Die Speicherstadt

Feurio! Mit sozialen Brennpunkten hat dies nichts zu tun. „Die Speicherstadt“ führt ins Hamburg des – ja wievielten eigentlich? – Jahrhunderts. Erst der Blick auf die Spieleschachtel klärt auf: Wir werden in die Zeit um 1900 versetzt. Ein ganzes Jahr lang betreibt jeder Spieler ein Handelshaus, und am Ende des Herbstes wird verglichen: Wer hat die meisten – Reichtümer? Waren? Familienmitglieder? Nein: Punkte. Schlicht und einfach.

Der Ausbau des eigenen Handelshaus erfolgt mittels der Ersteigerung von Karten für Aufträge und die dafür benötigten Waren, für nützliche Gebäude und hilfreiche Personen. Das Angebot enthält eine Karte mehr als die Spielerzahl. Pfiffig ist der Versteigerungsmechanismus: Drei Figuren kann jeder Spieler reihum einsetzen. Die Anzahl der Figuren an einer Karte bestimmt den Preis. Je größer das Interesse an einer Karte also ist, desto höher steigt der Preis. Wer zuerst kommt, mahlt zuerst und darf kaufen. Ist der Preis zu hoch? Weg mit der eigenen Figur. Jetzt wird der nächste in der Reihe zum günstiger gewordenen Preis gefragt.

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Freilich spielt die Sitzreihenfolge eine Rolle. Der Startspieler kann sich das Vorkaufsrecht auf seine Lieblingskarte dieser Runde sichern. Doch das kann richtig teuer werden. Wer hinten sitzt, hat viele Entscheidungsmöglichkeiten. Da das Geld offen liegt, kann er sich genau ausrechnen, welche Karten er durch seinen Einsatz womöglich noch erreichen kann, und ob die anderen Spieler sie sich noch leisten können. Oder blieb gar ein Schnäppchen für einen günstigen Preis übrig? Geld ist extrem knapp. In jeder Runde gibt es nur eine Geldeinheit als Nachschub. Nur wer ganz leer ausging und alle drei Figuren unverrichteter Dinge wieder nach Hause schicken musste, erhält zwei Münzen. Mit einem solch dünnen Portemonnaie heißt es, gezielt einzukaufen. Zu zweit kann sich leider ein merkwürdiges Phänomen ergeben: Ist der Startspieler knapp bei Kasse, so kann der Kontrahent einfach immer nachsetzen – und so den Preis für den anderen Spieler auf mindestens zwei Münzen für jede Karte drücken – oder auf diese Weise auf billige Einkäufe hoffen. Je nach Auslage können sich damit Runden ergeben, in denen die Einsetzphase regelrecht frustrierend für den Startspieler werden kann. Pech, wenn die interessantesten Karten just in der Runde mit niedrigem Budget gezogen werden!

In vier den Jahreszeiten zugeordneten Stapeln führt die Partie durchs Spiel. Thematisch passend: In der ersten Jahreszeit, dem Winter, kommen noch keine Schiffe ins Spiel. Einige Aufträge werden jedoch bereits vergeben. Erst beginnend mit dem Frühling treffen die ersten Schiffe und mit ihnen Waren ein. In der letzten Jahreszeit – dem Herbst – sind keine Aufträge mehr zu vergeben. Das ist durchaus hilfreich zu wissen, denn diese stellen besonders lukrative Siegpunkteinnahmen dar. Wer zu lange wartet und viele Aufträge an sich vorüberziehen lässt, kann in die Röhre schauen.

Noch nicht die Rede war vom Brennen. Insgesamt vier Brände brechen über die Stadt herein. Schützen können sich die Spieler durch Anheuern von Feuerwehrmännern. Wer die meisten befehligt, erhält Plus-, wer die wenigsten gewinnen konnte, entsprechende Minuspunkte. Nachdem der letzte Brand gelöscht wurde, sind zehn Punkte auf jeder Seite verteilt worden. Das Punktekonto der Spieler kann sich auf diese Weise allein durch die Brände um 20 Punkte unterscheiden – wenn immer dieselben Spieler die Punkte desselben Vorzeichens eingesammelt hat. Um diesen Rückstand aufzuholen, müssen z.B. zwei starke Aufträge erledigt werden. Ganz blöd läuft es übrigens, wenn sowohl der vorletzte als auch der letzte Brand direkt nacheinander abgewickelt werden. Dann werden direkt sieben Punkte vergeben, ohne dass zwischendurch Feuerwehrmänner ins Angebot kommen können. Unwahrscheinlich, da der dritte Brand genau die unterste Karte des letzten Stapels werden muss? Mag sein – aber in unseren Runden schon zwei Mal passiert!

Geld ist knapp in der Speicherstadt. Vornehme Zurückhaltung ist angesagt. Um einigermaßen liquide zu sein, hilft es, ab und an auf Karten ganz zu verzichten, um die eigenen Barbestände aufzustocken. Jede eingekaufte Karte will wohlüberlegt sein. Doch die Randbedingungen kann sich niemand aussuchen. An welcher Position sitze ich gerade, wenn meine Wunschkarte kommt? Hilfreich ist es natürlich, die Karten der unterschiedlichen Jahrenzeiten einigermaßen zu kennen, und so den Rhythmus einschätzen zu können. Wie sehr habe ich mich in der just zuvor gespielten Runde verausgabt? Wenn ich Pech habe, kommen gleich zwei Wunschkarten in kurzer Abfolge. Zusammen mit diesen beiden Aspekten hat für meinen Geschmack das Spiel zu viele Randbedingungen. Planung wird
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damit schwieriger. Das Aufbaugefühl wird zu stark beeinflusst. Zu zweit erhält jeder im Mittel die meisten Karten, doch in dieser Besetzung krankte in unseren Runden der Versteigerungsmechanismus.

Über einige Partien tragen Thema und Aufbau den Spielreiz angenehm auf den Spieletisch. Der Versteigerungsmechanismus ist neu, ist innovativ, erzeugt ein Kribbeln. Doch um langfristig zu begeistern, reicht es dann doch trotz vorbildlicher Ausstattung und Spielregel leider nicht aus.

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