Spiel ’09: Samstag

Bild der Verlagsstandorte

Mit diesem vierten Artikel „live“ von der Messe beenden wir vorläufig unsere tagesaktuelle Berichterstattung. Aber wir spielen weiter: Im Laufe der nächsten Tage bringen wir einige Nachträge über weitere Spiele, die noch ungeöffnet in unserem Kofferraum schlummern. Über eine Rückmeldung zu unseren geschilderten Erlebnissen, Eindrücken und Bildern würden wir uns sehr freuen: Was hat gut gefallen? Welche Infos wurden vermisst? Hierzu bitten wir um rege Nutzung der Kommentarfunktion.

Doch auch vom Messe-Samstag gibt es natürlich nochmal einiges zu berichten, siehe unten. Morgen am Sonntag nehmen wir uns dann „frei“ und schlendern nochmals durch die Hallen, um noch einige Kleinverlage zu besuchen und vielleicht insbesondere bei den Asiaten vorbeizuschauen. Immerhin haben die Japaner, Koreaner und Taiwanesen jeweils eigene Stände mit einigen Spielen, die man nur hier in Essen sehen kann. Wie die Erfahrung der Vorjahre zeigt, können hier auch potenzielle Perlen schlummern – wie beispielsweise das von uns hoch geschätzte Fairy Tale.

Kathrin Nos

Dieses Jahr half uns unser Tischexperte Michael, den wie immer sehr vollen Samstag besonders komfortabel zu überleben. Heldenhaft transportierte er einen Tisch für uns aus seinem Keller in Wiesloch 350 km bis auf die Messe zum Stand der Fairplay. Kathrin sorgte für Spielenachschub und wir – wir spielten und beobachteten nebenbei das Treiben am Aushang der Scoutergbenisse.

Nicht nur die Zahl der Neuheiten wächst Jahr für Jahr beständig. Auch Umfragen und Spielehitparaden werden immer zahlreicher. Damit ist es an der Zeit, einmal einen kritischen Blick auf die verkaufsfördernde Listenwirtschaft zu werfen.

Bild von Fairplay Scout Listenstand

Zunächst gibt es den Oldie: die Fairplay Scout Aktion. Ursprünglich durfte jeder abstimmen. Mit steigendem Erfolg begannen findige Verlagsfreunde, die Ergebnisse zu manipulieren. Deshalb wurden Spamfilter installiert. So kommen Abgaben von Spielern mit Verlagsklamotten und reihenweise Einsen von Spielen zufällig dieses Verlages einfach direkt in die Mülltonne. Abstimmen dürfen nur noch Abonnenten, deren Freunde oder Spieler, die bereit sind, ihre Adresse anzugeben. Seitdem gibt es nur noch kleinere Betrügereien.

Bild von Vasco Da Gamas - fiebernde Supporter

Um in die Auswertung zu kommen, müssen die Spiele Tag für Tag immer höhere Hürden überspringen. So erwischte es heute auch zeitweise das momentan führende Vasco da Gama, das unter den Blicken von What’s your Game Supportern vom Platz eins ins Nirvana stürzte, weil nicht genügend Stimmen abgegeben wurden. Mit der nächsten Hochrechnung war das Spiel aber wieder im Rennen.

Problematisch ist noch immer, dass viele Spieler ihre Lieblinge im Messerausch leicht überschätzen. Niemand sollte die Fairplay-Liste deshalb als Talisman zur Vermeidung von Fehlkäufen zu Rate ziehen. Insbesondere am Donnerstag und Freitag ist die Liste allenfalls ein Indikator, welche Spiele mal einen Test wert sind.

Bild von Hall9000 Listenstand

Aus Ärger über die offensichtlichen Manipulationen der Fairplayliste in einigen Jahren entstand bei H@ll9000 ein Gegenentwurf. Nicht das breite Spielervolk, sondern nur geladene Spieler dürfen Noten abgeben. Im letzten Jahr entsprach das Ergebnis am Messesonntag im wesentlichen dem der Scoutaktion. Damit haben beide Verfahren wohl eine gewisse Verlässlichkeit. Allerdings ist die Grundauswahl der Spiele bei H@ll9000 etwas skurril. So standen neben Erweiterungen wie den Agricola Moorbauern auch so Superneuheiten wie die Miniausgabe von Heckmeck zur Auswahl. Schlimmer noch: Sie wurden auch auf vordere Plätze gevotet. Ein weiterer Nachteil ist der geringe Umfang der Bewertungen. Hilfe beim Durchforsten des Neuheitendschungels bieten solche Tipps kaum.

Dass das H@ll9000-Heimspiel „Vor den Toren vor Loyang“ von Hall Games überhaupt in die Auswahl kam, halte ich für etwas kritisch. Die bewertenden Spieler werden sich der Problematik bewusst sein. Doch gilt dies auch für die Konsumenten?

Bild von Boardgamegeek Bewerter

Neuerdings bietet auch Boardgamegeek.com eine Möglichkeit, Noten abzugeben. Wer immer möchte, darf einmal pro Tag per Computer seine Bewertungen abgeben. Leider ist die Anzahl der Stimmen nicht angegeben. Da sich einige eher skurrile Neuheiten auf den vorderen Plätzen tummeln, werden es aber wohl noch nicht sehr viele sein. Ich bin gespannt, ob und wie sich diese Liste in den nächsten Jahren durchsetzen wird.

Bild von Vasco Di Gamas - leider Ausverkauft
Für den Geheimtippjäger wäre es aber hilfreicher, wenn es nur eine gemeinsame Notenliste gäbe, die von allen Gruppen unsterstützt wird und möglichst frei von Manipulationen ist.

Vasco da Gama ist übrigens mittlerweile ausverkauft, es wird aber nachproduziert. Da wir nicht schnell genug zulangten, werden wir nun noch einige Wochen warten müssen, bis wir es testen können. Doch nun zu den Spielen, es ist schon nach Mitternacht. Deshalb gibt es heute nur sehr kurze Eindrücke:

Bild von Peleponnes
Peloponnes von Bernd Eisenstein bei: Irongames

Das Spiel wurde vor der Messe bei Spielbox-online hoch gehandelt. Vorab: Wir kennen den Autor von früheren Spieletreffs. Die Spieler bauen einen kleinen griechischen Stadtstaat aus. Dazu ersteigern sie Ländereien und Städte. Katastrophen und Versorgungsengpässe erschweren dabei die Entwicklung. Sowohl der Siegpunktmechanismus als auch das Versteigern enthalten ein paar nette Elemente. Insgesamt ist Peloponnes zwar kein Highlight, kam als flottes Spiel mit einfachen Regeln aber durchaus gut an.

Bild von Funkenschlag - Fabrikmanager
Funkenschlag – Fabrikmanager von Friedemann Friese bei: 2F-Spiele

Fabrikmanager ist „Funkenschlag – das kleine Brettspiel“. In nur fünf Runden baut man eine Fabrik aus und bekommt Einnahmen gemäß dem Minimum aus Lagerkapazität und Produktionsvermögen. In diesen Runden werden eigentlich nur Maschinen gekauft, die ihrerseits Energiekosten heben oder Arbeiter freisetzen. Fabrikmanager ist durchaus interessant, bietet aber ungemein großes Grübelpotential. Funkenschlag bleibt das bessere Spiel.

Bild von El Paso
El Paso von Stefan Dorra bei: Zoch

Bei El Paso würfeln sich Gangster Can’t Stop-artig durch den Wilden Westen. Das Zocker-Spiel ist eigentlich spaßig, nur hat es zu viele Regeln, und der Verwaltungsanteil erschien uns unangemessen hoch. In der letzten Runde kippte das ganze Spiel und reduzierte sich rein auf Berechnen von Wahrscheinlichkeiten, schließlich entschied ein Würfelwurf über Sieg und Niederlage. Vielleicht war dies ein einmaliger Effekt, wir werden es genauer testen.

Bild von Winkelzüge
Winkelzüge von Jürgen Aden bei: Rombol

Auch hier sind wir mit dem Autor bekannt. Winkelzüge ist seine erste Veröffentlichung. Eine Variante seines Spiels lässt sich treffend mit Blokus 3D umschreiben, die andere ist origineller: Mit Winkeln und Stäben versucht man, die vier Ecken des Spielfeldes zu erreichen. Das Spielgefühl erinnert an Rumis, bietet aber genügend Unterschiede. Mir hat das Spiel ausgesprochen gut gefallen, nicht nur wegen des Freundschaftsbonus.

Bild von Monkey Dash
Monkey Dash von Robert Fisher bei: Monkeydash

Ein Spiel für zwei Personen. Die Spieler versuchen, als Aufseher entlaufene Affen einzufangen. Die Erklärung des Autors klang spannend und machte Lust auf eine Testpartie. Umso größer war unsere Enttäuschung, als sich das Spiel wegen fortwährender Pattsituationen als ungewinn- bzw. unverlierbar herausstellte. Nach 30 Minuten warfen wir entnervt das Handtuch.

Bild von Fzzzzzzzzt!
FZZZT! von Tony Boydell bei: Surprised Stare Games

Zum Abschluss noch ein Kartenspieltipp. Bei FZZZT! werden Roboterteile versteigert, die zu Maschinen zusammengesetzt Siegpunkte einbringen. Das Spiel ist leichtgängig, knackig kurz und – in diesem Jahr eine Seltenheit – mit 8€ wahrlich nicht überteuert.

Peter Nos

Diesen Messesamstag haben Peter und ich weitgehend getrennt verbracht. Während Peter am Fairplay-Stand gespielt hat (siehe heutige Ersteindrücke), habe ich den Großteil meiner Pressetermine absolviert. Das ist ein bisschen wie in Nürnberg: In Gesprächen mit den Pressereferenten werden Informationen ausgetauscht. Dort gibt es für mich die Pressemappe und einen Überblick über die Neuheiten. Da einige der großen Verlage schon vor der Messe ihre Neuheiten verschickt haben (was uns eine gute Basis für die Vorberichterstattung gegeben hatte), kann ich von ersten Erfahrungen mit den Spielen berichten. Auch auf unsere Rezensionen der letzten Monate werde ich angesprochen. Ein Verriss kann genauso Nachwirkungen haben wie eine besonders gute oder auch originelle Rezension … Doch werden auch Besprechungen mit einem negativen Fazit meist akzeptiert, wenn dieses gut begründet werden kann.

Die Pressegespräche können ganz unterschiedlich verlaufen. So ist bei Heidelberger eine Menge „Stoff“ zu absolvieren – da so viele unterschiedliche Verlage mit noch mehr Neuheiten unter diesem Dach betreut werden. Allein das Durchgehen durch diese Liste dauert schon recht lang. Zum Glück bleibt auch Zeit zum Fachsimpeln über die aktuellen Neuheiten oder die des gerade zurückliegenden Jahrgangs. Dabei erzählte der Pressereferent immer wieder von den Entwicklungen im Vertriebsbereich.

Bei Queen Games nimmt sich Bernd Dietrich der Betreuung meines Fairplay-Kollegens und mir an. Neben einer kurzen Erklärung der lockeren Neuheit Sultan erhalten wir einen ausführlichen Einblick in Colonia. Viele Hintergrundinformationen zu Spielthema und Grafikdetails rundeten die Schilderungen ab. Man merkt: Hier wird – wie so oft im Spiele-Bereich bei allen beteiligten Parteien – viel Enthusiasmus investiert. So wurden etwa viele kleine Spielelemente, wie beispielsweise die Familiennamen oder das zeitgenössische Kölner Wappen, liebevoll recherchiert.

Kathrin Nos

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[cref.from spiel-09-vorschau-teil-2]
[cref.from spiel-09-vorschau-teil-3]
[cref.from spiel-09-vorschau-teil-4]
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[cref.from spiel-09-donnerstag]
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5 Kommentare

  1. Ich sag nur: DANKE! Was für wundervolle Berichte für uns armen, einsamen Daheimgebliebenen, denen das Herz an den 4 Tagen der Spiel blutete 🙂 Ich finde es super das Ihr uns jeden Tag mit tollen Infos versorgt habt. Dabei waren nicht nur die Testpartien sehr interessant, sondern auch alles drumherum. Toll, das Ihr Euch im Messestreß jeden Tag Zeit zum Schreiben genommen habt. Bei mir ergab das jeden Tag gespannte Vorfreude! Besonders interessant fand ich zum Beispiel die Vergleiche der Votelisten, wobei für mich persönlich die Fairplayscoutaktion am interessantesten bleibt. Klasse auch der Testbericht zu diesem tollem Legospiel! Ich werde auf alle Fälle weiter reinlesen und freue mich auf Eure weitere Nachessenberichtersstattung! Viele Spaß im Ferienhaus,
    Sarah

    P.S.: Was bei mir nicht funktionierte, war das Ansehen der Bilder in groß. Selbst nach 25 Minuten stand da weiterhin nur‘ Laden‘. Ich war doch neugierig was es mit der Dominionerfrischung auf sich hat 🙂

  2. Ich hatte auch ähnliche Probleme mit die Fotos. Aber wenn man sie in eine neuen Fenster aufmacht, geht es schnell.

  3. Auch von mir ein Dankeschön. Ich war selbst zwar auch in Essen, aber diesmal nur für ein paar Stunden und da fliegen die Eindrücke mehr an einem vorbei und bleiben selten haften.

    Euer Blog ist besonders zu den beiden Messen für mich immer eine sehr lesenswerte Pflichtlektüre.

    Viele liebe Grüße
    Timo

  4. Hallo Sarah, Michael, Timo,

    vielen Dank für eure Rückmeldungen!

    Die Bildergalerie im Artikel vom Messe-Donnerstag wurde übrigens jetzt korrigiert. Hoffentlich funktioniert es nun wirklich mit dem Anschauen – wir wünschen nochmal viel Spaß beim Zurückblättern.

    Voraussichtlich am Mittwoch gibt es übrigens nochmal eine Nachbetrachtung, denn in der letzten Woche hatten wir die Gelegenheit, schon einige Messeneuheiten zu spielen.

    Alles Gute von
    Kathrin und Peter.

  5. Noch ein Kommentar zu El Paso: Durch Nachfragen beim Autor Stefan Dorra erfuhren wir, dass die Siegpunkte geheim gehalten werden dürfen. Damit können wir nun das beschriebene „Kippen“ in der letzten Spielrunde begründen – denn in unserer ersten Partie wurde mit offenen Siegpunkten gespielt. Mit verdeckten Siegpunkten ist ein genaues Durchrechnen zwar theoretisch immer noch möglich, aber doch eher unwahrscheinlich. Jedenfalls blieb in den richtig gespielten Partien die im ersten Eindruck geschilderte Problematik aus.

    Alles Gute von
    Kathrin.

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