Wunderland – ist doch klar, das ist die Story mit Alice. Oder nicht? Auch spielerisch hat jenes Wunderland mit verrücktem Hutmacher und weißem Kaninchen etwas zu bieten, denn mit Parade versetzen die Wunderland-Bewohner uns Spieler mit einem einfachen wie trickreichen Karten-Nehm-Mechanismus in die Welt von Lewis Carroll. Dieses kleine, reizvolle Kartenspiel lernten wir letztes Jahr bei einem Spielewochenende kennen und schätzen. Nur leider konnten wir bisher kein Exemplar auftreiben. Wer also eines anzubieten hat …

Dass „Wunderland“ für viele Menschen eine ganz andere Assoziation hervorruft, habe ich erst seit Erscheinen des neuen, gleichnamigen Spiels von Pegasus gelernt. Das Miniatur Wunderland in Hamburg hat sich in einer Parallelwelt von meiner zu einer Besucherattraktion gemausert. Und da unsere Mitspieler unserer öffentlichen Spielerunde im Apfelbäumchen in Nußloch nicht so ignorant sind wie ich, haben sie als Kenner der Hamburger Miniaturwelt das neue Spiel Wunderland heiß herbeigesehnt.

Bild von Wunderland
Die Regeln von Wunderland sind kurz und knackig. Mit acht Personen kann jeder Spieler die sieben Regionen des Wunderlandes bereisen. Das Ziel: Aufträge erfüllen und Postkarten sammeln. Beides bringt Siegpunkte ein. Wer zwei bis vier vorgegebene Zielorte mit je mindestens einer Person erreicht, streicht 15 bis 25 Siegpunkte ein. Und durch Erreichen der Postkartenstände kann man mit einer bis vier Personen entsprechend viele Postkarten einsammeln.

Während die Aufgaben einfach je nach erforderlichem Personaleinsatz punkten, werden Postkarten erst durch verschiedene Sorten wertvoll. Denn die am häufigsten gesammelte Sorte bringt pro Postkarte einen Punkt, die nächsthäufige zwei, und so weiter. Erst wer wirklich aus allen sieben Regionen Postkarten vorweisen kann, erhält für die seltenste Sorte pro Karte sieben Punkte. Damit ist klar: Kleckern lohnt kaum, klotzen hingegen schon.

Um Zielorte für Aufgaben und Postkartenstände zu erreichen, darf jeder Spieler in seinem Zug eine Gruppe von Personen um ein oder zwei Felder bewegen. Alle Figuren vom Startfeld oder eine gewählte Untergruppe davon dürfen mitreisen. Und nicht nur die: Auch die Mitspieler dürfen reihum entscheiden, mitzureisen! Unterwegs aussteigen ist allerdings nicht erlaubt – entweder über die ganze Strecke mitkommen oder gar nicht. Auf diese Weise versuchen freilich alle Spieler, möglichst effektiv von den Bewegungen der anderen zu profitieren und selbst wenige Mitreisemöglichkeiten anzubieten.

Das gemeinsame Reisen erzeugt unter den Spielern ein konstruktives Spielgefühl. Dahinter verbirgt sich jedoch knallharte Taktik. Es gilt genau im Blick zu behalten, wer wohin unterwegs ist und welche Mitreisemöglichkeit suchen könnte. Schnell wird klar, wer mehr auf Aufträge und wer mehr auf Postkarten spielt. Wer gut aufpasst, kann sich überlegen, in welche Richtung man besser keine Mitreisemöglichkeit mehr anbietet, um den anderen keine Reise-Einspar-Möglichkeit zu schaffen.

Das geht sogar noch weiter: Eine mögliche Gewinnstrategie ist das schnellstmögliche Einsammeln von je vier Postkarten aus allen sieben Regionen. Mehr als vier von ihnen dürfen pro Region nicht in die Wertung gebracht werden. Wer ein komplettes Set aus sieben verschiedenen Postkarten besitzt, erhält dafür 1+2+3+4+5+6+7=28 Punkte, bei insgesamt vier dieser Sets also 112. Da gespielt wird, bis entweder ein Spieler beschließt, Postkarten aus allen sieben Regionen vorzuzeigen oder alternativ jemand fünf Aufträge erfüllt, müssen die Auftragsspieler Dampf machen, um einen Postkartenspieler an der Erreichung der siebten Region zu hindern.

Die Postkartenstrategie macht Druck und zwingt die Spieler zum Tempomachen. Es ist aber keine Killerstrategie, wie hier bei Boardgamegeek (in englischer Sprache) beschrieben wird.

Bild von 1 von 3 Miniaturen
Prädikat
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Solange Wunderland ohne den Druck der Postkartenstrategie gespielt wird, ergibt sich ein angenehmes Spielgefühl, und vor allem Gelegenheitsspieler fühlen sich gut unterhalten – vor allem, wenn sie das Wunderland kennen und sich über die vielfältigen Original-Abbildungen freuen. Immerhin sind alle Postkarten und Personen durch Fotos individuell gestaltet. Der Powergamer, der um die Macht der Postkarten weiß, muss alle Kraft in die Vermeidung eines 112-Punkte-Siegs setzen. In diesem Fall gerät Wunderland zum zähnefletschenden Ringen um Vorlagen-Vermeidungen – und führt leider dazu, dass die Angelegenheit allzu ernst wird. Ich persönlich bleibe also lieber bei Spielerunden mit freundlichen, gut gelaunten Mitspielerinnen und Mitspielern, die das ganze unverbissen und vor allem unvoreingenommen angehen.

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