Ein bisher wenig beachteter und doch vielfältig eingesetzer Trick in der Spielelandschaft ist der Mac Guffin. Dieser von Alfred Hitchcock geprägte Begriff beschreibt Dinge, die zum Vorantreiben einer Handlung wichtig sind, ohne dass irgendwelche Details von ihnen von Interesse wären. In Spielfilmen wird häufig von ihnen Gebrauch gemacht. In Ronin dreht sich zum Beispiel die gesamte Handlung um einen Koffer, dessen Inhalt bis zum Ende nicht enthüllt wird. Bei Spielen wirken Mac Guffins subtiler, indem mit ihnen Themen mit wenigen Worten motiviert werden. Auch Palais Royal nutzt einen: Die Spieler sollen Adlige mittels Dienern im Schloßgarten anwerben um Einfluss zu erlangen.

Warum der Einfluss nun unbedingt notwendig ist und welche Rolle die Spieler in dem Reigen der Diener und Adligen einehmen, wird von der Regel nicht verraten. Soweit so gut, schätzungsweise 99% aller Spieler wird die kleine Einleitung vor der Regel eh ignorieren. Allein im Namen "Palais Royal" schwingt schon so viel Atmosphäre, dass es eigentlich nicht notwendig ist, weiter aufs Thema einzugehen. Detailversessene Spieleklassifizierer würden solche atmosphärischen Spiele von themengetriebenen abgrenzen. Zum Beispiel sei da der Garten des Sonnenkönigs genannt, durch dessen gesamte Regel sich die Hintergrundsgeschichte zieht und nur wenige Motivationsfragen offen lässt.

Um endlich zum Spiel zu kommen: Die Spieler sind also auf der alt bekannten Jagd nach Siegpunkten. Der Rundenablauf gestaltet sich erschreckend hausbacken. Reihum macht jeder seinen Zug, während die Mitspieler in die Luft starren, die Kater streicheln oder gemütlich vor sich hin dösen. Das wirklich originelle des Spiels ist der Zug-Aktionsmechanismus: Die Position der Spielfiguren bedingt die Aktionsmöglichkeiten eines Spielers. Das eigentliche Spiel findet dabei nicht auf dem Spielplan ab, denn der zeigt nur einen Garten und dient als Auslage der noch verfügbaren Siegpunktmarker. Neben dem Spielplan wird zufällig ein Schloss mit neun Räumen ausgelegt, durch das die Diener – auch bekannt als Pöppel – eilen. Jeder Raum hat eine spezielle Wirkung. Zum Beispiel legt die Anzahl der eigenen Diener im Treppenhaus die Zahl der Bewegungspunkte fest. Ein anderer Raum generiert einen Louisdor für jeden anwesenden Lakaien, und ein weiterer ermöglicht das Anwerben der Adligen – den Siegpunktplättchen. Diese wollen zusätzlich mit Geld und Siegeln umworben werden. Dazu sind wiederum Bedienstete in anderen Gemächern notwendig.

Wer nun aber einen Adligen anwirbt, entfernt alles benötigte Personal aus dem Schloss und legt es in seinen persönlichen Hof – und ja, es gibt auch noch die Provinz wie bei El Grande. Von hier können weitere Diener in Lohn und Brot genommen werden. Natürlich gibt es eine weitere Kammer, die festlegt wie viele Dienstboten zu Beginn der nächsten Runde den Palast neu betreten dürfen. Schließlich gibt es noch ein paar Regeldetails, die in Spielen dieser Art wohl niemals fehlen dürfen: Einige der angeheuerten Blaublüter verleihen Spezialfähigkeiten in Form von Bonussiegeln oder Extrabewegungspunkten. Auf ihre im Garten verbleibenden Kollegen gibt es im späteren Spiel Rabatt, wodurch einige überhaupt erst bezahlbar werden. Es gibt sowohl während der Partie als auch am Ende des Spiels Belohnungen für Mehrheiten an Dienern im Schloss oder Garten. Unabkömmlich sind natürlich auch die Aktionskarten, die zusätzlich gekauft werden können und Siegpunkte bringen oder Bonusaktionen erlauben.

Das Spiel endet nachdem die meisten Adligen von der Wiese abgegrast wurden, die Spieler zählen danach ihre Siegpunkte und der Sieger darf sich über den größten Einfluss freuen. Was ihm das bringt, interessiert nicht weiter. Ein typischer Zug bei Palais Royal läuft etwa wie folgt ab: Ich wandle durch den Lustgarten mit meiner Mätresse, ihre lächelnden Honiglippen nähern sich gerade – PETER – it`s your turn! – ich wache auf und betrachte verschlafen das Spielsituation. Nun rechne ich genau alle Möglichkeiten durch und wähle den bestmöglichen Zug aus. Dabei versuche ich in den ersten Runden, möglichst viele Spezialadlige zu nehmen. Besonders die mit Extrabewegungspunkten scheinen vorteilhaft. In den späteren Runden greife ich zu den dicksten Siegpunkten.

Da nun auch mein rechter Nachbar schon wieder glasige Augen hat, brauche ich mich nicht weiter zu beeilen und kann noch etwas weiter ausholen: Wichtig ist es, in wirklich jeder Runde mindestens einen Adligen zu bekommen. Auch eine tolle Karte sollte nach Möglichkeit gekauft werden, denn die lohnt sich immer. Auch Erfahrungen mit einem oder mehreren rundenbasierten Aktionspunktspielen sind recht hiflreich. Deren üblichen Strategien funktioneren auch bei Palais Royal vorzüglich. Nur sparen sollte man nicht zuviel. Denn es ist wichtig, möglichst viele Diener pro Zug durchzusetzen.  Wenn der Vorat an Dienern im Hof zur Neige geht, kann man keine neuen in den Eingangsbereich des Schlosses mehr setzen. Damit sie einen Vorteile bringen, müssen sie sich aber in andere Schlossbereiche bewegen. Wer es also schafft, jede Runde alle Diener vom Hof in lukrative Räume des Schlosses zu bringen und gerade soviele wieder zu entfernen, wie in der nächsten Runde benötigt werden, hat eine starke Position. Je nach Grundriss des Schlosses bieten sich hierfür unterschiedliche Optionen.

Beim Anwerben der Adligen ist zu beachten, dass die am Gartenrand stehenden durch einen eigenen Diener ausgetauscht werden, die Carcassonnebauern gleich zu Spielende Punkte bringen und im weiteren Spiel schmerzlich fehlen.  Da mich nun doch einige der Mitspieler etwas genervt anfunkeln, ziehe ich jetzt meine Diener auf ihre neuen Positionen, kaufe meinen Wunschadeligen und eine tolle Karte. Dann wecke ich meinen linken Sitznachbarn und versinke wieder in eine andere Welt, in der ich mehr Einfluss habe und deshalb von den Reichen und Mächtigen angehimmelt werde. Die Bedeutung von Einfluss kann gar nicht hoch genug bewertet werden.

Scharfes Nachdenken wird bei Palais Royal durch Erfolg belohnt. Obwohl Spiele auch mal sehr knapp enden, ist der Grund des Gewinns immer erklärbar. Der Schlüssel zum Sieg kann dabei unterschiedlich begründet sein. Manchmal ist es der frühzeitige Erwerb eines Adligen, der zusätzliche Aktionen erlaubt. Manchmal ist es die Mehrheit im Gemach des Kardinals, der alle Gleichstände bricht. Manchmal ist es der gewonnene Endspurt um die Mehrheiten im Garten.Manchmal ist es ein wenig Glück bei den tollen Karten.

Pausentatze
Prädikat: Pausentatze
1 von 3 Siegeln
Prädikat: 1 von 3 Siegeln

Umgekehrt ist den Verlieren oft auch klar, warum sie verlieren. Manchmal überkommt sie die Erkenntnis, nicht mehr gewinnen zu können, auch schon nach der Hälfte der Partie. Denn bei Palais Royal wird Habenden noch mehr gegeben. Palais Royal ist also ein typischer Vertreter der Optimierspiele mit wenig direkter Interaktion und hohem Grübelpotenzial. Dabei sollte man die Taten der Mitspieler durchaus beachten. Nur planen und agieren kann immer nur der aktive Spieler. Wer sich daran nicht stört und sich nach Java und Torres auch noch über Mexica freute, wird auch viel Spaß mit Palais Royal haben. In der richtigen Gruppe mögen wir diese Spiele – nur: das Spiel dauert locker 90 Minuten, in voller Besetzung werden etwa 7 Runden gespielt. Wer sich also daran stört, nur alle 10 Minuten zum Zuge zu kommen, sollte gewarnt sein. Aus diesem Grunde wird Palais Royal zusätzlich mit einer [cref von-huehnern-und-evolution Grübeltatze] ausgezeichnet.

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