Bereits seit September – und somit einige Wochen vor der Essener Messe – sind bereits die Neuheiten von Amigo erhältlich. Vier der Spiele konnten wir probespielen:
Herr der Ziegen von Günter Burkhardt für 2-5 Spieler.
Poison von Reiner Knizia für 3-6 Spieler.
Byzanz von Emanuele Ornella für 3-6 Spieler.
Tenakee von Michael Feldkötter für 3-5 Spieler.
Ebenfalls im Herbstprogramm des Verlags sind die Neuauflage von Privacy mit dem überaus wiedererkennungsträchtigen Namen Privacy 2, sowie das Wissensspiel Stefan Marquards Küchenlatein mit Fragen „rund ums Kochen“.
Herr der Ziegen Ziegen sind ein munteres Völkchen. Sie tun es Bohnen gleich und werden zu kleinen Napoleons, schwingen sich in den Wilden Westen oder geben sich prinzessinnenhaft – oder treiben allerlei anderen Schabernack. Diese Ziegen wollen gesammelt und auf der Weide zusammengetrieben werden.
Motor sind die Ziegenkarten, die folgenden Zyklus durchlaufen: Zwei von ihnen hat jeder zu Beginn auf der Hand. Das Spielfeld besteht aus einem Raster von 7 mal 7 (zu zweit 6 mal 6) offenen Karten. In diesem Raster sind ein paar Plätze durch die Ställe der Spieler ersetzt. Jeder Spieler startet bei seinem Stall und beginnt dort mit dem Rundlauf seiner großen Ziegenfigur. Durch Ausspielen einer Handkarte wird diese Ziege bewegt. Die Zahl auf der Karte gibt vor, wie weit es geht. Aus der Zielreihe sucht sich der Spieler eine Karte aus und ergänzt damit seine Handkarten wieder auf zwei, im Spielfeld wird eine Karte vom verdeckten Stapel nachgelegt.
Das Spiel endet, sobald der Stapel aufgebraucht wurde und ein Spieler in der gewünschten Reihe keine Karte mehr aufnehmen kann.
Die ausgespielten Karten bilden eine Auslage. Für jede der mannigfaltigen Ziegenarten wird damit jeweils eine Mehrheitenwertung ermöglicht. Fünf Ziegen jeder Art gibt es, und zwar mit den Werten 1 bis 5. Wer 8 oder mehr Punkte derselben Art auslegen kann, erhält die Mehrheit direkt. Schafft dies keiner, findet die Wertung bei der vierten ausgespielten Karte statt und belohnt den Spieler, der die meisten Punkte dieser Art versammeln kann. Was gibt es zu gewinnen: Die auf dem Spielfeld verbliebenen Ziegen dieser Art dürfen mit kleinen Ziegen markiert werden und punkten am Spielende. Überdies sind diese Karten nun besetzt und können nicht mehr aufgenommen werden. Mittels der Karten mit Milch-Cocktails können abseits der Ziegenarten ein paar Zusatzpunkte gesammelt werden. Die zweite Sorte Sonderkarten bilden die Hunde. Wer diese spielt, darf zwei Ziegenkarten auf dem Feld tauschen. Weshalb sollte dies interessant sein? Der Trick: Alle markierten Ziegenkarten, die direkt oder über eine Kette von Ziegenkarten mit dem eigenen Stall zusammenhängen, zählen doppelt.
Das hört sich (trotz Milch-Cocktails) etwas trocken an und spielt sich recht abstrakt und spröde. Nach und nach bieten sich jedoch einige Anhaltspunkte. Die meisten Punkte einer Ziegenart erhält man, wenn es gelingt 8 Punkte zu erzielen und die verbleibenden 7 Punkte auf dem Spielfeld zu besetzen – und möglichst durch Stallnähe weitere Punkte zu sammeln. Diese einigermaßen offensichtliche Taktik brüllt natürlich danach, anderen Spielern die für Mehrheiten benötigten Ziegen vor der Nase wegzuschnappen. Doch kann dies zu Lasten der eigenen Punkte gehen. Die Kettenbildung von Mitspielern kann dadurch unterbunden werden, dass man selbst Karten in direkter Nachbarschaft fremder Ställe besetzt. Ein ordentlicher Ärgerfaktor spielt mit! Ich bin hin- und hergerissen. Die verschiedenen Elemente mit der Bewegung und Planung von möglichen Folgezügen, Mehrheitenbildungen, Einsatz von Hunden für die doppelten Punkte, geschicktes Hineinfunken in die Pläne der Mitspieler gefallen mir durchaus. Dagegen steht ein gewisser Glücksfaktor beim Nachlegen der Ziegenkarten, sowie der Auswahl von „nur“ zwei Karten für den nächsten Zug, was im Spiel mit mehr Spielern zu größeren Unwägsamkeiten und weniger Planbarkeit führt.
Poison Tränke in drei verschiedenen Farben werden in drei Kesseln gebraut. Dafür gibt es farblich passende Karten in den Werten 1 bis 7, wobei die 3 und die 6 niemals vorkommen. Reihum legt jeder eine Karte in den farblich zugehörigen Kessel ab. Überschreitet dabei der Gesamtwert der Karten den Wert 13, müssen alle vorher im Kessel liegenden Karten genommen werden. Die ausgespielte Karte bildet den neuen Grundstock. Gemein sind die Gifte: Sie zählen als Joker des Wertes 4 und können in alle drei Kessel gelegt werden. Nachdem alle Karten ihren Weg in die Kessel gefunden haben, wird ausgezählt. Alle Giftkarten zählen pauschal zwei Minuspunkte. Alle anderen Karten schlagen mit einem Minuspunkt zu Buche. Außer – Achtung, mit Clou! – man hat in einer Farbe mehr Karten gesammelt als jeder andere. Genau dann zählen alle Karten dieser Farben keine Minuspunkte.
Unsere erste Partie Poison fand zu dritt statt. Kein guter Start. Nicht nur, dass in jeder Runde einige Karten verdeckt aussortiert werden – was das Mitzählen ad absurdum führt. Meist erlangte jeder Spieler in genau einer Farbe die Mehrheit. Das erschien uns zu symmetrisch.
Doch vermutlich haben wir in dieser ersten Partie einfach nicht fies genug gespielt. Anhand der eigenen Karten sieht man oft genug recht deutlich, in welcher Farbe man wohl früher oder später in den sauren Kessel beißen muss. Hier wird man scharf auf die Mehrheit sein. Doch dafür muss man ja nicht gleich alle Karten dieser Farbe sammeln … Denn alles, was über eine hauchdünne Mehrheit hinausgeht, macht sich besser als Minuspunkte bei den Gegnern. In Folgepartien zu viert konnten wir wesentlich effektiver gegeneinander spielen und uns munter Minuspunkte zuschanzen.
Byzanz Auf den Märkten werden Warenkarten mit den Werten 1 bis 4 versteigert. Je mehr Spieler in dieser Runde dabei sind, desto größer ist das angebotene Kartenpaket. Geboten wird mit den Warenkarten, die man auf der Hand hält. Es ist also gut abzuwägen, welche Warenkarten man abgibt, und welche man im Austausch erhält. Eine Karte aus dem Angebot, sowie alle für das Gebot eingesetzten Karten wandern in der Markt. Wer ein Paket ersteigert, bietet für den Rest der Runde nicht mehr mit. Schließlich erhält ein Spieler sein Paket kostenlos – dafür ist der Ertrag aber eben klein. Nun wird der angesammelte Markt verteilt. Hier darf der zuletzt verpaketete Spieler zuerst zugreifen und alle Karten einer Farbe auswählen. Zuletzt hat der Spieler die Wahl, der das größte Paket ersteigert hatte.
Ziel des Ganzen: Waren werden in Siegpunkte umgesetzt, indem man drei gleichfarbige Karten ablegt. Den höchsten Wert aus diesem Trio behält man als Siegpunkte. Dass die Kombination 4-1-1 damit am lukrativsten ist, leuchtet sofort ein. Hilfreich sind die Händler. Ihr Bietwert ist Null, doch sie funktionieren als Joker und können Kartendrillinge flexibel komplettieren. Noch schicker ist es jedoch, drei Händler zu werten, denn in diesem Fall erzielt man fünf Siegpunkte. Wer sofort viel eintauscht, kann nicht mehr hoch mitbieten. Und so wird meist erst dann eingetauscht, wenn das Handkartenlimit von sieben Karten gesprengt wurde.
Zwei Partien Byzanz konnten wir bisher spielen, beide fanden in der Besetzung zu viert statt. Der Tenor war in beiden Spielen ähnlich: Unter den drei in diesem Artikel vorgestellten Kartenspielen ist es das anspruchsvollste. Wann lohnt es, hoch zu bieten, wann kann man auf Kartenglück spekulieren? In jeder Runde kann die Situation anders aussehen. Mal ist das große Paket zu Beginn der Runde so interessant, dass man damit hoch punkten kann. Da schmerzt es wenig, bei der späteren Verteilung der abgegebenen Karten hinten zu sitzen. Ein anderes Mal ist derjenige am glücklichsten, der das letzte Paket erhält, denn vielleicht hat sich bereits ein ansehnliches Angebot am Markt versammelt. Ganz ärgerlich ist es übrigens, nach der letzten Runde mit vielen unterschiedlichen Karten zu verbleiben. Dann hat man nämlich mindestens eine Wertung verschenkt. Die Ergebnisse waren übrigens in unseren Partien denkbar knapp und lagen nur um wenige Punkte auseinander. Da wird es interessant sein, in den weiteren Testrunden mal einen schärferen Blick auf das Verhältnis von Glück zu Einfluss zu werfen.
Tenakee Lauter Totemkarten werden unter den Spielern aufgeteilt. Jeder erhält überdies dieselbe Anzahl an Totemspitzen, Krieger- und Squawkarten. Jeder Spieler entscheidet sich pro Durchgang für drei Karten. Diese werden reihum ausgespielt und an die drei gemeinsamen Totempfähle angelegt. Die Totemkarten erhöhen den Wert der Pfähle, die Spitzen führen zur Wertung. Wer mit einer Punktzahl zufrieden ist, legt die Spitze und nimmt alle Karten zu sich. Krieger werden als Blockade eingesetzt. Nur wer eine Squaw zur Hand hat, kann mit ihr noch anlegen. Auch die Squaw schließt einen Pfahl ab – aber nur einen mit Krieger! – und wertet ihn. An Stelle eines gewerteten Pfahls wird ein neuer begonnen.
Bei diesem Spiel gilt es einzuschätzen: Wann lohnt es sich, auf Wertung zu spielen? Hierzu muss man zuvor eine Pfahlspitze unter die drei Karten der nächsten Runde nehmen. Hoffentlich kommt einem niemand zuvor! Wann schafft man es, mit der Squaw zu werten? Hierzu muss zuvor ein Krieger gespielt werden. Ansonsten treffen sich mal kleine, mal große Totemkarten und lassen die Pfahlwerte unterschiedlich schnell ansteigen. Drei Karten pro Runde erlauben keine sehr elaborierte Planung, und so lebt das Spiel bestenfalls von Überraschungsmomenten.