Alien Frontiers

Das Weltall – Raum des ewigen Krachs und Bumms – doch halt: Da war doch was?! Seit Bernd dem Brot wissen alle: „Im Weltall hört dich niemand Mist sagen!“ Es gibt aber noch ein paar weitere, weniger bekannte Fakten, die gewöhnlich im Science Fiction Genre ignoriert werden.

Der aktuelle Film „Gravity“ versucht in einigen Aspekten präzise zu sein. Das gelingt ihm nicht überall. So ignorierte er an der entscheidenden Stelle die Impulserhaltung. Dies lässt sich aber schon an anderen Stellen nachlesen. Kleinere Details wie relaxierende Seile und ähnliches sind auch nicht sonderlich wichtig. Wichtiger wäre da schon die Sache mit dem Potenzialtopf der Erde, der verhindert, dass herumschwebende Astronauten zu weit ins All hinausdriften. Sie würden eher wie alle anderen Satelliten auch die Erde auf einer Ellipse umkreisen.

Weniger bekannt ist die andere Sache, nämlich die mit dem Luftdruck. Auf der Erde herrscht bekanntlich etwa ein Bar Druck. Ein gut aufgepumpter Fahrradreifen hat 5 und mehr Bar. Das ist zwar stramm, und ein plötzlicher Druckabfall von 4 Bar bei der Fahrt durch einen Nagel ist nicht nett, aber auch nicht sonderlich spektakulär. Jetzt stellen Sie sich mal vor, was passiert, wenn im Weltall eine Tür aufgeht und der Luftdruck von einem Bar entweicht. Ich gebe nur einen Tipp: Viel weniger als in Gravity, trotz Impulserhaltung und fehlender Reibung. Mit einem Feuerlöscher durchs All zu navigieren sollte hingegen ganz gut funktionieren.

Die Vorstellungen, was so alles im Vakuum passieren sollte, passt in keine noch so große Spieleschachtel. Wahrscheinlich kommt das von der ziemlich veralteten Vorstellung des „Horror Vacui“, dass nämlich die Natur das Vakuum vermeidet. Nur noch so viel: Menschen explodieren im Vakuum nicht, sie beginnen auch nicht gleich zu verdampfen. Es gibt aber ein paar Effekte, die neben Sauerstoffmangel den Aufenthalt im Vakuum auf Dauer unangenehm machen.

Bild von Alien FrontiersDie Science Fiction hatte aber auch schon bessere Zeiten, zum Beispiel die goldene Zeit ab 1939, in der Autoren begannen, neben Abenteuern mit Robotern und Raumschiffen auch die Auswirkungen technischer Entwicklungen auf die Menschheit zu reflektieren.

An diese goldenen Jahre und die darauf folgenden Jahrzehnten erinnert Alien Frontiers. (Puhhh, ich befürchtete schon, gar keinen Übergang zum Spiel mehr zu finden, aber gleich geht es wirklich los.) Das gilt nicht allein für das Thema, die Besiedelung eines fremden Planeten, und tolle Geräte wie Plasmakanonen und Gravitationsmanipulatoren. Sondern auch die einzelnen Regionen des Planeten sind nach den großen Autoren der Science Fiction Hochzeit benannt: Stanislav Lem (Solaris), Frederik Pohl (Ehrbare Kaufleute und ein kleiner Krieg auf der Venus), Robert A. Heinlein (Starship Troopers), Frank Herbert (Dune), Edgar Rice Burroughs (John Cater, aber auch Tarzan), Isaac Asimov (I, Robot), Ray Bradbury (Fahrenheit 451) und A.E. van Vogt (The Voyage of the Space Beagle – Inspiration zu Alien).

Eine Partie Alien Frontiers erzeugt damit unweigerlich das Verlangen, mal wieder ein älteres Science Fiction Werk aufzuschlagen. Doch wie geht denn jetzt das Spiel? Tja, es geht gar nichts in diesem Spiel, Raumfahrer fliegen nämlich in Schiffen. Das klingt komisch, ist aber nun mal so. Bei Alien Frontiers haben Raumschiffe die Form von Würfeln. In Anlehnung an die Borg passt das thematisch, und es ist auch praktisch, denn auf den sechs Außenflächen der Raumschiffe sind ein bis sechs Würfelaugen aufgemalt. Damit ist es möglich mit den Schiffen zu würfeln. Wer am Zug ist, würfelt also seine Schiffe und kann sie dann kniffelartig im Orbit des Planetens einsetzen. Dafür gibt es Erz oder Energie, neue Raumschiffe, Entwicklungskarten oder die Möglichkeit Siedler auf dem Planeten abzusetzen. Siedler bringen Siegpunkte und kleine andere Vorteile. Wenn einer alle seine Siedler abgesetzt hat, kommt die Abrechnung. Da es noch Mehrheiten- und Bonuspunkte gibt, muss nicht unbedingt der Schnellste gewinnen.

Drei Dinge machen das Leben der Raumfahrer schwer:

  • (1) Die Würfelergebnisse: Die wirklich tollen Aktionen sind etwas schwerer zu erwürfeln, deshalb ist es ganz praktisch ein paar zusätzliche Raumschiffe zu bauen.
  • (2) Die Rohstoffsituation: Fast alles Gute benötigt Erz und Energie. Jeder darf davon aber nur acht Einheiten lagern.
  • (3) Die dicken Raumschiffe der doofen Mitspieler: Die eingesetzten Würfel eines Spielers bleiben nämlich liegen, bis er wieder dran ist. Da für jede Aktion aber nur wenige Felder gibt, passiert es öfters, dass die bevorzugte Aktion gar nicht verfügbar ist.

Alien Frontiers ist also eine Mischung aus Workerplacement und Kniffel. Und ein klein wenig knifflig ist es wirklich, die Würfel optimal umzusetzen. Etwas Glück ist schon dabei, und am Anfang dauern die Züge etwas länger. Wenn aber alle Spieler den Mechanismus durchdrungen haben, nimmt das Spiel Tempo auf, und der Glückfaktor nimmt ab. Denn es ist durchaus möglich, Mitspieler zu behindern sowie zu verhindern, dass einer sich zu große Vorteile erspielt. Das benötigt aber Übung und eine gute Einschätzung der aktuellen Spielsituation.

Bild von 1 von 3 Gravitations-Manipulatoren
Prädikat
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1 von 3 Gravitations-Manipulatoren

Leider ist Alien Frontiers immer noch nicht auf Deutsch erschienen. Vermutlich liegt dies am Thema. Es gibt einfach zu wenige Science Fiction begeisterte Spieler. Dabei ist Alien Frontiers wirklich ein gutes Spiel.

5 Kommentare

  1. Tach Peter.
    Dann auch mal als bisher bloß trafficschluckender passiver Leser eures Blogs ein wenig reaktives texting. Danke für diese Rezi, da mich das Spiel (gerade thematisch – es gibt sie also doch die brettspielenden SciFiler) anspricht und es schon auf meiner ausufernden To-Buy(-oder-doch-lieber-dem-Geldbeutel-wegen-nicht)-Liste steht.
    Dass es aber immernoch nur auf Englisch erhältlich ist, wundert mich, weil es längst als internationale, also auch deutschsprachige Version angekündigt worden ist als „Alien Frontiers Aurora“
    http://www.cliquenabend.de/spiele/529200-Alien-Frontiers-Aurora.html

    Gerade all die Anspielungen (die spielmechanisch aber keine weitere Bedeutung haben?) finde ich klasse und sehr passend wie stimmig (Foundation-Zyklus bereitliegend und Lem sowieso ).
    Aber ich harre da gerne noch aus, zur SPIEL ist sowieso wieder mal viel zu viel rausgekommen, um das alles angemessen abarbeiten zu können;).

    Grüße
    Dominic

    • Hallo,
      leider wird die internationale Neuauflage „Alien Frontiers Aurora“ (ein Crowdsourcing-Projekt auf ulule.com) gerade zum Ärgernis. Das Projekt wurde mehr als 100% finanziert, nur leider hört und sieht man seit einem knappen Jahr nichts mehr von Weiterkommen des Projektes (sprich Produktion) und der Verantwortliche meldet sich auch nicht mehr wirklich. Lest euch mal die Kommentare durch: http://de.ulule.com/af/comments/
      Spiele Grüße.

      • Also die 4. englische Auflage dürfte in den nächsten Wochen rauskommen, sieht sehr gut aus. Die würde ich mir besorgen, wenn man das Spiel noch nicht hat. Eigentlich muss man ja nur die Kartentexte verstehen, was ja auch nicht so schwer ist, wenn zumindest eine Person mitspielt, die einigermaßen gut Englisch kann. (Ist natürlich nicht befriedigend, wenn man die polnische Ausgabe unterstützt hat.)

  2. Sag ich doch: Das beste Kickstarter-Spiel, das ich kenne, und ich kenne mittlerweile so einige… Es funktioniert auch super mit Gelegenheitsspielern, die Catan und Ähnliches mögen, und mal was „Amerikanisches“ ausprobieren wollen. Hier ist meine Rezi zum Spiel: http://www.reich-der-spiele.de/kritiken/Alien-Frontiers

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