz vor dem Ziel gescheitert. Natürlich probieren wir es erneut, und genauso natürlich ist für Peter und mich klar: Auch zu zweit werden wir nochmal in den Norden aufbrechen!

Bild von Reise in den Norden

2 Kommentare

  1. Hallo Kathrin,

    wir spielen in genau deiner Aufführung. Immer zu viert und immer in den gleichen Rollen (ich war der Zwerg und bin nun den Seekrieger). Ich freue mich deshalb sehr, diesen Beitrag zu lesen und hoffe auf einen Tipp . Wir haben gestern zum ersten Mal die Bonuslegende „du Suche nach Grenolin“ gespielt und es war grauenvoll :O natürlich haben wir verloren und zum ersten Mal seit wir im Andor Fieber sind haben wir keine Ahnung was wir besser machen können. Wir kommen nicht an Ruhm, schaffen es nicht die Eisschollen umzudrehen ohne zu wenig Willenspunkte zu haben und haben zuletzt nicht genug starke gegen den Endboss. Hast du einen Spieltipp für uns?

    Ganz liebe Grüße
    Chrissy

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