Empire’s End lernte ich beim Spieleabend im Hort des Apfelbäumchen kennen. Angepriesen wurde es als: So etwas wie „Im Jahr des Drachen“ – und das passt irgendwie auch. Denn es geht darum, dass über die Reiche der Spieler ständig Katastrophen hereinbrechen. Im Unterschied zum Jahr des Drachen lassen diese sich aber per ablehnender Versteigerung vermeiden. Das Prinzip ist ähnlich wie bei „Geschenkt ist noch zu teuer“: Reihum legt jeder eine Ressource auf die abzulehnende Katastrophenkarte. Wenn einer nicht kann oder will, nimmt er die Katastrophe und bekommt aber auch alle auf ihr liegenden Materialien. Die Katastrophe bedingt immer, dass Gebäude im eigenen Reich zerstört werden, was schlecht für die Ressourcen und Siegpunkte ist. 


Die Partien verlaufen überaus interaktiv, da ja ständig alle mitbieten und entscheiden müssen. Jede einzelne Entscheidung ist nicht sonderlich schwer, aber es gibt einige Möglichkeiten, die Mitspieler zu verwirren oder in Zwickmühlen zu schubsen. Am Tag der Kennenlernpartie hatte sich eine Journalistin der lokalen Rhein-Neckar-Zeitung angemeldet, um über unseren Spieletreff zu berichten. Sie war keine erfahrene Spielerin, fand unseren buntgemischten und gutbesuchten Spieleabend aber wohl sehr sympathisch. Beim Spiel erklärten wir ihr knapp die Ideen und Mechanismen hinter Empire’s End. Als wir schließlich mit dem Siegpunktzählen fertig waren und uns zufrieden zurücklehnten, fragte sie ob uns das Spiel Spaß gemacht hätte. Auf unsere bejahenden Antworten bemerkte sie allerdings, dass dies während der Partie gar nicht so ausgesehen hätte, da wir uns doch wenig unterhalten und vor allem still ums Spielbrett herumgesessen hätten.

Wie kommt es zu so unterschiedlichen Wahrnehmungen zwischen der Sicht auf ein Spiel aus Perspektive der Spielenden im Vergleich zu außenstehenden Beobachtern? Leuten beim Spielen zuzusehen ist reichlich langweilig. Dies ist auch ein Grund, weshalb Gesellschaftsspiele in Massenmedien so wenig präsent sind. Bei Spielen selber mitzuspielen ist schon was ganz anderes. Mitspieler beim Grübeln zu beobachten kann wiederum ziemlich nerven. Manchmal nervt dies aber gar nicht, wenn ich nämlich hoffe, dass mein Gegner hoffentlich etwas Wesentliches übersieht und darauf meine nächsten Zügen beruhen. Es gibt beim Spielen also einen drastischen Unterschied zwischen dabei sein und mitmachen. Bei vielen anderen Beschäftigungen ist dies vielleicht nicht so ausgeprägt, was auch daran liegen kann, dass Brettspiele vornehmlich zum mitmachen konzipiert sind. Kinofilme sind eher zum konsumieren gedacht. 

Ich denke ein wichtiger Aspekt beim Empfinden von Spielspaß liegt im „Flow“, jenem konzentriertem Geisteszustand, der bei höchster Konzentration jegliches Zeitempfinden verdrängt. Flow kann es beim Grübeln wie beim Kommunizieren geben. Er kann gemeinsam wie allein erlebt werden. Der Clou großartiger Spielerlebnisse ist, dass alle Spielenden gleichermaßen den Flow empfinden, sie zum Beispiel nicht durch eine zu hohe Downtime aus ihrem Spielrhythmus fallen. Dies kann auch erklären, warum ein Spiel, in der einen Gruppe floppt, aber in einer anderen gut ankommt, da es beim Flow nicht nur aufs Spiel, sondern auch auf die Teilnehmenden ankommt. Dies zeichnet unser Hobby vielleicht auch gegenüber anderen Freizeitbeschäftigungen aus. Sowohl die Spieler als auch das Spiel ändern sich ständig, damit ist auch die Herausforderung in einen Flow zu finden. Wenn dies einmal nicht gelingt, ist dies nicht schlimm, denn mit dem nächsten Spiel oder einer anderen Gruppe gibt es eine weitere Chance. Umgekehrt erklärt dies auch, weshalb viele gar nicht spielen mögen, da sie vielleicht nie in einen Flow kamen und sie vielleicht auch nie Hilfen einfühlsamer Mitspieler bekamen.

Bei Empire’s End gab einen schönen Flow, deshalb konnten wir das Spiel als hochgradig anregend und interaktiv empfinden, kichern, frotzeln, jammern und lachen, ohne dass dies Zusehenden weiter auffiel. 

Die Journalistin veröffentlichte schließlich einige Tage später einen wirklich guten Artikel, der schon einige neue Mitspieler zu uns brachte. Der Titel lautet: „Erlebnis steht über dem Ergebnis“

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