Marrakesh: Weil oder trotzdem?

In Essen waren wir 2022 nur an zwei Tagen auf der Spielemesse und sind jeweils vom Hotel mit dem Bus gefahren. Wir konnten also nur so viel kaufen wie wir tragen konnten. Was eine gar nicht mal so unclevere physische Grenze darstellt…

Weshalb erzähle ich das? Nun, aus genau den genannten Umständen heraus war Marrakesh eben DER geplante Einkauf. Als Teil der von Queen begonnenen Stefan Feld City Collection stellt Marrakesh die bisher einzige Neuerscheinung dar. Die anderen Teile dieser Reihe sind Neuauflagen von Spielen, die wir bereits gespielt haben, als sie im Original erhältlich waren. Würfeltürme mögen wir, so dass Marrakesh auch dahingehend in unser Beuteschema fällt.

Am Ende unseres ersten Messetages war also klar: Vor der Rückfahrt ins Hotel noch am Stand von Queen Games vorbei, Marrakesh gekauft und dann los. So war die Zeit minimiert, in der wir den Trümmer mitschleppen mussten.

Die Vertriebspolitik muss ich wohl nicht verstehen. Es war einigermaßen klar, die City Collection hat man entweder auf Kickstarter unterstützt oder ist auf den Verkauf auf Messen oder anderen Veranstaltungen angewiesen. Zwischendurch lasen wir seitdem mehrfach Fragen „wo gibt es das Spiel zu kaufen?“. Finde ich so eine Politik gut? Nicht wirklich, und verstehen muss ich sie auch nicht. Hält das die Preise künstlich hoch?

Spielerisch vermochte uns Marrakesh zu begeistern. In drei Runden führe ich je 12 Aktionen aus. Meine „Keshis“ (Kunstwort, aber das Ding brauchte wohl eben einen Namen) geben mit ihrer Farbe vor, was ich diese Runde mache. Alles gibt es im Überfluss. Also so materialmäßig und so. Individuelle Spielablagen mit doppeltem Boden, so dass schöne Vertiefungen zur Platzierung der Keshis entstehen. Große Pappplättchen für den Markt und die Uni, in der ich mir Sonderfähigkeiten einkaufen kann. Unmengen der achteckigen Keshis. Und eben der Würfelturm, dessen Begrenzung dann wiederum von einer nahezu absurden Labbrigkeit ist.

Macht so viel Material glücklich? Nun ja, so unmittelbar ist das nicht zu bejahen. Der Würfelturm funktioniert so halb. In der ersten Partie blieb praktisch nie ein Keshi im Turm hängen. Dann kann man ihn auch weglassen. Wir recherchierten. Und fanden den Vorschlag, die gestanzten Zwischenböden mit der scharfen Kante nach oben einzusetzen. Gelesen, getan. In den Folgepartien kam es nun zu Überraschungen – und der eine oder andere Keshi legte eine kleine Zwischenpause im Turm ein.

Ein kleiner Würfelturmvergleich zu Wallenstein, Shogun und Amerigo zeigt: Die äußeren Wände des Turms blieben identisch. Anstelle von Plastik kam für Trichter und Auffangteil jedoch nun Pappe zum Einsatz. Und vermutlich da die Keshis eben achteckig sind, wo früher übliche Holzwürfelchen zum Einsatz kamen, wurde die Form der Zwischenböden verändert.

Niemals zu weit weg sollte die Spielanleitung liegen. Die Sonderplättchen in den Oasen, sowie diejenigen, die man mit den grauen Keshis kaufen kann (soviel zur gelungenen thematischen Einbettung…), erfordern dauerndes Nachschlagen.

Marrakesh bietet ein ziemlich episches Spielgefühl. Zu viert ist man doch mehrere Stunden beschäftigt. Nach einigen Partien, in denen wir jedes Mal dann doch die dünnen Stadttorplättchen bejammerten, entschieden wir uns zum Upgrade. Beim Verlag gibt es eine kleine Schachtel zu kaufen, mit der die Standardversion mit dem Material der Deluxe-Ausgabe ausgetauscht werden. Vor allem einige Pappe fliegt raus, damit Holz reinkommen kann. Das Spielgefühl wird damit aufgewertet.

Mehrere kleine Module bei Marrakesh erlauben Variation im Spiel. Wir haben mittlerweile die meisten von ihnen ausprobiert. Als kleine Abwechslung passt das bestens, als unbedingt zwingend haben wir keines empfunden.

Marrakesh ist für uns das Spiel des „trotzdem“: Die Grafik ist hausbacken funktional, aber nicht begeisternd. Die Symbolik hakt. Das Material lässt etwa beim Würfelturm und seiner Begrenzung zu wünschen übrig. Trotzdem überzeugt uns Marrakesh spielerisch!

Es reizt, mit verschiedenen Schwerpunkten herumzuprobieren. Insgesamt neun verschiedenen Spielplanbereiche bieten Aktionen, acht von ihnen bieten Extrapunkte, sollte es gelingen, alle acht Plätze mit passend farbigen Keshis und dem extra Joker, dem roten Wasserträger, zu besetzen. Vier Bereiche so in die Wertung zu bringen ist nicht unrealistisch. Meine Schwerpunktsetzung bestimme ich selbst – bin aber auch darauf angewiesen, was mir die anderen ermöglichen. Denn durch den Auswahl- und Verteilmechanismus der Keshis kann ich nicht genau planen.

Halte ich jetzt die Augen auf nach weiteren Neuerscheinungen der Stefan Feld City Collection? Fürs erste wohl nicht. Die nächsten Teile sind als Neuauflagen von Bora Bora und La Isla angekündigt. Wenn doch mal wieder ein neues Spiel, keine Wiederauflage, erscheinen sollte, riskiere ich gerne wieder einen Blick.

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