Zur Bekanntgabe des Spiel des Jahres lässt sich wenig berichten: Die Rezensionen sind schon längst veröffentlicht, und die Klasse der Wahl kann ich schlecht kommentieren, ohne eventuell den Hausfrieden zu gefährden.
Ungefährlicher scheint es mir, meine Sicht der Dinge über den Ablauf eines Spielejahres unter spezieller Berücksichtigung der Verwandtschaft mit einem Jurymitglied darzulegen.
Vor knapp zwei Jahren entschlossen wir einen eigenen Blog zu eröffnen. Er sollte nicht die 753. Rezensionsseite sein, sondern mehr auf Qualität und Andersheit setzen. So wollten wir unregelmäßig über Spiele schreiben, die uns schon länger begeistern, Querschnitte zu anderen Hobbies erläutern und Themen im Spieleumfeld aufgreifen, die sonst kaum Erwähnung finden.
Damals waren wir gerade umgezogen und hatten uns außerdem entschlossen, unsere Spielesammlung in einer gerade noch überschaubaren Größe zu halten. Einige hundert Spiele waren schon verkauft, und das Regal bot sogar noch ein wenig Platz für Neuzugänge. Kurzum – die Welt war perfekt.
So ziemlich gleichzeitig mit der Eröffnung unsere Seite ereilte Kathrin aber auch der Ruf der Jury. Dies änderte so ziemlich alles. Fortan trudelten mehrmals wöchentlich Spielepakete bei uns ein, die wir kaum bewältigen konnten. Die Art, wie wir spielten, änderte sich damit auch schleichend: Gute, längere Spiele können wir kaum noch intensiv erleben, zuviel Durchschnitt wartet darauf getestet zu werden. Mittlerweile überzeugte Kathrin die meisten Verlage, dass es nicht notwendig ist, uns auch noch jedes „Taschengeldkindermitbringspiel“ zuzuschicken. Doch immer noch galt es mehr zu sichten, als durch eine gemäßigte Berichterstattung zu leisten wäre. So warfen wir das Blogkonzept über den Haufen und konzentrierten uns auf die regelmäßige Veröffentlichung von Rezensionen.
Um ehrlich zu sein: Rezensionen zu schreiben lohnt sich nicht sonderlich. Der Arbeitsaufwand (ganz zu schweigen vom Spielaufwand) pro Kritik bleibt auch noch nach Jahren hoch, und die Anzahl Leser durchschnittlicher Artikel ist überschaubar.
Für Neugierige ein paar Zahlen:
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Bisher besuchten uns etwa 200.000 Leser.
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Besonders erfolgreich sind alle Dominionartikel, die ca. 55.000 mal gelesen wurden. An den Clickzahlen der Strategieartikel über Weihnachten liess sich ablesen, dass Dominion in der breiten Masse gut ankam.
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Ahnlich viele Besucher hatte auch unsere Einstiegsseite
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Mit mehr als 10.000 Clicks sind auch die Berichte über Essen und Nürnberg sehr beliebt.
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Der Rest ist Rauschen. Unter den weiteren Artikeln ist:
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[cref im-jahr-des-drachen] mit 2.000 Aufrufen die erfolgreichste Kritik. (Suchen Sie mal Bilder(!) bei Google zum Thema: „Bilder mit Sprüchen“ um zu erfahren weshalb.)
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[cref filly-princess-das-spiel] ist mit 1.300 Lesern das meistgelesene Kinderunspiel.
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Die Masse der Rezensionen bleibt unter 1.000 Lesern.
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Ungewöhnlich erfolglos ist übrigens [cref trivial-pursuit-team-deutschland-edition] – keine hundert Spieler wollten darüber etwas lesen.
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Nicht alle Verlage sind übrigens jederzeit vollständig mit unseren – speziell meinen – Veröffentlichungen zufrieden. Zurückblickend aufs Ursprungskonzept von „Das-SpielEn.de“ kann mir dies eigentlich ziemlich egal sein, da der Name meines Hobbies nicht: „Anhäufen von Rezensionsmustern“ lautet.
Nun hat das „Spiel des Jahres“ aber auch eine gewisse wirtschaftliche Bedeutung. Als Spieler oder unbezahlter Rezensent sollte zwar der Spaß im Vordergrund stehen. Verlage müssen, sollen, wollen aber vor allem Gewinne erwirtschaften – schon wegen des Finanzamtes. Um keinen unnötigen Unmut zu erzeugen, wird deshalb so manches Spiel von uns nun höflich ignoriert.
Um es aber einmal klarzustellen: Aus den von mir veröffentlichten Meinungen kann nicht auf Kathrins Stimmverhalten beim „Spiel des Jahres“ geschlossen werden. Die Grundlage hierfür wird vielmehr auf regelmäßigen öffentlichen Spieletreffen gelegt. Dort wird so ziemlich alles, was Karten und Würfel hat, auf Massentauglichkeit getestet. Wir diskutieren natürlich im Nachfeld unsere Spielerfahrungen.
Über die Monate bekam ich den Eindruck, dass es eigentlich nur zwei Qualitätskriterien gibt, an denen sich massentaugliche Spiele messen lassen müssen:
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Einstiegshürde und
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Wiederspielreiz.
Darin finden sich neben der Spielmechanik eine ganze Reihe von Einzelkomponenten, wie Thema, Spielregel und Optik wieder. Es gibt nur einen Weg, Spiele auf Basis dieser beiden Kriterien zu testen: Wiederholtes Spielen mit Spielern der Zielgruppe des Spiel des Jahres!
Alle anderen Vermutungen in Rezensionen („Das Spiel ist öde für Vielspieler, könnte deshalb aber für Gelegenheitsspieler tauglich sein…“ – s. auch [cref rezi-deutsch]; nur 150 Clicks) oder Foren sind die Bits nicht wert, auf denen sie gedruckt sind. Damit ein Spiel im Familienkreis wirklich erfolgreich sein kann, muss es insbesondere ein überdurchschnittliches Spiel sein.
Für diese Tests wurde mir sogar skeptisches Stirnrunzeln verboten, wenn ein schon erlittenes, langes, schwaches Spiel doch noch ein weiteres Mal geprüft werden soll, ob es nicht vielleicht doch ganz nett sein könnte.
Zu Weihnachten muss Kathrin erstmals ein informelles Stimmungsbild des Jahrgangs einreichen. Verbindlich wird es aber erst kurz vor der Klausurtagung zur Nominierungsliste.
In diesem Jahr war leicht vorhersehbar, dass – egal welche Spiele einen Listenplatz erringen würden und auch unabhängig vom späteren Preisträger – die Wahl der Jury nur verhalten aufgenommen werden kann. Weshalb? – Nun, spielen Sie selbst.
Nach Ende des Jahrgangs sitzen wir auf einem Haufen Spiele, die nicht in unsere ständige Sammlung einziehen dürfen. Da kein Kapital aus der Jurytätigkeit geschlagen werden darf, verschenken und spenden wir sie an umliegende Spieliotheken, Schulen und Kindergärten. Dann gibt es wieder Platz, und die nächsten Spieletage können kommen.
P.S.: Nach der Preisvergabe hat jetzt [cref dixit] den Spitzenplatz der meistgelesenen Rezensionen übernommen. Da wir unter den ersten waren, die über Dixit schrieben, stehen wir bei Google weit vorne. Stand 28.6.10, 18:45: knapp 3000 Aufrufe für Dixit – zurecht.