Bonnie and Clyde

Nun ist es mir auch passiert! – Als Gelegenheitskrimileser streifte ich letztens rastlos durchs Buchgeschäft auf der Suche nach einem neuen Roman mit coolen Gangstern oder brutalen Agenten. Klappentexte durchschnittlicher Krimis sind etwa so orginell wie die Themen von Mittelalterhandelsspielen mit sechseckigen variablen Spielfeldern:

Eine Mordserie hält eine beschauliche Gemeinde Nordfinnlands in Schrecken. In seiner Brutalität kennt der Täter keine Grenzen. Als die junge Kommissarin ihm auf die Spur kommt, wird ihre Tochter von Geheimdienstkreisen entführt. Was als harmloses Folter(v)erbrechen begann, wird so zur persönlichen Tragödie. Denn dunkle Geheimnisse drohen ans Tageslicht zu kommen, deren Anfänge schon vor 100 Jahren in Südafrika begannen….

So oder ähnlich werden durchschnittliche Krimis beworben. Die restlichen 500 bis 1000 Seiten und auch die 13 Folgebände sind entsprechend vorhersehbar. Dann lachte mich aber das Debut „Miss Winters Hang zum Risiko“ von Kathryn Miller Haines an. Das Thema: „Junge erfolglose Schauspielerin auf Mördersuche während des zweiten Weltkriegs“ klang vielversprechend, und ein Aufkleber „Geheimtipp“ wies auf die verborgenen Qualitäten des Buches hin.

Schon fast wider Erwarten gefiel mir das Buch sehr gut. So machte ich mich gleich auf die Suche nach weiteren Büchern mit „Miss Winter“ und surfte auch nach anderen Lobpreisungen, um vielleicht ähnliche Werke aufzuspüren. Umso größer war die Enttäuschung, als ich die Meinungen der Vielkrimileser unter die Augen bekam.

So urteilt zum Beispiel die Kriminalakte:

etwas zu viel für einen netten Softboiled-Krimi, der sich wie eine etwas längliche Mischung aus einem Vierziger-Jahre-B-Krimi und einem süßlichen Hollywood-Melodrama zwischen Künstlergarderobe und Gangsterkneipe liest.

Auch die Krimilady urteilt:

So gar nichts Komisches konnte ich in der Schreibweise der Autorin entdecken. „Sie war so willkommen wie Rasiercreme-Reklame im Grand Canyon.“

Was soll ich schreiben? Natürlich haben die beiden Rezensionen Recht mit ihrer Kritik. – Und doch werde ich gerne ein weiteres Buch der Autorin lesen.

Bild von Bonnie and Clyde

Nun zum Spiel Bonnie and Clyde: Krimispiele werden momentan gern verlegt. Ähnlich dem Buchmarkt misslingen leider viele Versuche jämmerlich. Allerdings gibt es schon seit längerem die Serie „Mystery Rummy“, die gerade wegen der spielerischen Leichtigkeit überzeugen kann.
Das Spielprinzip basiert immer auf den langweiligen, althergebrachten Romméregeln: Erst lange sammeln und dann schnell Kombinationen auslegen und punkten. Neben stimmungsvoll gestalteten Karten bringen die Spiele von „Mystery Rummy“ jeweils einige wenige Sonderregeln Stimmung und Abwechslung ins Spiel.

Bei Bonnie and Clyde wird zum Beispiel mit jeder Auslage ein Auto auf den nächsten Tatort der beiden Killer gezogen. Dabei kann Bonnie oder Clyde zwecks Extrapunkten aufgespürt werden. Passen die ausgelegten Karten immerhin zum aktuellen Tatort, so wird ihr Wert verdoppelt.
Das Spiel ist auf Tempo ausgelegt und gleicht einer Verfolgungsjagd. Eine Runde dauert selten länger als zehn Minuten, und eine ganze Partie ist spätestens nach vier Durchgängen beendet.

Es gibt nur zehn verschiedene Kartenwerte. Deren Design ist überaus gelungen, da sich die Motive aller Karten unterscheiden. Aneinandergelegt erzählt jede Sorte die Geschichte einer Straftat von „Bonnie and Clyde“. Alls alleinige Sonderkarte gibt es den Bullen Ted, der es erlaubt eine Karte des Ablagestapels oder zwei verdeckte Karten zu nehmen. Als dritte Option kann er die Tatorte ausspähen und so gezielt nach Bonnie and Clyde suchen.

Nicht nur jene, die insgeheim doch gerne Rommé spielen, werden sich mit „Bonnie and Clyde“ durchaus anfreunden können. Süßholzraspler könnten somit das Lied vom netten Absacker anstimmen. Bösen Zungen sei auch das abwertende Urteil „einfallsloser Einheitsbrei, von dem es schon zuviel gibt“ zugestanden. Das Kartenspiel ist zwar kein spielerischer Meilenstein, aber es gelingt ihm durchaus zu gefallen. – Ich halte es in diesem Fall wie mit den Abenteuern von Miss Winter und freue mich an dem gut gemachten spielerischen Fast Food.

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