Intrigante Kommentare – Teil 2

Es gibt – ganz grob kategorisiert – zwei Arten, wie eine Partie Dominion ablaufen kann:

  • Langsamer Start – Schnelles Ende: Während einer langsamen Startphase wird ein starkes Deck aufgebaut. In einem kurzen Schlussspurt werden dann alle Provinzen aufgekauft.
  • Starker Start – Schwaches Ende: Von Beginn an werden Provinzen gekauft. Eine Deckoptimierung fürs Endspiel wird nur nebenbei betrieben. Dabei hofft man, dass das Spiel vor dem eigentlichem Endspurt entschieden wird oder sogar schon endet. Es kann aber passieren, dass die Kartendecks aller Spieler verstopfen, bevor das Spiel endet. Dies sind die lustigsten Partien.

Welche Richtung eine Partie einschlagen wird und welcher Weg als Folge davon optimal einzuschlagen ist, bildet die Herausforderung aller Strategieüberlegungen. Spannend sind Partien, in denen beide Ansätze konkurrieren. Guten Spielern gelingt es manchmal, beide Aspekte zu verbinden. Spieler, die nur aufs Endspiel hoffen, müssen immer bangen, ob ihnen noch genügend Siegpunkte übrigbleiben. Deshalb stehe ich allen Strategien, die auf extremen Kartentauschketten per Umbauten oder Mehrfachkäufen beruhen, skeptisch gegenüber. Ohne passende Angriffskarten haben sie oft das Nachsehen.

Der Mittelteil dieser Strategieserie behandelt im Folgenden die beliebten Umtausch- und Entsorgungskarten, die großteils zur Deckoptimierung fürs Endspiel dienen. Danach folgt ein Plädoyer auf die sogenannten „Glückskarten“, die etwas schwieriger zu spielen sind. Oft werden sie aber zu unrecht unterschätzt.

Intrigante Tauschbörsen und Müllentsorgung

  • Anbauten haben zwei Tücken: Sie verpflichten zur Entsorgung einer Karte, und es gibt keine Möglichkeit sich mit ihnen eine Provinz zu ertauschen. Dafür werten sie quasi nebenbei das Kartendeck auf. Waren Umbauten nur schwierig gehäuft zu spielen, so lassen sich mehrere Anbauten problemlos verketten – schließlich bieten sie eine Zusatzaktion. Irgendwann steigt nur das Risiko, keine passende Tauschkarte mehr zu ziehen. Je nach Auslage sind Anbauten natürlich ziemlich überflüssig. Es lohnt aber oft, Anwesen in Silber zu tauschen.
  • Jetzt Regelgerecht: Der Vorteil des Baron ist offensichtlich: Anwesen werden nützlich. Die Idee, neue Anwesen zwecks späterer Vergoldung aufzunehmen, klingt nur gut, funktioniert aber nicht. Da ist es kurz- und mittelfristig billiger, gleich ein Silber zu kaufen, denn zweimal den Baron zu spielen, um ein Anwesen zu nehmen und zu nutzen, kostet 2 Aktionen und 3 Kartenslots um effektiv 4 Geld zu generieren. Im Endspiel sollte natürlich kein Gratisanwesen mehr verschmäht werden. Noch besser hat man bis dahin den Baron z.B. mit einer Maskerade selbst entsorgt. Nachtrag: Als Teil sehr kompakter Sets kann der Baron im ganzen Spiel helfen. Insbesondere bietet er auch einen gewissen Schutz gegen Diebe. Bürokraten bremsen ihn jedoch aus.
  • Das Bergwerk kann sich natürlich nur selbst entsorgen. Da es mich ständig in den Fingern juckt, eine ganze Kette von Bergwerken auf einen Schlag zu entsorgen, nenn ich es in Gedanken immer nur „Feuerwerk“. Sonst stehe ich ihm etwas ratlos gegenüber. Einige Anwendungen, z.B. als Dorfersatz oder als Einwegdurchsatzkarte bei Eisenhütten bieten sich an. Eventuell ist es auch ein guter Silberersatz, der später das Deck nicht weiter belastet. Ähnlich Dörfern lohnen sich Bergwerke auch nur in speziellen Decks. Oft ist es einfach nur nett (und nett ist bekanntlich die kleine Schwester von Sch…)
  • Handelsposten wären die besseren Kapellen, wären sie nur nicht so teuer. Doch trotz des hohen Preises lohnt ein Handelsposten in fast jedem Spiel. Nur zimperlich darf man beim Tausch nicht sein: Neben Flüchen (gerne gespielt nach Kerkermeistern), Kupfer oder Anwesen und Bürokraten lässt sich zur Not auch wunderbar Silber und Schrott gegen Silber tauschen. Gegen Spielende gibt es dann den großen Ausverkauf.
  • Der einzige Vorteil von Verwaltern ist ihre Flexibilität. Gerade als erste oder zweite Aktionskarte sind sie damit sehr wertvoll: Zieht man sie z.B. zusammen mit drei Anwesen, lassen sich zwei entsorgen, zusammen mit vier Kupfer gibt es ein Gold. Später lässt ihre Nützlichkeit leider stark nach.

Intrigante Glückskarten

Viele Spieler meiden Glückskarten wie Kater das Wasser. Dies ist immer ein Fehler. Denn im Glück liegen Chancen, die nicht ungenutzt bleiben sollten. Dafür gilt es nur den aktuellen Erwartungswert der Karten abzuschätzen. Klar, mitunter bringen Glückskarten auch Pech, selbst ernannten Dauerpechvögeln sei aber eine Einführung in die Stochastik empfohlen.

  • Wunschbrunnen sind eine genauere Betrachtung wert und werden wahrscheinlich unterschätzt. Effektiv genutzt wirken sie wie Laboratorien, nur sind sie viel günstiger. Es gibt drei Arten sie zu nutzen: Man wünscht irgendetwas Nützliches auf gut Glück. Trifft der Wunsch nicht auf die aufgedeckte Karte zu, so spielt man z.B. einen Verwalter hintendrein, um sie zu ziehen. Ist die Karte unnütz oder besser im nächsten Zug zu gebrauchen, spielt man den Verwalter für zwei virtuelle Geld. Oder man sortiert sich erst z.B. mit einem Späher die Karten zurecht oder merkt sich welche Karten man in die Geheimkammer legt und wünscht dann treffsicher. Die anspruchsvollste Möglichkeit setzt ein dünnes Kartendeck mit vielen Dubletten und etwas Merkfähigkeit voraus: Man schätzt ab, welche gute oder gerade nützliche Karte mit höchster Wahrscheinlichkeit noch im Nachzugstapel liegt. Zur Not lohnt es sich sogar eine Punktekarte zu wünschen, nur um sie im nächsten Zug nicht ziehen zu müssen. Ich selbst bin oft zu faul, um effektiv zu wünschen, wenn dies aber gelingt, sind Wunschbrunnen durchaus mächtig.
  • Das Armenviertel ähnelt in einer Art dem Wunschbrunnen: Mit Glück und Geschick eingesetzt ist es wertvoller als ein Laboratorium. Mit etwas Pech ist es sinnloser als ein Dorf. Das Glück lässt sich aber auch bei dieser Karte etwas manipulieren: Mächtig wird das Armenviertel zusammen mit vielen weiteren Extraaktionskarten, da sich diese gut vor dem Armenviertel spielen lassen. Umgekehrt hilft es natürlich auch, dünne Sets mit wenigen Aktionskarten zu durchpflügen. Ich versuche mich gerne an dieser Sorte Karten. Zugegebenermaßen sind auf ihnen aufbauende Strategien sehr riskant: Wenn zwei oder dreimal das Armenviertel mit einer doofen Karte ohne Extraaktionen gezogen wird, verpufft seine Wirkung vollständig, während Spieler mit einem Silber mehr währenddessen einen uneinholbaren Vorsprung aufbauen.
  • Ganz ähnlich ist der Verschwörer. In vielen Decks ist er wegen der Funktion „+2 virtuelle Geld“ maximal ein langweiliger Schutz gegen Diebe oder eine Austauschkarte beim Trickser. Aber schon mit einem Thronsaal kombiniert oder mit anderen +Aktionskarten zählt er quasi als Bonussilber. Für meinen Geschmack ist er aber gemessen an seinem Preis etwas zu speziell und glückslastig.
  • Der Tribut hingegen ist eine weitere Karte für aufmerksame Zeitgenossen. Wer zumindest grob aufpasst, was der linke Nachbar treibt, kann erahnen, was er einbringen wird. In etwa gilt: Wenn der linke Nachbar beginnt, munter Harems, Große Hallen oder Adelige zu kaufen, sollte ein Tribut nicht verschmäht werden.
  • Der Späher reduziert das Glückselement von „+Karten“-Karten. Dafür nimmt er einen Platz auf der Kartenhand ein. Damit er sich wirklich lohnt, sollten entweder zwei sehr gute Karten nach oben gemischt werden oder eine +3 Karte ihm folgen. Dass er nebenbei Punktekarten aussiebt, ist ein angenehmer Nebeneffekt. Insgesamt ist er ein angenehmer Begleiter für viele Karten. Neben den andernorts erwähnten und offensichtlichen Hilfestellungen hilft er z.B. auch Abenteurern, Bibliotheken, Kanzlern und Spionen.
  • Der Burghof ist eine weitere Antiglückskarte. Zumindest schafft man es mit ihm, die nächste Kartenhand aufzuwerten. Geschickt genutzt kann er mehr als ein Schmied bringen. Besonders wirkungsvoll ist er bei einer großen Kartenhand, z.B. also als einzige Karte oder als Abschluss einer Laboratorienkette.

5 Kommentare

  1. Hi.
    Imho hat sich der Fehlerteufel hier eingeschlichen…
    Der Baron entsorgt das Anwesen doch nicht, nach Kartentext darf man „ein Anwesen ablegen“.

    Gruss,

    Marc

  2. Hallo Marc,

    Asche auf mein Haupt. – Ich habe den Fehler erstmal markiert. Den Baron werden wir nun nochmal genau durchspielen müssen.

    Danke für den Hinweis,
    Peter.

  3. Hallo!

    Ich habe mir Euren Dominion-Guide jetzt mal ganz durchgelesen, und denke, daß er bei allen guten Ideen und Anregungen, die auf jeden Fall enthalten sind, die vielleicht zentralste Eigenschaft des Spiels etwas vernachlässigt. Die lautet meiner bescheidenen Ansicht nach: Die Stärke jeder Karte hängt in hohem Maße davon ab, welche anderen 9 Karten mitspielen.

    Nur wenige Karten sind so universal wirkungsmächtig, daß sie von dieser Regel kaum berührt werden – und von den 30 in der BSW spielbaren Karten dürfte es nur auf Lakei und Anbau zutreffen. Anbauten schleifen alles into perfect shape, um sich anschließend selbst in Gold zu verwandeln. Funktioniert besonders gut wenn Laboratorien mitspielen, aber geht auch ohne. Der Lakai ist Angriff, Gold und Kartenzieher in einem, und i.d.R. gewinnt wenn er dabei ist der Spieler, dem es gelingt, den Lakaienstapel möglichst früh leerzuräumen. Lakaien brauchen kein Gold und kein Silber, nur 1-2 Exrakaufkarten, und sie räumen in größerer Anzahl und bei halbwegs schlankem Deck den Provinzenstapel schnell und mühelos leer. Idealerweise gibt man ihnen noch 2-3 Jahrmärkte und 2 Trickser mit auf den Weg, ein paar Thronsäle, ansonsten sollte man wenn möglich Spione kaufen und Geld/Anwesen entsorgen.

    Aber Anbau und Lakai sind die Ausnahmen. Die Hexe beispielsweise kann ganz alleine ein Spiel entscheiden, wenn sie den Gegner mit Flüchen verseucht. Sobald aber ein Anwesen mitspielt, ist es fast immer ein Fehler, ihren Kauf auch nur in Erwägung zu ziehen. Gegen Kapelle lohnt sie sich nur, wenn sie als Kartenzieher gut in die Umgebung paßt, also zwischen viele +2 Aktioner. Umgekehrt nimmt die Bedrohung durch die Hexe schwerste Ausmaße an, wenn keine Möglichkeit besteht, Karten zu entsorgen. Und natürlich mögen Hexen Dörfer, Jahrmärkte, etc.

    20% Aktionskarten schlagt Ihr vor? Das scheint mir allerhöchstens dann sinnvoll zu sein, wenn (neben den oben erwähnten) weder Dorf, noch Jahrmarkt, noch Bergwerk, noch Armenhaus, noch Adeliger, noch Tribut mitspielen. Wenn es möglich ist, Aktionen anzuhäufen, lohnt es sich auch meist, davon Gebrauch zu machen. Langfristiges Ziel sollte es dann sein, alle Karten aus dem Deck auf die Hand zu bekommen. Sogar die im selben Zug an- und umgebauten.

    In einem entsprechend dynamischen Deck muß auch der Burggraben keine schlechte Aktionskarte sein. Es ist zwar richtig, daß er ohne +2Aktioner den Platz im Deck nicht viel schöner blockiert als der Fluch, vor dem er schützen soll. Sobald aber genügend davon im Umlauf sind, kann er durchaus zu einer ganz passablen Aktionskarte werden. Und in so einer richtigen Hexenschlacht mit vielen Aktionen ist der Kauf vieler Gräben (wenn vorhanden) einfach obligatorisch. Wenn eine Seite auf 7 oder mehr Flüchen sitzenbleibt, dann verliert sie in aller Regel das Spiel: Ganz abgesehen von den Runden, die durch die lila Karten stark beeinträchtigt werden oder sogar komplett verlorengehen, reichen ihr nun nicht einmal 4 Provinzen + Herzogtum zum Spielgewinn. Und jede weitere Punktekarte verstärkt das Elend …

    Viele Grüße,
    Marmot

  4. Nachtrag: „Sobald aber ein Anwesen mitspielt, ist es fast immer ein Fehler, ihren Kauf auch nur in Erwägung zu ziehen.“

    Ich meinte natürlich Anbau. 🙂

    Außerdem vergolden die Anbauten leider nur einander, und nicht sich selbst. Sind aber trotzdem gut genug. 🙂

    Viele übernächtigte Grüße,
    Marmot

    • Hallo Marmot,

      danke für deine guten Tipps. Ich schätze es sehr solche Strategien auszuprobieren. – Auch wenn es mir in den Fingern juckt, lasse ich sie erstmal unkommentiert, da jeder Spieler, der bis hierher die Artikel verfolgt hat selbst ausprobieren und berurteilen können sollte, welche Lieblingsstrategien ihm liegen.

      Nur eins sei gesagt: Ja, die Lakaien habe ich wahrscheinlich etwas unterschätzt. 🙂 Gerade in der Brettspielwelt, die nur wenige der Intrigenkarten anbieten, können sie (nicht immer) eine Alternative zu Bibliotheken und Ratsversammlungen sein.

      viele Grüße,
      Peter.

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