Der heutige Bericht beginnt mit einem schon hinglänglich bekannten Motiv der letztjährigen Innovation: Der Yvio.
In diesem Jahr scheint sich bei Yvios nichts geändert zu haben. Ein, zwei neue Spiele, sonst der gleiche Stand. Dieser Eindruck drängt sich bei vielen Spielen und Herstellern auf. Immer mehr solide entwickelte Neuheiten buhlen um die Käufergunst. Im Detail unterscheiden sie sich nur noch in Nuancen. – Ähnlich erfrischende Innovationen wie letztes Jahr (Pandemie, Professor Pünschge…) sind kaum aufzuspüren. Damit ist der Messetrend gesetzt: Was sich verkauft, wird umgepackt und neu vermarktet. – Man könnte auch von der neuen Sparte der Déjà -vu Games sprechen.
Peter Nos
Machtspiele von Maximilian Thiel bei: eggertspiele
Kein Déjà -vu Gefühl gibt es bei Machtspiele, meinem bisherigen Messehighlight. Nur vier Siegpunkte gilt es als Führungskraft in einem Konzern zu erringen. Miss- und Vetternwirtschaft sowie Korruption sind dabei die Werkzeuge der ersten Wahl. Zwar führt jeder Spieler reihum und altbekannt eine Aktion durch, doch deren Auswirkungen sind nicht leicht zu durchblicken. Wir spielten zwar nur eine halbe Partie, dabei entstand aber schon der Eindruck, dass viele Wege zum Sieg führen können. Genügend Interaktion und viel spielerische Freiheit führen dabei aber nicht ins spielerische Chaos.
Einzig eine Kleinigkeit hält mich von höchsten Jubeleien ab: Das Thema – dieses passt schon fast zu perfekt zum Mechanismus. Dadurch taucht man tiefer in den Alltag des Arbeitslebens ein als einem im Urlaub lieb ist. – Jedes andere Thema hätte das Spiel aber verschlechtert.
Peter Nos
Dito ist ein typisches Assoziationsspiel, das gleichgerichtetes Denken belohnt. Ein Thema wird vorgegeben, und die Spieler sollen geheim einen Begriff dazu malen oder schreiben. Übereinstimmungen bringen Punkte. Déjà -Vu: Mit Linq, Dixit, Wie ich die Welt sehe, Nobody is Perfect, Barbarossa und Graffitti fallen mir spontan eine Reihe von originelleren Umsetzungen dieses Themas ein.
Peter Nos
tictactactic bei: tictactactic.com
Kein tolles Spiel, aber eine nette Innovation ist tictactactic. Mit neun Kuhlen in einem suppentellerartigen Brett wird Tic Tac Toe gespielt. Ähnlich wie beim Roulette rollen die beiden Spieler abwechselnd eine Kugel am Rand entlang. Ein Stopper ermöglicht die Ablenkung der Kugel ins Brettinnere. Damit gilt es, eine Reihe von drei Kugeln zu bilden. Erschwerend gibt es die Möglichkeit, schon liegende Kugeln wieder zu verschieben. Aus einem langweiligen Tic Tac Toe wird damit zumindest ein schön anzusehendes, lockeres Geschicklichkeitsspiel. Es macht einfach Spaß, die Kugeln rollen zu sehen. Allein der Preis ist dem Gag nicht angemessen.
Peter Nos
Strada Romana von Walter Obert bei: Giochix Edizioni
Stau mal anders: Im alten Rom treffen sich Gespanne auf dem Weg von links nach rechts oder gerade umgekehrt auf der Straße. Unterwegs kann in jedem Zug je ein Nachfrage- und ein Angebotsklötzchen eingesammelt werden. Am besten gleichfarbig, denn nur eine passende Kombination kommt in die Wertung – alles andere schlägt mit Minuspunkten zu Buche. Die Punkte ergeben sich aus folgender Multiplikation: Anzahl der Kombinationen in der besten Farbe mal Anzahl unterschiedlicher gesammelter Farben. Um zu sammeln, müssen ein oder mehrere Gespanne bewegt werden – und nur an den Zielen der Bewegung darf gesammelt werden. Da heißt es zu entscheiden: Lieber auf Sicherheit – also gleichfarbig – sammeln? Dann ergeben sich die möglichen Züge recht schnell. Oder auf Risiko, mit der Gefahr, Minuspunkte zu kassieren? Die resultierende Optimieraufgabe konnte uns nicht wirklich vom Hocker hauen.
Kathrin Nos
Horse Fever von Lorenzo Silva und Lorenzo Tucci Sorrentino bei: Cranio Creations
Pssst, wir verraten Ihnen ein Geheimnis: Wir haben eine kleine Schwäche für die Italiener mit ihrem wunderbaren Akzent bei englischen Erklärungen. Nicht nur das war ein guter Grund für uns, Horse Fever zu testen. Auch die opulente Ausstattung und thematisch passende, liebevolle Dekoration des Standes machten uns neugierig. Zumal wir im Vorfeld noch gar nichts von Spiel oder Verlag gehört hatten. Und wir wurden nicht enttäuscht: Der Erklärer hatte es drauf, unterhaltsam ins Spiel einzuführen. Ach so, und gespielt haben wir auch. Die Familienversion bietet ein kleines Wettelement, sowie die Möglichkeit der Verbesserung von eigenen oder die Sabotage fremder Wett-Favoriten. Das Rennen selbst läuft vollautomatisch. Da war uns einiges des Guten zuviel: Etliche Regeln, verwirrendes Material, Auswertung der einflusslos verlaufenden Rennen. Fazit: Leider ist kein Italiener in der Schachtel. Damit ist Horse Fever für uns kein Mitnahmespiel.
Kathrin Nos
Zockato bei: Baier & Keuchler GbR
Das chili-scharfe Design in rot auf schwarzem Grund lenkte unseren Blick auf das Kartenspiel Zockato. Wir nahmen Platz und lauschten der Erklärung. Schnell waren die Regeln begriffen: Jeder sagt die Anzahl der gewonnen Stiche voraus, diese verlaufen wie in gängigen Kartenspielen. In jeder Runde gelten jedoch andere Zusatzregeln, die Abwechslung ins Spiel bringen. Der Ertrag einer angesagten Stichzahl kann selbst bestimmt werden – womit ein Wettelement hinzu kommt. Das ergibt eine neue Mischung geläufiger Mechanismen.
Viel interessanter als die Probepartie war jedoch das ausführliche Gespräch mit dem Verlagsinhaber und Autor im Anschluss an die Proberunde. Denn das Spiel entstand in Runden mit der Familie. Ohne vorher viel Kontakt in der Spieleszene zu haben, begann der Autor mit der Konzeptionierung. Nach intensiver Recherche entstand ein solides und gleichzeitig praktisches Design, das überdies die Möglichkeit bietet, als Werbegeschenk gestaltet zu werden. Der eigene Arbeitgeber orderte sogleich eine recht große Stückzahl mit dem Firmenlogo. An den bisherigen zwei Messetagen konnten bereits viel versprechende Kontakte geknüpft werden. Insgesamt ein beachtlicher und beeindruckender Einstieg eines Neulings!
Kathrin Nos
Sumeria von Dirk Liekens bei: Reiver Games
Beim Plausch mit Freunden und Bekannten sperren wir immer weit die Ohren auf, um Tipps und Empfehlungen aufzuschnappen. Nach unserer Partie Zockato schlenderten wir weiter durch Halle 4 und erhielten schon wenige Ecken weiter den Hinweis auf Sumeria. Noch schneller kann man wohl nicht auf eine solche reagieren, denn nur etwa eine Minute später saßen wir schon an einem Tisch des Verlages.
In sechs Runden wird Sumeria gespielt. Am Ende jeder Runde kommen drei von neun Provinzen in die Wertung, bei der insgesamt sechs Farbplättchen für Mehrheiten vergeben werden. Am effektivsten punkten möglichst lange Reihen derselben Farbe. Der Clou: Durch die Veränderung der Mehrheiten verändert sich die Reihenfolge der zu wertenden Provinzen. Hat sich irgendwo eine Mehrheit zementiert – so dass niemand mehr aktiv werden will – kann sich die Position nicht mehr verbessern. Zwangsläufig rutscht die entsprechende Provinz nach hinten und wird somit regelrecht von den umkämpfteren Orten überholt. Und jeder hat pro Runde nur drei Aktionen, um ins Geschehen einzugreifen! Fazit: Zum Glück sind wir der Empfehlung sofort gefolgt!
Kathrin Nos
Eine weitere Innovation haben wir heute doch noch aufspüren können: Schon länger sind ulkige Regeln zur Bestimmung von Startspielern beliebt. Mal beginnt der grünste Spieler, nur noch selten der jüngste, häufiger derjenige, der am längsten auf einem Bein hüpfend „Itschi itschi gicki docki boiing“ trällern kann.
Bei Horse Fever gibt es nun ebensolch moderne Methoden zum Auflösen von Siegpunkgleichständen. Dazu wird ein sechsfarbiger Würfel geworfen und folgende Tabelle konsultiert:
Mal sehen, wann solch nette Regelauflockerungen die breite Masse der Spiele erreicht und den ewig gleichen Satz „Der Spieler mit den…“ ersetzt.
Peter Nos
[cref.from spiel-09-auftakt-der-berichterstattung]
[cref.from spiel-09-vorschau-teil-2]
[cref.from spiel-09-vorschau-teil-3]
[cref.from spiel-09-vorschau-teil-4]
[cref.from spiel-09-mittwoch]
[cref.from spiel-09-donnerstag]
Vielen Dank für den Tipp zu „Sumeria“! Ein wirklich gutes und schönes Spiel mit sehr eleganten Regeln!
Bitte gerne! Es freut uns sehr, dass dir unser Bericht weitergeholfen hat – danke für deine Rückmeldung! Alles Gute von Kathrin und Peter.