Über Erweiterungen zu schreiben ist immer etwas langweilig. Denn was gibt es schon groß über Erweiterungen zu berichten, was nicht schon im Ursprungsspiel erwähnenswert gewesen wäre? Neue Pläne? – Gähn! Mehr Regeln für mehr Spieler und eine längere Spieldauer? Das hat etwa den Neuheitswert wie die Nachricht, dass auch dieses Jahr Silvester auf den 31ten fällt.
Doch gibt es manchmal auch Ausnahmen, und eine ist German Railroads, denn – TARRRAAA!!! – German Railroads lässt sich Solo spielen. Das ist allein eigentlich auch kein Grund für einen Bericht, denn Brettspiele solo zu spielen ist nicht gerade meine Expertise. Aber Russian Railroads übt auf mich einen unwiderstehlichen Reiz aus. Ähnlich wie bei Die Burgen von Burgund will ich einfach noch mehr Punkte schaffen. Bisher war mein persönlicher Rekord irgendwo bei 450+x. Die 500 konnte ich noch nicht knacken. Sind meine Mitspieler zu gut, spiel ich zu schlecht? Übersehe ich eine offensichtliche Strategie, oder sind 500+ Punkte doch nur im Reich der Mythen und Legenden erreichbar? Was gibt es also Besseres als ein paar einsame Abende in einem indischen Businesshotel zu nutzen, um die Grenzen von Russian Railroads mal solo auszuloten?
Zuerst beschäftige ich mich allein mit der Solo Variante. Dazu gibt es den Emil, den virtuellen Gegner, der keinen Bock hat. Er setzt immer zufällig seine Arbeiter auf irgendwelche Felder, ohne sonst am Spielgeschehen teilzunehmen. Die einzige sonstige Anpassung ans normale Zweipersonenspiel ist, dass das Feld „nimm 2 Geld“ nicht verfügbar ist. Stattdessen gibt es 5 Rubel als Startkapital.
Obwohl diese Solitärregel primitiv klingt, funktioniert sie doch ziemlich gut. Auf Anhieb gelingen mir 437 Punkte, was für ein Zweipersonenspiel mit nur 6 Runden schon beachtlich ist. Also wage ich mich gleich an die erste Erweiterung, den Deutschlandplan.
In Deutschland gibt es im Gegensatz zu Russland auf der langen Strecke eine Weiche. Die kürzeren Strecken erlauben hingegen individuelle Ausbauten mit Belohnungen. Neben den Fragezeichen gibt es jetzt noch Einkommensplättchen, die jede Runde z.B. einen Schritt mit einer beliebigen Schiene bringen. Diese Änderungen bringen vor allem mehr Flexibilität ins Spiel und müssen natürlich genau ausgelotet werden. Ich mag die Fragezeichen, Extraarbeiter und Einkommensplättchen besonders gern. Punkte folgen dann von fast allein. Mein erstes Testspiel endet mit 481 Punkten. Soweit scheint Emil also kein echter Gegner zu sein.
Als nächsten Schritt plante ich einen kurzen Ausflug in den anderen Teil der Erweiterung: Solo Kohle in Russland. Danach wollte ich das Gesamtspiel mit allen Möglichkeiten genießen. Doch die Kohle Erweiterung spielt sich sehr anders als das Grundspiel. Zuerst fällt noch eine Runde weg. Also gilt es in fünf knappen Runden die Siegpunkte zu raffen. Dafür gibt es eben Kohle, die über ein neues Aktionsfeld erhältlich ist. Mit Kohle lassen sich Gießereien betreiben, die auch erst per Aktion errichtet werden müssen. Gießereien wandeln z.B. 2 Kohle in ein schwarzes Gleis und eine Lokomotive. Und es ist möglich Gießereien an Loks anzulegen, um deren Reichweite um eins zu erhöhen. Schließlich können sie auch noch Industrien verbessern.
Ich erreiche in meiner ersten Partie Kohle 306 Punkte. Ganz klar beruht dies auf einem Rechenfehler oder statistisch ungerecht verteilten Zufallszügen von Emil. Also versuche ich es gleich nochmal und – es ist wohl schon etwas spät geworden – falle auf 284 Punkte zurück.
Am nächsten Abend wage ich es erneut. Es kann doch nicht so schwer sein. 282 Punkte belehren mich eines Besseren. Langsam dämmert mir, dass Kohle anders angegangen werden sollte. Die frühen Punkte sind wichtiger, und vor allem kommt es darauf an, die Gießereien nicht irgendwie zu nutzen, sondern ihre Verwendung exakt zu timen. Ohne Gießereien geht es nicht, aber reicht eine oder müssen es möglichst viele sein? Lohnt es sich mit ihnen Loks zu verlängern oder ist es zwingend notwendig, mit ihnen die Industrieleiste zu perfektionieren? Nach einigen Versuchen gelingen mir schließlich immerhin 379 Punkte, nicht gut, aber auch nicht mehr frustrierend wenig.
Endlich komme ich zum Großspiel mit allen Erweiterungen. Doch auch hier bremst die Kohle den Punkterausch durch die fehlende Runde. Mehr als 394 Punkte sind nicht drin.
Aber ich will die GERMAN RAILROADS Experimente nicht ohne ein Erfolgserlebnis beenden. Deshalb tausche ich in meiner finalen Partie Emil aus und ziehe seine Arbeiter immer an die für mich praktischsten Felder. Und ich suche mir für diese Partie meine Lieblingsingenieure aus. Das Spiel findet in Deutschland ohne Kohle statt. Einige Optimierungen später ist klar: Wenn die Mitspieler wirklich geistlos agieren, sind bei Russian Railroads fast beliebig viele Punkte zu scheffeln: 1036 ist mein neuer Rekord.
Mit Emil macht es aber mehr Spaß. Dem 1000 Punkte Spiel fehlte der Reiz des Unerwarteten und auch jegliche Dynamik. Die nächste Solopartie findet also wieder mit Emil statt.
Fazit? Nun: Hoffentlich folgt auf die erste Erweiterung bald die zweite, dritte … und hoffentlich sind diese genauso spannend. Die Kombination aus Wohlfühl-Deutschland und Ärger-Kohle fügt sich gut zusammen. Ich kann nur empfehlen die beiden Module unabhängig voneinander auszuloten und nicht einfach alles zusammenzuwerfen. Besonders Kohle verdient eine genauere Beschäftigung.
Du musst ja oft in Indien sein, dass du die Abende alleine im Hotel mit ’nem Solo-Spiel verbringst;-) Das Spiel an sich klingt aber spannend. Wenn ich mal eine Geschäftsreise mache, nehme ich’s auch mit.
Wie frustrierend für mich: Selbst im fünften Anlauf konnte ich die 400 Punkte nicht erreichen. Mein Highscore war 397 ….. Und Du schaffst schon locker in Deiner ersten Partie dicke über 400 ….
Jubel!! … 475 Punkte erreicht (in der Normalversion – aber bei der Auswahl der Ingenieure waren auch „erweiterte“ dabei.
Dank zwei „Neuner – Fabriken“ bekam ich am Ende drei Spielendekarten (die mir 81 Punkte brachten). Und den dicksten Batzen Punkte brachten 7 Verdopplerplättchen auf meinem Weg nach Vladiwostok. Ich konnte alle 5 Fragezeichen-Felder erreichen. Der Weg dahin: Glcüg gehabt, dass „Emil“ stets reichlich Lokomotiven/Fabriken aus dem Spiel nahm und ich zeitig genug den Ingenieur bekam, der eben auch Lokomotiven/ Fabriken ins Spiel brachte. Ich denke: Mehr geht nicht für mich … also: Wieder ab in den Schrank. Oder doch mal „German Railroads“ solo probieren?