Erstveröffentlichung im Januar 2010 in der Fairplay 90.
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Am Anfang war das Spiel
Selten dauerte die Vorbereitung auf eine Rezension so lange. Stunde um Stunde – Abend um Abend – viele Wochen lang. Bis der Cliffhanger kam und erstmal Schluss war damit: Der zweite Teil der dritten Staffel erschien erst im Oktober auf DVD, der Veröffentlichungstermin der vierten Staffel ist bisher noch gar nicht bekannt. Zum Glück können wir auf gute Freunde setzen, die eine wohlsortierte Science Fiction Sammlung besitzen: Spiele, Bücher – und DVDs. Denn nach den ersten Partien des Spiels BATTLESTAR GALACTICA begannen wir leichtsinnigerweise, die Serie anzusehen. Der Redaktionsschluss zur FAIRPLAY 89 geriet beinahe in Vergessenheit darüber.
Und nun nähern wir uns der Ausgabe 90. Die dritte Staffel, Teil zwei, liegt schon ein paar Straßen weiter bei unseren Freunden, aber wir halten geduldig die Füße still. Nein, dieses Mal kommt erst die Fairplay, dann das Vergnügen. Wie bitte? Sie meinen, als Rezensentin der Fairplay müsste ich sowieso vor Vergnügen quieksen? So nette Kollegen, so viele Spiele, so viel Freiheit beim Schreiben?! Aber klar, ich lasse Sie auch gerne mal mitmachen. Vielleicht kann ich Ihnen sogar noch geschickt einen Obolus dafür rauskitzeln, dann könnten wir uns bald den Vierfarbdruck leisten.
Doch bevor ich in die falsche Galaxis abbiege, versuche ich den Dreh zurück zu Kobol zu kriegen. Dies ist der Planet, auf dem die Menschheit von BATTLESTAR GALACTICA ursprünglich siedelte. Von dort zog es sie weg zu den Zwölf Kolonien, wo sie mit Hilfe der Zylonen, roboterähnlichen Maschinen, wuchsen und gediehen. Blöderweise fingen die mechanischen Viecher irgendwann an, sich gehen ihre Befehlshaber zu wehren, zettelten einen zerstörerischen Krieg an und verfolgten die Menschheit auf ihrer Flucht zur ersehnten Erde.
Genau hier setzt das Spiel BATTLESTAR GALACTICA an. Jeder Spieler übernimmt die Rolle eines Protagonisten der Serie. Zehn Charaktere stehen zur Auswahl. Dabei sorgt der Verteilmechanismus dafür, dass sowohl die politische als auch die militärische Führung repräsentiert werden. Gar nicht dumm erscheint es auch, einen guten Piloten anzuheuern. Denn im Falle eines Angriffes durch die Zylonen können diese am besten den Titel gebenden Battlestar verteidigen.
Das Ziel der Menschen: Überleben! Mit der Technik der Überlichtgeschwindigkeit können sie den brenzligen Angriffen der Zylonen immer wieder entkommen. Jeder Überlichtsprung bringt sie näher zur Erde. Überwinden sie die Distanz bis dorthin, sind sie gerettet und gewinnen das Spiel. Wenn – ja wenn! – die bösen Zylonen nicht wären. Hinterhältigerweise haben diese eine Möglichkeit entwickelt, genau wie Menschen auszusehen. Entsprechende Exemplare wissen gar nicht notwendig von ihrem Zylon-Sein.
Genau dieses Überraschungsmoment wird im Spiel geschickt aufgegriffen. Jeder erhält zu Beginn des Spiels eine Information darüber, ob er Zylon ist oder nicht. Wen es auf diese böse Seite verschlägt, verfolgt ein eigenes Spielziel, das selbstredend nicht dasselbe ist wie das der Menschen. Die Zerstörung oder das Entern des Battlestars führt zum Sieg der Zylonen. Alternativ triumphieren sie, wenn den Menschen mindestens eine der vier dringend benötigten Ressourcen ausgeht.
Doch selbst wer zu Beginn aufatmet, weil er Entwarnung erhalten hat: „Sie sind kein Zylon“ kann sich noch nicht sicher sein. Etwa nach der Hälfte des Spiels erfolgt eine zweite Runde. Jeder erhält eine erneute Information über die eigene Identität. Mancher muss zu diesem Zeitpunkt entdecken, dass er doch eine Maschine ist! Wer sich bis dahin zu sehr für die Menschen verausgabt hat, verbaut sich selbst die Chancen auf einen Sieg als „Böser“.
Dadurch mag sich in der ersten Spielhälfte niemand zu sehr anstrengen. Wer andererseits womöglich bereits weiß, dass er Zylon ist, wird sich bedeckt halten. Nur keinen Verdacht aufkommen lassen! Geschickte Spieler können jedoch trotzdem bereits ein wenig Sand ins Getriebe streuen. Etwa durch unterlassene Hilfeleistung, indem gute Karten eben nicht gespielt werden. In dieser Hinsicht fühlt man sich gelegentlich an die Rolle des Verräters aus SCHATTEN ÜBER CAMELOT erinnert.
Der Zug eines Spielers beginnt mit dem Aufnehmen von Fertigkeitskarten. Jeder Charakter erhält Karten in unterschiedlicher Zusammenstellung. Die zivilen Anführer glänzen in „Politik“ oder Militärs in „Taktik“, beide übernehmen gelegentlich auch „Führerschaft“. Piloten brillieren mit „Technik“ und besonders im „Raumkampf“. Jede dieser fünf Fertigkeiten ist durch einen eigenen Kartenstapel repräsentiert.
Danach ist zunächst eine Bewegung erlaubt. Diese kann zu einem beliebigen Raum innerhalb des Kampfsterns führen oder zum Präsidentenschiff „Colonial One“, in dem die zivile Führung untergebracht ist. Am Zielort kann entweder die Aktion einer Fertigkeitskarte oder des aktuellen Raums durchgeführt werden. Die Möglichkeiten reichen von weiterem Kartennachschub über den Angriff von Zylonenschiffen bis hin zur Neuwahl des Präsidenten oder Inhaftierung eines Mitspielers. Letzeres ist besonders anzuraten, falls sich jemand verdächtig zylonisch verhält.
Ansonsten befindet sich die Menschheit sozusagen in einer immerwährenden Krise. Am Ende jedes Spielerzuges muss eine solche bewältigt werden, indem eine entsprechende Karte gezogen wird. Jetzt verlieren die Spieler entweder direkt Ressourcen oder müssen sich einem Zylonenangriff stellen. Oder sie haben eine so genannte „Probe“ zu bewältigen. Hier sind die Fertigkeitskarten der passenden Arten gefragt. Bei einem internen Aufstand wegen knapper Ressourcen oder gefälschter Wahlen helfen „Politik“ und „Führerschaft“, bei der Lösung von Problemen mit dem Schiff oder bei Sabotage etwa „Technik“, „Taktik“ oder „Raumkampf“.
Reihum steuern die Spieler verdeckte Karten bei, um die Probe zu bestehen. Zwei zufällig hinzugelegte Karten sorgen dafür, dass die Zuordnung zu den Spielern verschleiert wird, und ferner spielt hierdurch der Zufall ein wenig mit. Das Ziel: Mit den zwei bis vier passenden Farben soll ein vorgegebener Wert erreicht werden! Jede Karte besitzt einen Wert, der bei passender Farbe positiv, ansonsten aber als Minuswert gezählt wird und damit die Probe erschwert. Natürlich wird genau beobachtet: Wer beteiligt sich? Wer könnte passende Karten auf der Hand halten? Wie viele nicht passende Karten wurden beigelegt? Welche Informationen lassen sich daraus erschließen? Wer hat sich womöglich verdächtig gemacht?!
Hier knistert es vor Spannung, und vor allem sind ständig alle gefragt, aufmerksam das Spielgeschehen zu beeinflussen und zu verfolgen. Selbst bei fünf oder sechs Spielern hält sich somit die Wartezeit in Grenzen. Und mindestens vier Spieler sollten es schon sein. Denn bei drei Spielern kommt es häufig zu der Situation, dass ein Spieler von vornherein offensichtlich gar keine passende Karte legen kann – weil er etwa weder die gerade erforderlichen „Politik“- noch „Führerschaft“-Karten erhält. In einem solchen Fall bleiben nur zwei Spieler, die sich an der Probe beteiligen. Damit wird alles ziemlich berechenbar – welcher Zylon würde bei dieser direkten Beweislage schon eine negativ zählende und damit potenziell Verdacht erregende Karte legen wollen?
Die Krisenkarten steuern ferner die Aktivitäten der Zylonenflotte und geben vor, welche Truppenteile angreifen. Auch das Vorankommen der Menschen auf dem Weg zum nächsten Überlichtsprung wird durch diese multifunktionalen Karten vorgegeben.
Auch jede Fertigkeitskarte erlaubt unterschiedliche Einsätze. Alternativ zu ihrem Wert bei einer Probe kann ihre Funktion eingesetzt werden. Dies kann die Möglichkeit einer eigenen Aktion sein, um etwa auf Erkundungsflug zu gehen und damit eine Vorschau auf die nächste Krise zu erhalten. Andere Karten können in Verbindung mit bestimmten Aktionen benutzt werden. Als Pilot freut man sich etwa über die Möglichkeit, mit Hilfe einer passenden „Raumkampf“-Karte einen missliebigen Würfelwurf im Gefecht mit einem Zylonenschiff wiederholen zu dürfen. Selbstredend besitzen Karten mit mächtigen Funktionen einen hohen Kartenwert, so dass die Entscheidung schwer wird: Einsatz in der Krise oder als Aktion?
Bis hierher ist sicher deutlich geworden: Wer sich an die erste Partie BATTLESTAR GALACTICA wagt, hat eine nicht unerhebliche Regellektüre zu bewältigen. Drei Stunden Einarbeitungszeit habe ich benötigt. Die Erklärung zur ersten Partie dauerte gut eine Stunde. Die Spielregel erschwert dabei das Nachschlagen bei offenen Fragen – trotz eines recht ausführlichen Inhaltsverzeichnisses mit Stichworten.
In den späteren Partien ist das Erklären dann nur noch halb so schlimm und geht mehr als doppelt so schnell. Denn nicht jedes Detail kommt in jeder Partie zum Tragen. Entsprechend reicht es, im entscheidenden Moment den neu hinzukommenden Ablauf zu erklären oder in der Regel nachzuschlagen. Wer regelfest ist und den Überblick behält, kann seine Runde sogar sofort losspielen lassen und dabei nach und nach die Räume mit ihren Aktionen und weitere Details erklären. Beim ersten Zug liest dann jeder die Besonderheiten seines Charakters vor und lernt schrittweise die Aktionen in den Räumen der „Galactica“ und des Präsidentenschiffes „Colonial One“ kennen.
Das reizvollste und damit zentrales Spielelement ist die Frage: Wie spielt man erfolgreich für bzw. gegen die Zylonen? Die Zylonen dürfen sich im Laufe des Spieles enttarnen. Ein guter Moment dafür ist es, wenn die Verdachtsmomente steigen. Und wer etwa als Präsident oder Admiral eine Entscheidung zu Zeiten der Krise treffen muss und rein zufällig den Menschen mit einer passenden Wahl so richtig eins reinwürgt, sollte sich tunlichst als Nächstes zu erkennen geben. Denn wer im Knast landet, verliert die Möglichkeit, die individuell zugeloste, böse Zylonenaktion einzusetzen. Wer offen als Zylon auftritt, erhält eine neue Auswahl an Aktionen. Die zylonischen Spieler können etwa die Angriffe durch feindliche Schiffe verstärken oder sich auf das Auslösen weiterer Krisen verlegen. Doch auch in der Tarnung als Mensch lässt sich einiges anstellen. Besonders, wenn es gelingt, andere Mit-Zylonen zu finden und mit ihnen zu kooperieren. Gemeinsam gelingt es womöglich, andere Spieler in den Knast zu werfen oder die wichtigen Ämter des Admirals oder Präsidenten zu übernehmen.
Und wie schaffen die Menschen das Überleben? Eine gute Idee ist sicherlich die Enttarnung der Zylonen. Ferner muss es gelingen, die oftmals allzu knappen Ressourcen zu optimieren und zu sparen. Je nach Partie kann der Treibstoff auszugehen drohen, weil die Überlichtsprünge zu viel davon benötigen, ohne Nachschub in Reichweite zu finden. Ein anderes Mal drohen die Verluste bei der Bevölkerung Überhand zu nehmen. Je nach Reihenfolge der Krisenkarten können die Angriffe durch Zylonenschiffe einen hohen Einfluss nehmen – oder bei deren Ausbleiben die armen Piloten zu Aktivitäten an Bord des Kampfsterns zwingen. Ganz nach amerikanischer Bau- oder besser Spielart nimmt BATTLESTAR GALACTICA von Partie zu Partie einen immer wieder anderen Verlauf. Das kann gelegentlich zu recht schnellen Entscheidungen führen, wenn nämlich alles für oder gegen eine der beiden Parteien läuft.
Doch zumeist sind die Entscheidungen extrem knapp, sobald das Finale naht. Manches Mal entschied der letzte Zug über Wohl oder Wehe der Menschheit. Wer befürchtet, es könnte zu schwer oder zu leicht für die Menschen werden, verändert die Startressourcen.
Nimmt man all die Atmosphäre durch Charaktere mit ihren durch kleine Spielmechanismen ausgeschmückten Schwächen und Stärken weg, könnte man gar gehässig sagen, dass man das Ergebnis auch hätte auswürfeln können. Doch welcher Würfelwurf vermag es schon, eine Spannung aufzubauen, die über zwei oder drei Stunden Spielzeit hinweg anhält und währenddessen durch immer neue Wendungen gut zu unterhalten weiß? Und wer sich im Anschluss ans Spiel die Fernseh-Serie anschaut, wird schnell merken: Die wesentlichen Elemente des Spiels sind dort reflektiert. Aber denken Sie daran: Die Serie hat verdammt viele Folgen. Sagen Sie also bei akutem Zeitmangel nicht, ich hätte Sie nicht gewarnt!
Kathrin Nos
Battlestar Galactica begeistert uns nun schon seit einiger Zeit, und das gilt auch für die Serie.
Und wieder ist eine Fairplay Ausgabe (FP91) geschafft. Doch diesmal wurde sie nicht vom Kampfstern behindert, denn die letzten Folgen besorgten wir uns schon zum Jahreswechsel aus Großbritannien.
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Peter Nos
Prädikat:
3 von 3 Zylonen