San Juan

Rezensionen zu verfassen verlangt immer eine gewisse Überwindung. Leicht finden sich wichtige Vorwände, das Texten noch ein wenig zu verschieben: Ein weiteres Testspiel, eine wichtige Regelfrage oder die Recherche von Hintergrundinformationen. Zu San Juan bietet sich zum Beispiel ein wenig Lektüre über die Karibik an. Ich stieß mal wieder in die Tiefen der Religionsgeschichte vor und fand Johannes als den Lieblingsjünger tituliert. Dabei steht er in Konkurrenz zu Petrus. Im Rückblick aufs Jahr 2004 erinnert dies an die leidenschaftlich geführte Diskussion über Sankt Petersburg und San Juan. In der Publikumsgunst ums Lieblingsspiel und den Deutschen Spielepreis konnte sich Sankt Petersburg damals klar durchsetzen.

sanjuan

Das schmälert aber keinesfalls die Qualitäten von San Juan. Elegant wurden die genialen Mechanismen und das Spielgefühl von Puerto Rico in ein Kartenspiel transponiert. Im Gegensatz zu Caylus Magna Carta entstand dabei aber nicht nur eine schwache Kopie, sondern ein eigenständiges Spiel.

Das Spiel basiert auf zwei zentralen Ideen. Einerseits die Rollenwahl. In jeder Runde werden 3 oder 4 von 5 Phasen durchgeführt. Welche das sind, und in welcher Reihenfolge sie stattfinden, suchen sich die Spieler reihum aus. Dabei erhält der wählende, aktive Spieler einen kleinen Vorteil eingeräumt.

Der zweite Geniestreich sind die Multifunktionskarten. Jede Karte kann eine Bauoption, ein Gebäude, eine Handelsware, einen Dukaten oder auch einen Siegpunkt darstellen. Dadurch wird nicht nur Material gespart, die Spieler sind auch ständig gezwungen, Karten in genau einer Weise einzusetzen.

Ziel ist der Bau einer Stadt mit möglichst repräsentativen, siegpunktträchtigen Gebäuden. Wann immer die Rolle des Baumeisters gewählt wird, können alle je ein Gebäude bauen. Das kostet jedoch bis zu sechs Handkarten. Diese werden mit den Rollen Aufseher und Händler verteilt. Neben Siegpunkten bringen die Gebäude wie gewohnt kleinere oder größere Vorteile. Sobald ein Spieler das zwölfte Gebäude baut, endet das Spiel.

San Juan begeistert in jeder Konstellation. Abhängig von Spielerzahl und Erfahrung verlaufen die Partien aber sehr unterschiedlich. Die Kennenlernspiele sind typischerweise sehr produktionslastig, anfänglich kam gar die Vermutung auf, dass der Spieler mit den meisten Produktionsstätten zusammen mit einer Zunfthalle zwangsweise gewinnen würde. Doch das ändert sich mit zunehmender Erfahrung. Zu zweit wird eigentlich gar nicht mehr produziert, zu dritt immerhin noch manchmal. In Runden zu viert hingegen reicht es, mit einer Markthalle oder Silberschmiede an den Produktionsexzessen der Mitspieler zu partizipieren und sich aufs Bauen hilfreicher oder wertvoller Gebäude zu konzentrieren.

Nach vielen Dutzend Partien lässt natürlich irgendwann der Reiz des Neuen nach. Man kennt dann den Rhythmus des Startspielerwechsels und pflückt schon fast mechanisch die wertvollen Karten aus dem Nachziehstapel. San Juan wirkt dann wieder etwas zufällig und nicht mehr abwechslungsreich genug. Doch bis dahin dauerte es lange, und um ehrlich zu sein: Es gibt nicht viele Spiele, die wir mit solcher Begeisterung gespielt und erforscht haben.

Postscriptum – Die Erweiterung

Die vielleicht größten Erweiterungserwartungen stellten wir an San Juan. Hofften wir doch, dass der Spielreiz durch neue Karten erneut entflammt wird. Mit hohen Erwartungen und gesteigerter Vorfreude wächst zugleich immer die Gefahr herber Enttäuschungen. Um so mehr überraschten die beiden San Juan Ergänzungen:

  • Eine Reihe selbsterklärender neuer Gebäude.
  • Ein paar Extrarollenkarten. Diese Karten werden unter die Gebäude gemischt. Sobald sie gezogen werden, stehen sie den Spielern als einmalige Extrarolle zur Verfügung.

Die neuen Gebäude bringen einfach etwas frischen Wind nach San Juan. Einige von ihnen belohnen das betont langsame Spiel. Ein Gebäude schenkt zum Beispiel den Spielern mit der kleinsten Stadt eine Karte. Dadurch dauert San Juan mit dieser Erweiterung einen kleinen Tick länger. Dafür ergeben sich eine Reihe interessanter neuer Aspekte und Strategien, die durchdacht und erforscht werden wollen.

Die Überraschungsrollen richten sich dagegen an die allseits beliebten Bauchspieler. Mit ihnen wird das Spiel zwar nicht unbedingt glücksbetonter, sehr wohl aber fehlertoleranter. Besonders der vierte Spieler ist seltener gezwungen, ungünstige Rollen zu wählen. Mit weniger Spielern erscheinen wirken sie eher als nettes Beiwerk.

Für Freunde von San Juan lohnt sich die Anschaffung der Schatzkiste somit allein schon für die San Juan Erweiterung.

2 von 3 Zucker
Prädikat: 2 von 3 Zucker

Ein Kommentar

  1. „In der Publikumsgunst ums Lieblingsspiel und den Deutschen Spielepreis konnte sich Sankt Petersburg damals klar durchsetzen.“

    Der à la Carte Preis der Fairplay ging 2004 allerdings an San Juan, gefolgt von Sankt Petersburg auf Platz 2: http://fairplay-online.blogspot.com/2007/01/la-carte-kartenspielpreis-19912006.html

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