In die Welt der Schattenspieler und Inselhüpfer entführt uns das Spiel Bali auf die gleichnamige Insel. Schon einige Jahre hat dieses Spiel auf dem Buckel, war aber nicht aus unserer Spielesammlung wegzudenken. Nun die Probe aufs Exempel: Stimmt der Spielspaß noch oder hingen wir nostalgischen Gefühlen nach, als wir Bali wieder und wieder beim Aussortieren im Regal ließen?
Beim Auspacken kamen einige Erinnerungen hoch. Zuerst die Spielregeln. Ungewöhnlich und nicht absolut intuitiv zu erklären. Bali erschien seinerzeit in der Reihe „Spiele für Viele“. Auch heute noch Kopfschütteln darüber. Auch wenn nie wirklich geklärt wurde, was „Viele“ bedeutet: Geht es um viele Spieler? Dann passt Bali mit seiner Spielerzahl von 2 bis 4 Spielern nicht. Geht es um Spiele für die breite Masse – die klassische Klientel von „Spiel des Jahres“? Auch dann passt Bali nicht – käme es heute auf den Markt, würde sich die Jury für den Pöppel in anthrazit zum „Kennerspiel des Jahres“ mit Uwe Rosenbergs Prä-Agricola-Werk auseinandersetzen. Beim Losspielen packte uns aber wieder die Faszination: Bali bietet ein völlig anderes Spielgefühl, und das trägt auch heute noch von Insel zu Insel.
Der Clou: An vier Inseln messen sich die Spieler mit Karten. An jeder Insel liegt für jeden Spieler ein eigener Kartenstapel bereit. Wer zum aktiven Spieler wird, zieht zwei Karten, alle anderen jeweils eine. Nun darf der aktive Spieler eine von fünf möglichen Personenkarten vorspielen und ausführen. Alle anderen dürfen nachziehen und entweder mitmachen (bei einer Funktion) oder übertreffen (bei Priester oder Krieger, die für die Macht auf der Insel und in diesem Spiel für Siegpunkte sorgen). Die sechste Kartenart schließlich erlaubt den Wechsel auf eine andere Insel. Dann heißt es: Aktuelle Karten an der alten Insel ablegen, zur neuen wechseln und die dortigen Karten aufnehmen. Besitzt der aktive Spieler an der neuen Insel den Priester- und/oder den Krieger-Marker, so werden Siegpunkte verteilt. Sind alle Siegpunktmarker aufgebraucht, endet die Partie.
Die Art, wie hier Karten ausgespielt werden, ist ungewöhnlich und doch nicht ganz ungewohnt zugleich. Dass ein Spieler eine „Rolle“ (in diesem Fall: Personenart als Karte) vorgibt und alle anderen folgen können, kennen wir mittlerweile zur Genüge. Doch bei Bali passiert noch viel mehr, und darin liegt für mich die Einzigartigkeit. Wir Spieler hantieren mit vier unterschiedlichen Kartenstapeln. Manche Personen erlauben durch ihre Funktion, dass ich mich an den Stapeln der anderen Inseln bediene. Auf diese Weise kann ich auf der aktuellen Insel eine starke Kartenhand aufbauen – mit dem Risiko, dann an der anderen Insel schwach dazustehen. Doch wer sagt denn, dass wir tatsächlich dort- und nicht woanders hinziehen?!
Oder ich kann auf einer anderen Insel gezielt Karten platzieren, die mir dort besser passen. Gelingt es mir dann, dass wir alle dorthin ziehen, habe ich im wahrsten Sinne des Wortes dort „gute Karten“. Etwas unbequem ist nur, dass ich mir die Reihenfolge und Zusammensetzung der Karten merken muss… Gemein: Wenn ich passiver Spieler bin, kann ich die Pläne des aktiven Spielers vereiteln, indem ich auf eine seiner gespielten Personenkarten mit dem Ausspielen von zwei Karten dieser Sorte antworte – und seinen Zug dadurch sofort beende.
Die Figur zum Anzeigen der aktuellen Insel heißt „Dalang“ – der Puppenspieler. Die Grafik der Personenkarten erinnert an Scherenschnitte und bringt fernöstliches Flair ins Spiel. Sehr atmosphärisch – auch heute noch gefällt uns die Art der Illustration sehr gut. Auch die Art, wie wir mit den Karten umgehen – Verteilen auf andere Inseln, Zusammenziehen von Kräften, Agieren im „Schatten“ durch das verdeckte Ablegen – passt zum Bild des Puppenspielers im Schatten: Wir betätigen uns im Ziehen der Fäden aus dem Hintergrund heraus.
Ja, das Durchstöbern des Spielregals und das Hervorholen alter Schätzchen wie schon kürzlich [cref euphrat-tigris] lohnt sich! Und da lauert noch so einiges, das eine Wiederentdeckung verdient…