Turing Machine ist keine Turing Machine im Sinne einer Turingmaschine. Eher ist es eine Würdigung der Leistung, die Enigma zu knacken. Turing Machine ist auch kein wirkliches Spiel. Eher ist es eine intuitive, deduktive Knobelaufgabe mit Gimmick. Das Gimmick sind Lochkarten. Lochkarten assoziieren natürlich immer wieder Computer, und Computer sind bekanntlich endliche Turingmaschinen. Aber Turing Machine ist nicht Turing-vollständig. Die Lochkarten erlauben es nur, Hypothesen zu prüfen, ganz ähnlich wie eine Turing-Bombe.
Verwirrt? Der Titel des Spiels ist halt ziemlich ungeschickt gewählt. Immerhin ist es ein Anlass, sich mal wieder mit dem Werk und Leben des genialen, namensgebenden Mathematikers zu beschäftigen. Dies ist kompliziert, da er in seinem zu kurzem Leben so viel bewirkte und leistete. Mit dem Konzept der Turingmaschine legte er die Grundlage aller modernen Computer und beschrieb, was Computer grundsätzlich leisten können und was eben nicht. Aktuell bekommt sein eher philosophischer Turing-Test zur Klärung der Fähigkeiten von KI-Systemen wieder viel Aufmerksamkeit.
Populär ist er für seine Arbeit in Bletchley Park während des Zweiten Weltkriegs, wo etliche Menschen daran arbeiteten, die Codes der Enigma zu knacken, was die Menge der Romane und Filme zum dem Thema belegt. Wir haben im letzen Urlaub in England auch einen Tag in Bletchley Park verbracht, um dieser Geschichte näher zu kommen. Bei der Besichtigung der originalen Baracken stieg nochmal die Ehrfurcht vor der intellektuellen Leistung, Codes mit minimalen technischen Möglichkeiten zu dechiffrieren.
Dramatisch wie sein Leben war aber auch Alan Turings früher Selbstmord. Gefangen zwischen den Gesetzen wider die Homosexualität und dem Zwang der Geheimhaltung seiner Leistungen trieb ihn die bigotte Nachkriegsgesellschaft in den Freitod. Viel zu spät wurde die Tragödie erst aufgedeckt und seine Rehabilitation gestartet. Damit wäre Turings Leben ein guter Stoff für eine moderne Oper. Oh, eben hat mich Kathrin darauf hingewiesen, dass sie letztes Jahr in Nürnberg uraufgeführt wurde.
Beim „Spiel“ gilt es einen dreistelligen Code mit den Ziffern 1 bis 5 zu erraten. Vorgegeben sind einige Aussagen zur Deduktion. Mit einem raffinierten Lochkartensystem lassen sich Tipps zu den Aussagen verifizieren und damit Stück für Stück der Code deduzieren. Teste ich zum Beispiel die Aussage „Der Code hat eine gerade Summe“ mit den Zahl 123 und bekomme als Ergebnis „nein“, so weiss ich, dass der Code eine oder drei ungerade Ziffern haben muss. Hätte ich früher schon herausgefunden, dass die dritte Ziffer größer als die erste und zweite ist blieben nur noch die Codes 113, 115, 124, 135, 214, 223, 225, 234, 245, 324, 335, 425, 445. Zwei Zusatzregeln verkleinern nun den Ergebnisraum enorm: Jede Aussage ist notwendig und das Ergebnis ist eindeutig. Nehmen wir an, dass eine Aussage die Anzahl der Dreien zählt und eine letzte die beiden ersten Ziffern in Relation setzt. Dann muß die Drei einmal oder keinmal vorkommen, bei zwei Dreien wäre die letzte Aussage schon beantwortet. 113 und 223 sind auch keine Lösungen, da sich hierdurch die Aussagen nicht unterscheiden lassen.
So lassen sich mit sehr, sehr wenigen Rateversuchen viele Codes konstruieren. Das erfordert natürlich auch ein sehr genaues Nachdenken. Da es bei Turing Machine aber nicht wirklich um das Lösen der Aufgaben geht, sondern darum, möglichst wenige Tipps zu geben, gewinnt das Spiel unweigerlich die Spielerin, die am präzisesten nachdenkt und genau überlegt, welcher Tipp die meisten Informationen bringen könnte. Das Gimmick mit den Lochkarten kommt damit leider viel zu selten zum Einsatz.
Der Solomodus hat mich irgendwie aber auch nicht begeistert, da das gewisse Aha-Erlebnis guter Puzzles fehlt. Am Ende geht es immer wieder nur darum, Ziffern auszuschließen und überlappende Aussagen zu identifizieren. Das Prinzip funktioniert aber wunderbar, doch die Zielgruppe des Siels ist vermutlich klein. Als tolles Konzept bekommt Turing Machine aber einen Platz in unserer ständigen Sammlung. Auf den Tisch darf es aber nur selten kommen.
P.S. Die beiden Notwendigkeits- und Eindeutigkeitsregeln, die die Leichtigkeit aus der Deduktionsspielerei eliminieren, sind vermutlich nicht nur eine regeltechnische Notwendigkeit, sondern können eine weitere Referenz auf die Schwächen der Enigma sein. Die bekannte Tatsache, dass sie Buchstaben nicht auf sich selbst verschlüsselte, ließ durch viel Nachdenken eine Menge Möglichkeiten ausschließen. In Bletchley Park ging es aber wohl auch viel um Intuition und geschicktes Raten. Jeder Rateversuch kostete viel Zeit und Energie und es ging eigentlich nur um die Zeit. Turing Machine ist damit eigentlich eine sehr gelungene Idee die Arbeit des Dechiffrieren spielerisch umzusetzen.
Toller, sehr interessanter Artikel. Finde ich sehr toll – gerne mehr davon.
Vielen Dank, liebe Sarah! Wir werden sicher das eine oder andere Experiment wagen… Alles Gute von Kathrin.
Hallo
Ich würde gerne Mal zu dem nächsten Spieleabend dazu kommen. Finde es toll das es sowas gibt.
LG Daniela