Rohstoffe, Gebäude, Straßen, Sonderkarten, das klingt doch wie … Siedler? Weit gefehlt. Denn zwar sind diese beliebten Zutaten für ein Spiel auch bei Glen More zum Einsatz gekommen. Doch dabei ist ein vollkommen unabhängiges Spiel entstanden.

Glen More führt uns nach Schottland. Und zu diesem Ziel gehören Schafe, Lochs, Highland Cattles, Schlösser – und Whisky. All diese Komponenten sind brav auch im Spiel eingefügt. Jeder Spieler baut seine eigenen Ländereien aus und nennt zu Beginn lediglich ein Dorf sein eigen. Neue Landschaftsplättchen werden angrenzend an die bestehende Auslage eingefügt.

Zwei Spielelemente bilden das Rückgrat bei der Entwicklung der schottischen Großgrundbesitzer. Der Erwerb der Landschaften ist zuerst zu nennen. In einem Rundkurs liegt auf den meisten Feldern ein Angebot an Plättchen aus. Auf den verbleibenden Feldern stehen die Figuren der Spieler, ein Feld bleibt leer und markiert somit Anfang und Ende. An der Reihe ist der Spieler, dessen Figur am weitesten hinten steht. Unter allen jetzt aufgedeckten Plättchen wählt er seine nächste Landerweiterung aus und zieht bis auf dieses Feld vor. Da er erst wieder an die Reihe kommt, sobald seine Figur von allen anderen überholt wurde, kann er sich ausrechnen, ob seine nun folgende Wartezeit länger oder kürzer sein wird.

Bild von Glen MoreDer zweite zentrale Mechanismus besteht in der Aktivierung der Landschaftsplättchen. Denn praktisch jede Landschaft erlaubt eine bestimmte Aktion, sei es etwa die Produktion von Rohstoffen, die Umwandlung derselben in Siegpunkte oder die Bewegung von Clanmitgliedern. Letztere werden benötigt, um den Ausbau der Landschaft zu kontrollieren. Bauregel Nummer 1: Steht kein eigener Mann zur Überwachung parat, kann an dieser Stelle nicht ausgebaut werden. Die in einem Zug aktivierten Plättchen bestimmen sich durch den Anlegeort. Ein neu eingefügtes Plättchen aktiviert nicht nur sich selbst, sondern auch alle über Kante oder Ecke angrenzenden Nachbarn. Ideal wäre also eine kompakte Bauweise, um jedes Mal so viele Plättchen wie nur möglich zu aktivieren. Blöderweise haben sich die Highländer noch Bauregel Nummer 2 ausgedacht: Plättchen mit Straße müssen an die Straße angebaut werden, und auch der Fluss muss fein säuberlich von Nord nach Süd durch die Landschaft fließen. Das kann die Sache stark entzerren, was die Aktivierungsmöglichkeiten schonmal unangenehm einschränken kann.

Sowohl die Idee mit der durch den Rundkurs vorgegebenen Spielreihenfolge als auch die Aktivierungen lassen viel Raum für Überlegungen. Was passt gut in die Landschaft und wie optimiere ich die Erträge? Wann lohnt es sich, auch mal ein weiter entferntes Plättchen zu wählen, obwohl ich dann mehrere Züge der Mitspieler abwarten muss? Ein Kniff sorgt dafür, dass sich größere Schritte durchaus lohnen können und eine schiere Massenausweitung wohlüberlegt sein möchte: Denn am Ende des Spiels bestimmen alle Spieler die Größe ihrer Landschaft, indem sie die Plättchen zählen. Wer mehr Plättchen hat als der genügsamste Spieler, muss jedes überzählige Plättchen mit drei Siegpunkten bezahlen. Es lohnt sich definitiv nicht, eine vermeintlich destruktive Spielweise zu wählen, indem man nur minimal viele Plättchen einbaut. Der Punktabzug ist aber ein ausgewogener Ausgleich für unterschiedlich große Landschaften.

Um die drei Wertungen des Spiels zu verstehen, müssen einige weitere Elemente erstmal erklärt werden. Alle zu wertenden „Güter“ haben jedoch eines gemeinsam: Bei jedem wird geschaut, wer die wenigsten davon besitzt. Alle anderen zählen, wie viele Güter mehr sie besitzen. Zwischen einem Siegpunkt für ein Gut mehr und acht Siegpunkten für fünf Güter mehr bewegt sich die Ausbeute. Und die Güter selbst? Whiskyfässer entstammen Destillerien, die wiederum die Ressource Getreide in Hochprozentiges brennen. „Chieftains“ sind Figuren, die von ihrem Dienst in der Landschaft abberufen wurden, verstärkt werden sie durch „Bonnets“, die auf den Karten der so genannten „besonderen Orte“ abgebildet sein können. Eine Menge Vokabular! Und schließlich gibt es als die soeben genannten „besonderen Orte“ etwa Lochs oder Schlösser, deren Funktion auf einer extra Karte beschrieben sind. Zu Beginn des Spiels kann dies ein geschenktes Whiskyfass – ganz ohne Getreidefeld oder Destillerie – sein, später im Spiel kommen so mächtige Funktionen ins Angebot, die zum Beispiel das einmalige Durchaktivieren aller Landschaften der eigenen Auslage erlauben. Für solche Leckerbissen kann sich schonmal ein weiterer Sprung lohnen!

Auch wenn die Erklärung der Spielelemente damit schon reichlich viel Platz in Anspruch nimmt – und somit einer meiner Kritikpunkte am Spiel ist -, möchte ich dennoch den Rohstoffmarkt erwähnen. Denn wer akut einen Rohstoff benötigt – und ihn direkt für eine Aktion wie Kosten für ein Landschaftsplättchen oder Umwandlung in Whisky oder Siegpunkte verwendet -, darf diesen auf dem Markt einkaufen. Das Geld wird direkt auf dem Markt platziert. Wer später just diese Sorte übrig hat, darf für den aktuell besten Preis wieder verkaufen. Angebot und Nachfrage regulieren sich damit wie von selbst. Dass jedes Geldstück zum Schluss einen Siegpunkt wert ist, erhöht die Attraktivität des Verkaufs.

Der Ausbau der eigenen Landschaft gestaltet sich reizvoll. Die Bauregeln erlegen den Spielern Zwänge auf, die es zu beachten und geschickt auszunutzen gilt. Allerdings sollte man auch ein wenig auf das Treiben der Mitspieler achten. So manche Regel ist nicht intuitiv zu verinnerlichen, und ohne böse Absicht schleichen sich schnell Spielfehler ein. Besonders gern wird übersehen, dass man nur einen Fluss – nicht aber parallele Gewässer – und nur eine Straße bauen darf. Die zugehörige Spielregel ist auch einigermaßen gut im Regelwerk versteckt, das bis auf eine etwas schwierig zu interpretierende Formulierung zum Einkauf am Markt vollständig und präzise ist. Wird ein Fehler in der Landschaft zu spät bemerkt, fällt die Auflösung einer falschen Auslage schwer.

Siegpunkte können auf mehrere Arten erworben werden. Zunächst die bereits beschriebenen drei Wertungen. Eine Spezialisierung ist lukrativer als ein Mitmischen in allen drei Sparten. Weitere Punkte können mit Fleischereien durch die Schlachtung von zuvor gezüchteten Schafen oder Rindern erzielt werden, oder durch Tausch auf dem Jahrmarkt oder Vermarktung im Krämerladen. Und schließlich sind unter den „besonderen Orten“ solche, die für bestimmte Landschaftsarten in der Endwertung noch Punkte bringen. Die Sammlung von Siegpunkten sollte nicht zu spät begonnen werden. Stets sollten Quellen für die Umwandlung ins Auge gefasst und genutzt werden.

Nicht jedem Spieler gelingt es, seine eigene Landschaft effektiv aufzubauen. Wer etwa wenige Clanmitglieder besitzt, hat weniger Auswahl, wo er Landschaftsplättchen anlegen kann. In derselben Zeit können sich Spieler mit einer günstigeren Konstellation einen schwer einholbaren Vorsprung verschaffen. Bild von 1 von 3 Destillerien
Prädikat
:
1 von 3 Destillerien
Daher bleibt es nicht immer bis zum Schluss spannend. Mancher Sieg wird unter nur wenigen der Spieler ausgemacht. Insgesamt schwimmt im Whisky aus Glen More damit der eine oder andere Wermutstropfen. Ungenießbar wird er dadurch beileibe nicht. Dem Kenner bieten sich ein paar ungeahnte neue Geschmacksnuancen, die ihn zu einigen Partien fesseln werden. Sonderschichten in den Whiskey-Brennereien von Glen More müssen aber nicht eingelegt werden.

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