Vor den Toren von Loyang

Was mag von diesem Spiel erwarten, wer nur den Titel hört? Wem das chinesisch vorkommt, liegt nicht so schlecht. Doch was sich vor den Toren so zutragen mag, könnte sich auch im militärischen Bereich abspielen. Etwas Hintergrundinformation mag weiterhelfen: Zusammen mit Agricola und Le Havre gehört dieses Spiel per Definition zur so genannten „Ernte-Trilogie“. Wie in den beiden anderen Trilogie-Spielen geht es vor Loyang friedlich zu. Als Händler versuchen die Spieler, den meisten Profit zu erwirtschaften. Insgesamt sechs Gemüsesorten können sie dazu anbauen. Die Ernte-Erträge werden der Kundschaft feilgeboten. Was nicht der Nachfrage entspricht, kann eingetauscht werden.

Die Aufgabe in jeder der neun Runden lautet: Zunächst werden eigene Felder abgeerntet. Je eine Einheit Gemüse pro Feld wirft die Ernte ab. Zu Beginn besitzt jeder Spieler nur ein Feld, das zugleich als Rundenanzeiger dient, denn sobald alle neun angebauten Früchte eingebracht wurden, ist das Feld leer und das Spiel zu Ende. Ein weiteres Feld erhält jeder Spieler pro Runde regulär hinzu.

Motor des Handels und Verkaufs sind die Karten, von denen im Anschluss an die Ernte jeder Spieler zwei erhalten wird. In einem pfiffigen Tauschmechanismus müssen die Spieler reihum entscheiden, ob sie aus einem offenen, sich nach und nach füllenden Pool an Karten eine wählen und eine aus der Hand ausspielen – oder ob sie lieber auf ein besseres Angebot warten und zu diesem Zweck eine eigene Handkarte in den Pool einfügen.

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Wer also zwei Karten besitzt, die er gerne einsetzen möchte, muss eine davon zunächst in den Pool geben und hoffen, dass bis zum nächsten eigenen Zug kein anderer Spieler diese auswählt. Ferner gibt die Reihenfolge des Aussteigens die Spielerreihenfolge für die folgende Aktionsphase vor: Wer sich später entscheidet, ist früher dran. Da die Aktionen weitgehend interaktionsfrei sind, hat sich Uwe Rosenberg eine Optimierung für vier Spieler ausgedacht: Jeweils zwei Spieler spielen im Team und überwachen sich gegenseitig bei der Ausführung ihrer Aktionen. Nur zwischen diesen beiden kann Interaktion stattfinden, so dass beide Teams diese Phase parallel spielen können. Entsprechend gestaltet sich die Spieldauer zu dritt am längsten, da hier alle drei Spieler nacheinander aktiv werden. Durch die weiterhin sequentielle Kartenphase dauert das Spiel zu viert dennoch länger als zu zweit. Mehr noch: Es spielt sich am besten zu zweit!

In der Aktionsphase kann man sich zunächst um das Bestellen der eigenen Felder kümmern. Eine Gemüse-Einheit wird benötigt, um auf einem Feld auszusäen. Je nach Größe des Feldes wird dieses in den folgenden drei bis sechs Erntephasen Erträge bringen. Die teuren Gemüsesorten wie Bohnen und Porree benötigen kleinere Felder und sind entsprechend schneller abgeerntet. Für das Saatgut kann man zuvor geerntetes Gemüse verwenden – doch so gelingt es nicht, neue Sorten zu erhalten. Für diese kann man Saatgut bei Händlern eintauschen oder auch teuer einkaufen. Jeder Spieler hat hierzu einen „Laden“, der in bescheidenem Umfang auch mal den Verkauf von Gemüse für einen kleinen, aber in manchem Moment vielleicht entscheidenden, Gewinn abwirft. Im direkten Austausch gegen ein – oder manchmal auch zwei – Gemüseeinheiten tauschen die Händler ihr angebotenes Gemüse. Womit wir mitten in die Erklärung der zuvor erhaltenen Karten gelangen.

Materialtechnisch clever gelöst bildet jeder Spieler eine eigene Auslage. In T-Form besitzt jeder einen Plan, der die Plätze für das eigene Material angibt. In der Mitte befindet sich die eigene Siegpunktleiste. Oben quer bietet der eigene Laden seine Waren feil. Über dem T-Stück haben die Gemüsefelder ihren Platz. Rechts und links reihen sich die Karten in vier verschiedenen Sorten, die durch ihre Symbole gut erkennbar ihren Platz finden. Eine Kartensorte bilden die Händler. Drei Gemüsesorten haben sie im Angebot. Sobald alle drei Täusche ausgeführt wurden, entschwindet der Händler auf den Ablagestapel.

Zwei Kartensorten werden von den Kunden gebildet. Die anspruchsvolle Stammkundschaft wünscht in jeder Runde mit derselben Gemüsekombination aus zwei Einheiten beliefert zu werden. Wer seine Felder so bepflanzt hat, dass den Wünschen der Stammkunden genau entsprochen werden kann, erhält so ein sicheres und lukratives Einkommen. Doch wehe, das passende Gemüse kann nicht geliefert werden. Einmal toleriert dies der Kunde, doch ab dem zweiten Mal wird eine Konventionalstrafe von zwei Geldeinheiten fällig. Einfacher zu bedienen sind die Laufkunden, denn diese warten geduldig auch über mehrere Runden ab, bis ihr Wunsch aus drei Gemüse-Einheiten genau erfüllt wurde.

Die vierte Kartensorte besteht aus den Helfern. Diese nützlichen Genossen erlauben eine bessere Ernte, einen billigeren Einkauf von Saatgut, den Tausch bei Händlern der Mitspieler, und allerlei andere praktische Dinge. Freilich kommt insbesondere durch sie ein kleines Verzögerungselement ins Spiel, denn ihre genaue Funktion muss von Neulingen erst mal in Ruhe gelesen und verstanden werden. Und es ist gar nicht mal so einfach, die Möglichkeiten der Mitspieler im Blick zu behalten. Können sie einem selbst vielleicht einen Kunden oder Helfer abwerben und so die eigenen Pläne über den Haufen werben?

Doch zurück zu den Aktionen. Das Hantieren der Gemüse-Erträge unter Einsatz der unterschiedlichen Karten steht im Mittelpunkt. Durch viele kleine Regeln ist die Aufgabe des Tauschs und Handels anspruchsvoll. Die Reihenfolge erlaubt weitere Optimierung. Manches Mal merkt man erst während der Aktionen, dass es anders herum eigentlich praktischer wäre – also alles zurück?! Eine gewisse Toleranz sollten die Mitspieler an den Tag legen. Denn Fehler können hart bestraft werden. Mancher Spieler musste bereits früh erkennen, dass er nicht mehr um den Sieg mitspielen wird. Jetzt noch mehr als zwei Stunden mitspielen zu müssen, kann bitter aufstoßen. Wer nicht an der Reihe ist, sollte außerdem seine Mitspieler freundlicherweise durch Anreichen von Geld oder Gemüsesteinen unterstützen. Denn in Loyang findet viel Verwaltung statt! Darüber tritt ein wenig das Spielerische in den Hintergrund – das Gefühl des Handelns kommt nur mittelbar zum Tragen.

Die Siegpunkte werden jeweils am Ende der Runde gekauft. Eine Geldeinheit kostet der erste erstandene Siegpunkt immer. Jeder weitere schlägt mit seiner aufgedruckten Zahl zu Buche – je weiter der Siegpunktstein voranschreitet, desto teurer wird es also. In meinen Runden waren zum Sieg meist 18 Siegpunkte nötig. Bei Gleichstand gewinnt dann, wer noch das meiste Geld übrig hat – also sozusagen den größten Anteil am nächsten Siegpunkt vorbereitet hat.

Vor den Toren von Loyang ist insgesamt eine überdurchschnittlich komplexe Optimierungsaufgabe. Für die Regelerklärung benötigt man ein wenig Übung, um den Einstieg für neue Mitspieler übersichtlich und verständlich zu gestalten. Da in jeder Runde meist mehr Entscheidungsmöglichkeiten durch ertragreichere Ernten oder die verfügbaren Karten bestehen, nimmt die Spieldauer pro Runde in der zweiten Hälfte zu. Dadurch gestaltet sich der Spielablauf mit steigender Rundenzahl immer länger. Dem Spannungsbogen kommt dies nicht zugute. Mit steigender Spielerfahrung kann man die mögliche Ausbeute einige Partien lang verbessern, doch irgendwann stößt man an die Grenzen des Möglichen. Spätestens dann lässt der bis dahin vorhandene Reiz leider nach.

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Prädikat
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2 Kommentare

  1. Ich kann die Solovariante sehr empfehlen. Die Optimierung der eigenen Auslage wird zu einer großen Herausforderung, denn die Auswahl an Karten bzw. das Nehmen der Karten wird gänzlich anders geregelt als im Mehrpersonenspiel. Klingt vielleicht komisch, aber mich hat das Solospiel sehr, sehr überzeugt und es macht mir – nach wie vor – weitaus mehr Vergnügen als eine Partie mit mehreren Spielern.

  2. Hallo Dieter,

    da hast du mich glatt erwischt. Die Solovariante habe ich nicht getestet, denn im allgemeinen sind wir daheim schon zu zweit. Dies hätte ich in der Rezension sicherlich auch klar schreiben können oder gar sollen. Wir haben Loyang primär und gerne zu zweit gespielt. 🙂

    Alles Gute von
    Kathrin.

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