About Time – Das Zeit Spiel

Niemals, wirklich niemals sollten Sie irgendetwas wegwerfen. Nur so als guter Rat von Spieler zu Spieler. So sammelte ich im Jahre anno 1995 in Wien einen wunderbar sinnfreien, grauenhaften Kommentar der Welt, um ihn zu gegebener Zeit der Nachwelt präsentieren zu können. Endlich, nach 15 Jahren, kam der große Augenblick: Das Spiel „About Time“ ist etwa genauso sinnfrei wie jener Kommentar. Nur leider, leider habe ich ihn wohl beim letzten Umzug doch als überflüssig und niemals verwertbar entsorgt. Tut mir leid, auf diesen Witz müssen Sie also jetzt verzichten.

Eie deutsche Ausgabe von About Time kommt mit den Insignien der Zeit daher. Diese Kooperation wirft ein schlechtes Licht auf die Wochenzeitung. Man verstehe mich nicht falsch. Ich bin ein treuer Leser der Zeit. Besonders die Artikel von Harald Martenstein verschlinge ich immer mit großer Freude. (Leseproben gibt es bei der Zeit, sehr lustig ist z.B. diese Folge.) Seit vielen Jahren werden Gesellschaftsspiele jenseits von Scrabble (brrrr) jedoch überaus stiefmütterlich behandelt. Allenfalls im Zeit-Shop werden langweilige Spielchen – wie eben auch „About Time“ – verhökert.

Öffentlicher Aufruf: Liebe Redaktion der Zeit, vor der nächsten Artikelserie über einen weiteren anstehenden Untergang der Kultur als solches – schreibt bitte erst mal wieder über ein paar Gesellschaftsspiele. Eure Expertise zum Thema Spiel ist definitiv knapp unter den absoluten Nullpunkt gerutscht.

Dies zu beweisen fällt mit einem Blick auf About Time ziemlich leicht. Mit viel Material, Regeln und Brimborium wird ein simples wie hässliches Jahreszahlenschätzspiel zur „Reise durch unsere Geschichte“ erhoben. Der Gipfel sind die 8 kitschigen Pöppel. Es stehen folgende historische Spielfiguren zur Wahl:

  • Kleopatra,
  • Jeanne d’Arc,
  • Gandhi,
  • Napoleon,
  • Luther,
  • Beethoven,
  • Elizabeth I. und
  • Shakespeare.

Bild von About Time - Die Zeit

Wenn Sie also schon immer mal wissen wollten, ob Napoleon gebildeter als Gandhi ist, sollten Sie zu About Time greifen – doch nur dann. Originell ist nämlich einzig die Verpackung der Fragekarten und der 52 verkleinerten Titelseiten der Zeit, bei denen es das Erscheinungsjahr zu erraten gilt. Zu allem Überfluss dauert das Spiel auch noch eine Ewigkeit, da die Fragerunden unnötig zäh verlaufen und bei fast allen Fragen immer nur ein Siegpunkt erreicht werden kann. Nur wenn ein Spieler fünf Punkte Vorsprung erreicht und ziemlich viel Glück beim Würfeln hat, kann er versuchen, das Spiel siegreich zu beenden.

Der Spielablauf ist bis dahin reichlich banal: Der Gewinner der letzten Raterunde würfelt und zieht seinen historischen Pappkameraden im Uhrzeigersinn auf ein buntes Fragefeld. Dann wird entsprechend der Farbe des Fragefeldes ein Ereignis vorgelesen, und alle dürfen dessen Jahreszahl schätzen. Wer am nächsten dran liegt, bekommt einen Punkt und darf würfeln. Kleine Sonderereignisse sollen das Spiel auflockern. So gibt es zum Beispiel manchmal Karten, die es einzelnen Spielern erlauben, ein zweites Ereignis zu lesen.

Die Fragen beziehen sich übrigens oft auf Ereignisse der westdeutschen Politik und des Zeitgeschehens zwischen 1950 und 1989. („Die Wahl beschert Franz Josef Strauß die meisten Stimmen. Helmut Schmidt bleibt dank Koalitionspartner FDP aber Kanzler“ – 1980). Wer noch eine DDR-Schulausbildung genoss, kann sich getrost noch einmal darüber freuen, ausgegrenzt zu werden.
Bild von 0 von 3 Zeit-Titelseiten
Prädikat
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Wie bei so vielen Quizspielen bleibt die Antwort unkommentiert. Bei guten Ratespielen wie [cref schatzen-sie-mal], Anno Domini oder [cref fauna] erfahren die Spieler immerhin ein paar Hintergründe. Bei diesen Spielen zählt aber auch mehr als reines Faktenwissen, da kann geblufft, gepokert oder mit etwas Beziehungswissen gepunktet werden. Bei About Time gibt es nur Fragen, Antworten und gähnende Langeweile.

2 Kommentare

  1. Da kommt man direkt auf Ideen für Brettspiele für andere Publikationen: Spiegel-Leser wissen doch angeblich mehr, Bild-Leser bilden sich eine Meinung, Stern-Leser geben Nachrichten ein Gesicht, FAZ-Leser verstecken ihren klugen Kopf und Süddeutsche Zeitungsleser sind anspruchsvoll.
    Also ich sehe, da geht noch was. Irgendein Spiele-Verlag wird sich finden.

  2. Also ich glaube kaum, dass Fragen zur „westdeutschen Politik und des Zeitgeschehens zwischen 1950 und 1989“ mehr als 20% aller Fragen ausmachen. Fragen über Wahlergebnisse in der DDR wären nicht all zu spannend 😉 Ein paar Fragen mehr über Ereignisse in der DDR hätten es aber tatsächlich sein können.
    Bei den Antworten handelt es sich immer um Jahreszahlen, da vermisse ich eigentlich keine grossen Erklärungen. Das liefern ja grob schon die Fragen.
    Hab übrigens auch eine DDR-Schulausbildung und bin wohl auch daher bei vielen der anspruchsvollen Fragen besonders vor 1930 oft überfragt. Aber zum Glück muss man ja nicht wei bei vielen anderen Ratespielen passen sondern schätzt einfach ein Jahr und hat vielleicht Glück, das man am dichtesten dran ist.

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