Istanbul

Istanbul ist ein seltener Name für Spiele. Beliebter sind Byzanz und Konstantinopel. Die Namensänderung ist zwar schon bald 100 Jahre her und wurde auch schon vertont aber Spieler sind halt ein klein wenig konservativ. Doch der Fortschritt lässt sich auch von Spieleregalen nicht aufhalten, und so dürfen wir jetzt endlich einmal über den weltberühmten Basar von Istanbul ziehen. Um der Moderne die Krone aufzusetzen, brauchen wir zum Sieg noch nicht einmal Prestigepunkte oder Geld zu sammeln, sondern es reichen fünf hübsche Rubine.

Diese Rubine gibt es in Istanbul bei der Wagnerei, in der kleinen und großen Moschee, im Sultanspalast und natürlich auch beim Edelsteinhändler. Natürlich werden Rubine nicht verschenkt. Um sie zu bekommen, sind Geld oder Waren notwendig, und um daran zu kommen, ist es hilfreich mit seinen Gehilfen an allen anderen Orten Istanbuls vorbeizuschauen.

Jeder spielt nämlich einen Händler mit vier Gehilfen. Wer am Zug ist, bewegt den Händler um ein oder zwei Felder auf dem Spielplan und setzt auf das Zielfeld einen Gehilfen oder sammelt einen ein. Der Spielplan selbst besteht aus einem Quadrat aus 16 Ortsfeldern, die in jedem Spiel anders ausgelegt werden können. Jeder Ort hat eine spezielle Funktion. Diese auszuführen ist der eigentliche Spielzug. Zum Beispiel bekommt der Händler rote, grüne oder gelbe Waren. Oder er darf Waren in Geld tauschen oder eben einen Rubin kaufen. Das ist aber alles wohlbekannt und im besten Falle eine interessante Variation anderer Spiele. Das spezielle an Istanbul sind aber die Gehilfen. Wer nämlich keinen von ihnen zum Einsetzen hat und auch keinen mehr einsammeln kann, muss nach der Bewegung seinen Zug abbrechen. Die Spielfiguren ziehen also über das Spielbrett und hinterlassen eine Spur aus Gehilfen. Um nicht irgendwann zwangsweise auszusetzen, müssen die Händler hin und wieder Felder ein zweites Mal betreten. Dann dürfen sie die Gehilfen wieder mitnehmen. Dies erfordert etwas Planung um optimal über den Plan zu rauschen. Die Aktionen der Mitspieler machen dies noch etwas kniffliger, denn wer sich zu einem anderen Händler stellt, muss diesen eine kleines Trinkgeld geben.

Wenn ich nun noch erwähne, dass es noch eine Polizeistation gibt, aus der gewisse andere Familienmitglieder – neben den Gehilfen und Händlern – befreit werden können und es sogar einen Schmuggler gibt, wird klar, dass es bei Istanbul nicht um gewöhnliche Geschäfte geht. Doch die Ganovenehre gebietet, dies nicht weiter zu vertiefen.

Bild von Istanbul

Ich möchte nicht auf zu viele Details der einzelnen Orte eingehen. Besonders interessant ist aber die Teestube. Dort gibt es Geld, einfach so. Wer auf das Feld zieht, nennt eine Zahl und versucht diese mit zwei Würfelwürfen zu erreichen. Schafft er dies, bekommt er die genannte Zahl in Lira ausgezahlt, sonst gibt es zumindest zwei Trostlira. Welche Zahl bietet sich an zu wetten? Etwas Kombinatorik zeigt, dass die Sechs und die Sieben den größten Ertrag versprechen. Der Erwartungswert der Sieben ist mit 4,91 zwar optimal, die Sechs ist mit 4,83 aber kaum schlechter. Nun ist es noch möglich, bei der kleinen Moschee das rote Plättchen zu erwerben. Dann darf der Händler immer einen Würfel nach dem Wurf auf die 4 drehen oder beide Würfel erneut werfen. Den Effekt dieser Regel zu berücksichtigen ist ein klein wenig mühseliger, und das Ergebnis ist etwas überraschend. Denn die beste Ansage ist nun die Acht mit einem Erwartungswert von 7,13. Ich hätte eine höhere Zahl erwartet.

Aber keine Angst: Istanbul ist kein Spiel für tiefsinnige Rechnungen. Es bietet vielmehr eine ganze Reihe offensichtlicher Strategien. Welche funktioniert und den Sieg bringt, hängt ein klein wenig vom Glück, massiv vom Spielaufbau, aber vor allem auch von einem gesunden Bauchgefühl ab. Istanbul ist ein kurzes Spiel, und die ersten Rubine sind deutlich billiger als spät erworbene. Das beliebte Vorgehen: „Erst sammeln und Vorteile aufbauen und dann ganz schnell aufholen“ funktioniert nicht, denn bis dahin hat meist ein „von der Hand in den Mund Spieler“ schon gewonnen. Dabei ist der Sieg oft knapp errungen, meist fehlen mehreren Mitspielern auch nur noch ein oder zwei Züge. Dieses Tempo und seine Leichtigkeit machen Istanbul immer wieder spannend. Selbst zu fünft bleiben die Wartezeiten bei Istanbul überschaubar. Denn der jeweils nächste Zug lässt sich oft gut planen.

Bild von 1 von 3 Gehhilfen
Prädikat
:
1 von 3 Gehhilfen

Erwähnenswert sind schließlich noch die gelungene Spielübersichten. Sie sind wirklich hilfreich und enthalten die Erklärung aller Bonuskarten – das sind die bekannten Karten, die kleine Vorteil bringen, aber deren Symbolik sich nie von alleine erschließt. In gewöhnlichen Spielen rotiert deshalb ständig die Anleitung: „Gib mir mal die Anleitung, denn ich weiß nicht, was diese Symbole bedeuten sollen…“ Dank der Spielübersicht kann die Anleitung nach der Erklärung in der Schachtel bleiben, selbst wenn Dysikoniker wie ich mitspielen.

6 Kommentare

  1. Ich hatte auch mal mit den Wahrscheinlichkeiten rumgerechnet. Die Wahrscheinlichkeit, mit dem roten Plättchen eine bestimmte Zahl zu erreichen ist:
    Z W1 W2
    2 100% 100%
    3 97% 100%
    4 92% 100%
    5 83% 100%
    6 72% 99%
    7 58% 95%
    8 42% 85%
    9 28% 68%
    10 17% 44%
    11 8% 16%
    12 3% 5%

    Z: die zu erreichende Zahl
    W1: die Wahrscheinlichkeit ohne das rote Plättchen
    W2: die Wahrscheinlichkeit mit dem Plättchen. Dabei wird auch berücksichtigt, dass wenn man beim ersten Wurf nicht auf die Zahl kommt, dass man den Wurf wiederholen kann.

    Gruß, Hermann

    • Danke für diesen Beitrag. Ich habe das Spiel seit in paar Tagen und finde es klasse.

      Es ist schön zu sehen, dass es auch noch andere Spielbegeisterte gibt, die Zeit und Muße haben mit Kombinatorik und Wahrscheinlichkeitsrechnung praktische Lösungen für das Spiel herzuleiten.

      @Hermann: Ich bin zu dem gleichen Ergebnis gekommen. Freut mich sehr. Mich interessieren auf welchem Weg Du es hergeleitet hast. Freue mich über Deine Rückmeldung.

      @Peter:
      1. Beim Würfeln ohne rotes Plättchen ist die häufigste Zahl die 7 mit 16,7% Wahrscheinlichkeit (6 von 36 Würfel-Ergebnissen). Die 6 ist genauso wie die 8 die zweit-häufigste Zahl mit 13,9% (5/36).

      2. Ich verstehe nicht Deine Aussagen zu den Erwartungswerten. Wie kann ein einziges Ergebnis, wie die 7, einen Erwartungswert von 4,91 haben? Wie rechnest Du das?

      3. Meiner Meinung nach gibt es pro Verteilung (nicht pro Ergebnis) einen Erwartungswert. Für den Besuch in der Teestube ergibt sich nach meiner Rechnung
      a) ohne rotes Plättchen ein Erwartungswert von 7,00
      b) mit rotem Plättchen ein Erwartungswert von 9,14

      D.h. im Schnitt bekommt man in der Teestube mit Plättchen 2,14 Lira mehr geschenkt fürs erfolgreiche Zocken als ohne. Wie Du siehst, liegt das näher an einer ursprünglichen Vermutung. Du kannst also ab sofort mehr ansagen und mit mehr rechnen… 🙂

      • Danke für den Kommentar. Es gibt viel zu selten Diskussionen zur Mathematik des Brettspiels…

        Meine Rechnung ist in diesem Fall richtig (das ist wahrlich nicht immer so …): 4,91 ist der erwartete Auszahlung(!) wenn ich um die Sieben zocke. Denn mit 58%-iger Wahrscheinlichkeit gelingt der Würfelwurf. Aber auch in den anderen 42% gibt es eine Zahlung von 2 Lira. Die erwartete Auszahlung ist damit E(7) = 7*0,58+2*0,42=4,91.

        Allgemein ist bei Istanbul E(n) = n*P(n) + 2*(1-P(n)), wobei P(n) die Wahrscheinlichkeit ist, eine Ansage zu schaffen. E(n) hat bei 7 mit 4,91 sein Maximum.

        Du hast natürlich Recht, dass es immer um Wahrscheinlichkeitsverteilungen geht. In meinem Beispiel ist es halt die Verteilung der Ergebnisse mit zwei Würfeln größer gleich 7 Würfeln und dies zu gewichten. Dein Ergebnis von 7, bzw. 9,14 sind die Mittelwerte der beiden Verteilungen. Hermann hat einfach die aufaddierten Wahrscheinlichkeiten – d.h. P(n) – eine Ansage zu erfüllen angegeben.

        Ich verzichte meistens auf die mathematischen Hintergründe meiner Überlegungen. Denn ich vermute, dass dies die meisten Leser nicht interessiert.

        Viele Grüße,
        Peter.

  2. Hier nochmal für die Nerds von euch, mit Erwartungswert und Standardabweichung.
    Den größten Erfolg erzielt man mit der Vorhersage 6(W1) bzw. 7(W2-Mit 4er Würfel).
    Begründung:
    Erwartungswert W1 in etwa wie bei Vorhersage 7, aber kleinere St.Abw.
    Erwartungswert W2 in etwa wie bei Vorhersage 8, aber kleinere St.Abw.

    Ohne 4er Würfel
    SUMME Chance Chance >= Erwartungswert St.abweichung
    2 1/36 100,0% 2,00 0,00
    3 1/18 97,2% 2,97 0,16
    4 1/12 91,7% 3,83 0,55
    5 1/9 83,3% 4,50 1,12
    6 5/36 72,2% 4,89 1,79
    7 1/6 58,3% 4,92 2,47
    8 5/36 41,7% 4,50 2,96
    9 1/9 27,8% 3,94 3,14
    10 1/12 16,7% 3,33 2,98
    11 1/18 8,3% 2,75 2,49
    12 1/36 2,8% 2,28 1,64

    Mit 4er Würfel
    SUMME Chance Chance >= Erwartungswert St.abweichung
    5 1/36 100,0% 5,00 0,00
    6 1/12 97,2% 5,89 0,66
    7 5/36 88,9% 6,44 1,57
    8 7/36 75,0% 6,50 2,60
    9 2/9 55,6% 5,89 3,48
    10 1/4 33,3% 4,67 3,77
    11 1/18 8,3% 2,75 2,49
    12 1/36 2,8% 2,28 1,64

    Hier noch die Exceltabelle dazu:
    https://www.dropbox.com/s/ezd02y6tdjzfqdl/Ist_Chance%20W%C3%BCrfelwurf.xlsx?dl=0

    Gruß Timo

  3. Mit neu würfeln
    SUMME Chance >= Erwartungswert St.abweichung
    5 100,0% 5,00 0,00
    6 97,6% 5,90 0,09
    7 90,7% 6,54 0,44
    8 78,5% 6,71 1,14
    9 60,5% 6,23 2,15
    10 38,9% 5,11 3,05
    11 13,4% 3,21 2,86
    12 5,5% 2,55 2,21

  4. Kleiner Nachtrag, doch lieber 8 tippen.

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