Blaue Schachtel, orange-roter Schriftzug, Tier im Mittelpunkt: Wer bei Stories nicht an [cref eselsbrucke] denkt, kennt wohl jenes geniale Erzählspiel von 2011 nicht. Michael Menzel durfte erneut seinen Ideenreichtum beweisen und die Spieler mit witzigen Ideen inspirieren. Nur der Autorenname ist ein anderer. Eselsbrücke wurde von Stefan Dorra und Ralf zur Linde entwickelt, Stories von Thomas Odenhoven Kaller. Letzterer begegnete den Spielern als Autor der Spiele Portobello Market (ebenfalls Schmidt Spiele) und Die Dolmengötter (eggertspiele), die er vor seiner Heirat unter dem Namen Thomas Odenhoven veröffentlichte.

Bei Stories ist der Name Programm. Reihum erzählen die Spieler Geschichten. Vor Beginn jeder Geschichte, für die zwei mögliche Anfänge zur Auswahl stehen, schreibt jeder der Mitspieler fünf Begriffe auf. Jeder dieser Begriffe, der schließlich in der Geschichte vorkommt, bringt dem entsprechenden Spieler Punkte. Der Erzähler erhält so viele Punkte wie der Mitspieler, der durch seine Begriffswahl die meisten Punkte erzielen konnte.

Bild von StoriesMit diesen wenigen Sätzen ist das Konzept des Spiels erklärt. Die Zeit für die Geschichte beträgt die Länge einer Sanduhr. Wer als Zuhörer seine Felle davonpaddeln sieht und befürchtet, dass die eigenen Begriffe nicht so schnell vorkommen könnten, darf zwischenfragen und so versuchen, die Story in eine genehmere Richtung zu lenken. Bis zu zwei Mal ist das erlaubt – kostet aber Minuspunkte. Natürlich nur so viele, dass die Bilanz positiv bleibt, wenn dann tatsächlich ein passender Begriff herausgekitzelt werden kann. Die Punkteregelung ist damit trickreich. Denn für den Geschichtenerzähler gilt: Er will am liebsten mit genau einem Mitspieler übereinstimmen. Eine total abstruse Story zu erzählen ist da nicht hilfreich. Zwar punktet mehr, wer einen Begriff als einziger aufgeschrieben hat, also von sonst niemandem notiert wurde. Doch gezielt auf einmalige Begriffe zu spielen ist nahezu unmöglich.

Mit Stories haben wir sehr unterschiedliche Erfahrungen gesammelt. Wir hatten Partien, in denen das Spiel prima klappte. Die erzählten Geschichten waren spritzig und unterhaltsam, die Zwischenfragen wurden gut aufgegriffen, zwischendurch gab es emotionale „JA!“-Rufe, wenn ein eigener Begriff vorkam. Das vorzeitige Ende – alle fünf Begriffe eines Spielers kamen vor – sorgte für Furore, wenn plötzlich jemand „Stop!“ rief. Und hinterher wurde dem Erzähler leidenschaftlich „vorgeworfen“, was er noch alles Wichtiges (= Aufgeschriebenes) hätte erleben können oder besser: sollen. Der Fun-Faktor war groß, die Bedeutung der Punkte niedrig, und alle mussten sich das Zwerchfell halten, so sehr wurde gelacht. Beim öffentlichen Spieletreff oder beim [cref spieletreffen-in-altleiningen] schwankten die Blicke von Spielrunden am Nebentisch zwischen Neugier – was ist da so lustig? – bis hin zu leichter Gereiztheit – muss das so laut sein?

In anderen Runden wirkte der Ablauf eher gezwungen. Die erzählten Geschichten trafen nur selten die aufgeschriebenen Begriffe oder gerieten zum fieberhaften Aneinanderreihen von Begriffen, um nur ja möglichst viele Treffer zu landen. Das Erzählen gerät dann in den Hintergrund. Die Reaktion auf die Zwischenfragen führten fast nie zum Erfolg – oder die Fragenden steuerten überoffensichtlich auf bestimmte Begriffe hin. Es wurden sogar Powergamer-Aspekte diskutiert. Denn wenn ich so erzähle, dass die anderen ihre Begriffe „abhaken“ können, dann punkten die ja! Skandal! Also würde mancher Erzähler am liebsten so erzählen, dass nur die Person punktet, die hinter ihn auf der Punkteleiste liegt. Doch dadurch wird das Spielprinzip ad absurdum geführt. Natürlich zeichne ich hier die Extreme, aber wer ist nicht zumindest ab und an ein bisschen Powergamer? Diskussionen wie die geschilderten kamen vor allem in kleineren Runden auf. Die lustigsten Partien hatten wir eher in größerer Besetzung, in der alle munterer drauf los spielten und erzählten.

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Prädikat
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1 von 3 Schlangen
Was bedeutet dies nun für Stories? Ganz klar: Es kommt sehr auf die Runde an. Ein Selbstläufer wie Eselsbrücke stellt Stories nicht dar. Emotionale Erlebnisse sind allemal drin, allerdings gelten mehr „Wenns“: Wenn die Runde unbefangen an die Sache herangeht, wenn sie beim Erzählen mitfiebert, wenn ihr spontane Zwischenfragen gelingen, wenn sie sich über satte Punkte freuen kann, … Doch auch die „Dann“-Seite hat was zu bieten: … denn dann freuen sich neue Spieler über einen leichten Zugang zu einem Spiel, dann haben sie schnell Erfolgserlebnisse, dann ergeben sich kurzweilige Runden, dann mag man ab und an gerne die eine oder andere Runde mit Stories verbringen.

2 Kommentare

  1. Aha, Stories – darauf war ich schon gespannt, wie das bei Euch ankommt. Ich glaube, ich nehm das Fazit für uns mal als Kaufempfehlung.

    Bei uns ist Eselsbrücke durchgefallen, weil keine Geschichten erzählt wurden, sondern nur Begriffe aneinandergereiht: „Ein Cowboy fand eine Kiste, in der waren eine Zahnbürste und eine Landkarte. Fertig.“ In völlig unterschiedlichen Besetzungen, leider. War eine reine Gedächtnisübung, und das macht zumindest mir keinen Spaß. Mieses Kurzzeitgedächtnis …

    Ich könnte mir vorstellen, dass Stories zu besseren (fantasievolleren) Stories führt. Oder vielleicht doch Dixit, das Ihr mir ja schon einmal empfohlen habt – bisher ehrlich gesagt ohne Konsequenzen 😉 Noch eine Frage: Wie ist eigentlich im Vergleich „Es war einmal“, das wurde doch kürzlich neu aufgelegt?

  2. Hallo Florian,

    vielen Dank für deinen Kommentar! Ja, Eselsbrücke kann ebenfalls je nach Runde besser oder schlechter funktionieren. Wir hatten auch Partien mit Leuten, denen es gar nicht gelegen hat. Die Mehrheit unserer Runden war aber voll von Geschichten, an die man sich selbst viel später noch gerne erinnert.

    Ergeben sich bei Stories fantasievollere Stories? Kann, muss aber nicht. Um möglichst viele Begriffe der Mitspieler zu treffen, versucht man ja eher, die naheliegendste Storyline zu finden und zu verfolgen. Wir hatten aber auch Runden, in denen ganz verschiedene Stories dann zumindest lose verknüpft wurden. Das bringt vielleicht spieltechnisch wenig Gewinn (schadet aber bei gut dosiertem Einsatz auch nicht), sorgt aber für viel Gelächter und gute Laune.

    Dixit ist immer noch ein Spiel, das uns sehr am Herzen liegt. Es geht natürlich weniger ums Geschichtenerzählen, aber die Verbindung der Bilder mit den Themen (was kann man alles im Bild sehen?) berührt mich einfach emotional. Aber auch Dixit kann scheitern mit Leuten, denen es nicht gelingt, Themen zu finden.

    „Es war einmal“ kennen wir leider gar nicht. Daher können wir dir hier keine Rückmeldung geben.

    Alles Gute wünscht
    Kathrin.

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