Obwohl es sich dem Hörensagen nach sehr schlecht verkauft: Science Fiction ist in. Vielleicht lieben Spieleverleger und Autoren ja das Risiko. Nachdem mit Perry Rhodan, Galaxy Trucker, Race for the Galaxy und Space Dealer die meisten Standardgeschichten ausgereizt scheinen, wagt sich Stefan Kögl an ein noch komplizierters Thema: Tieftemperatur-Science-Fiction. Wer jetzt schon zittert, sollte lieber nicht weiterlesen, denn die Hintergrundstory ist wahrlich nichts für schwache Nerven:

Auf dem fernen Eismond "Arktia" sollen nämlich, fernab der Zivilisation Forschungsstationen errichtet werden. Die futuristischen Wohn- und Forschungsmodule werden Muglus gennant und müssen zusammenhängen. Denn abgeschnittene Muglus sind nicht überlebensfähig. Sobald jemand alle Muglus gelegt hat, beginnt die Klimawerärmung und der Eiskontinent schmilz ab.

Arktia

Man merkt schon, Arktia ist ein hochbrisantes Spiel in dem unbegrenzter Fortschrittsglauben der globalen Erwärmung entgegengesetzt wird. Die Ursache für die Klimakatastrophe ist auch schon gefunden: ungebremste Mobilität. Denn es zeigt sich, dass die Forschungsstationen in Wirklichkeit Wohnwagen sind, die ununterbrochen über Arktia preschen.

Muglus gibt es in drei Sorten: Dem kleinen "Globus", mittleren "Diskus" und grossen "Torus". Für alle drei Arten gilt das "Froschköniglemma": Der Globus kann auf den Diskus hüpfen, der Diskus wiederum auf den Torus. Dieser kann aber auch einen Globus umschließen. Wohl kann es einen Stapel Torus, Diskus, Globus geben. Auf einen Torus mit Globus darf aber kein Diskus und schon gar kein Globus mehr drauf. Das klingt etwas verwirrend. Aber wer behauptet schon, in der Zukunft sei alles einfacher. Immerhin besinnen sich die Forscher der nächsten Generationen zurück auf nachhaltiges Raumfahren, denn die Muglus sind allesamt aus echtem, massivem Holz gefertigt.

Soweit alles klar? – Supi, dann kann ich nun den Spielablauf etwas genauer schildern: Das Spiel beginnt auf einer großen aus Sechsecken zusammengesetzten Eisfläche. Reihum werden Muglus errichtet oder versetzt. Dabei dürfen sie auch auf andere Muglus ziehen, aber immer nur unter Beachtung des Froschköniglemmas. Überdeckte  Muglus gelten als gefangen und können beim Umzug mitgenommen werden. Dabei müssen alle Muglus einer Spielerfarbe immer zusammenhängend bleiben. Abgetrennte Teile wandern als Siegpunkte zum Gegener.

Wer sein letztes Muglus gesetzt hat, beginnt mit der Eisschmelze. Mit jedem Versetzen eines Muglus nimmt er ein Sechseck als Siegpunkt zu sich.  Will oder kann jemand nicht mehr ziehen, so steigt er aus dem Spiel aus und schaut nur noch zu. Abrupt ausscheiden kann auch, wer nur noch mit einem Muglus auf dem Spielplan vertreten ist. Sieger ist, wer die größte Summe aus erbeuteten Muglus + geschmolzenen Eisfeldern + zu Spielende noch besetzten Eisfeldern hat.

Mögen Sie kein Science Fiction oder haben Sie Vorbehalte vor Politik und Gesellschaftskritik im Spiel? Mögen Sie lieber abstrakte Spiele? – Dann lassen Sie sich nicht blenden, denn in Wirklichkeit ist Arktia solch ein rein abstraktes Spiel in Tradition von Dvonn oder Zèrtz.

Oder wäre Ihnen ein Märchenthemen a la "Gebrüder Grimm" lieber? – Man könnte sich die verwirrende Stapelregel auch mit Fröschen, Deckeln und Brunnen vorstellen: Deckel passt auf Brunnen, Frosch hüpft auf Deckel, Brunnen fängt Frosch. Gedeckelte Frösche gibt es nicht. – Als kleines Ratespiel dürfen Sie sich nun überlegen, wie ich auf den Namen "Froschköniglemma" kam. Sicherlich ist Arktia kein außergewöhnliches Spiel. Mit seinem wirren Thema wird es wohl auch nicht allzuviel Aufmerksamkeit bekommen.

Das wäre aber schade, denn insbesondere für erfahrene und glücksscheue Spieler bietet es doch ein paar originelle Mechanismen. Allzulang dauert eine Partie auch nicht. Obwohl es einiges zu beachten gibt, ist die Grübeldauer zumindest im Spiel zu dritt und zu viert angenehm kurz. Denn mehr als zwei oder drei Züge kann man nicht im voraus planen. Zu unwägbar sind die Pläne der Gegner. Es gibt keine längere Eröffnungsphase oder einen lahmen Mittelteil. Quasi ab dem dritten Zug befindet sich eine Partie im Endspiel. Ständig drohen Spieler auszuscheiden. Doch diese können durchaus über viele Züge hinweg noch so gerade eben überleben und dabei genügend Punkte für den Sieg sammeln.

Zu zweit herrscht natürlich ein anderes Spielgefühl. 1 von 3 Eiswürfeln
Prädikat
:
1 von 3 Eiswürfeln
An die Stelle des hektischen Reagierens tritt ein planvolleres Agieren. Mehr Vorausplanungen sind möglich.

Echte Freunde der Gipf-Serie sollten Arktia auf jeden Fall mal ausprobieren. Wer nur auf der Suche nach einem schönen Spiel oder ein Science Fiction begeisterter Eskimo ist, wird jedoch etwas enttäuscht werden.

Ein Kommentar

  1. Natürlich lässt sich die Stapelregel auch mit einer Analogie zu Schere-Stein-Papier erklären: Der kleine Stein fängt den mittleren, der mittlere Klotz den Ring und der Ring den kleinen Stein. Wiederholtes fangen ist aber mit Ausnahme des Reihenfolge Ring – mittel – klein nicht erlaubt.

    Dieser Symmetriebruch muss durchaus in die taktischen Überlegungen miteinfließen, denn durch zwei der drei Fangoptionen sichert man seinen Stein auch vor Angriffen. Ein Stapel mit kleinem Stein ist immer sicher und ein kleiner Muglus kann in zwei der 4 möglichen Positionen fangen. Der strategische Wert der kleinen Steine ist damit etwas größer als derjenige der anderen Muglussorten.

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