Der Hexer von Salem

Praktischerweise muss der Kampf des Guten gegen das Böse nicht weiter motiviert werden. Das ist das Gute am Bösen. Insbesondere wenn nicht nur das Überleben der Menschheit, sondern der ganzen Galaxie auf dem Spiel steht.

Im Cthulhu-Mythos gibt es eine ganze Reihe von Schreckgestalten. Die übelsten Unheilbringer denken aber nicht in den Kategorien von Gut und Böse, und so schlafen die alten Götter in den Tiefen des Alls. Werden sie erweckt, vernichten sie – ohne es weiter wahrzunehmen – mit einem kleinen Rülpser unser gesamtes Planetensystem. Inklusive Pluto. Regeldiskussionen oder Plädoyers über die Ungerechtigkeit des Glücks helfen gegen sie auch nicht weiter. Schon ein kurzer Blick auf die Konsequenzen des Grauens zieht immerwährenden Wahn nach sich.

Wackere Helden vermeiden deshalb besser jeden Kontakt mit dem Bösen und beschäftigen sich deshalb lieber mit harmlosen Brettspielen oder banalen Büchern. Doch auch dort lauert das Böse. Sogar in den seichten Gespenstergeschichten von Wolfgang Hohlbein:

„Bis hierhin un nich weiter, Mister“, brummte der Fahrer…

(…16 DinA4 Seiten Kurzgeschichte…)
… Nur ihr gemeinsam könnt mit vereinten Kräften die Rückkehr der GROSSEN ALTEN jetzt noch verhindern und das Unheil aufhalten, das die Welt bedroht! Ich werde alles daran setzen, um euch dabei zu unterstützen.“

Aus: „Das Grauen von Arkham oder Das Spiel beginnt“ von Wolfgang Hohlbein.

Diesmal kann ich wahrlich nicht über eine zu kurze Motivation des Spielgeschehens klagen. Angespornt und unterstützt vom Hexer persönlich nehmen Jenny Baxter, Maggie Sterns, David Foster und Tom Furlong den Kampf gegen gleich sechs schlummernde große Alte auf. Die Menschheit wird nur überleben können, wenn sie alle Portale verschließen, mit dem Nekronomikon die Schatten aller großer Alten erwecken und den einen in R’lyeh Hausenden bannen. Dazu muss sich einer der vier Recken durch einen Geheimgang mit drei speziellen Gegenständen dem Monster nähern. Dann kann schließlich ein anderer Held das letzte Portal an der Miskatonic Universität schließen.

Der Hexer von Salem

Verlieren ist leichter und endet immer mit einem Picknick mit Monstern:

  • Vergeht zuviel Zeit, bevor der letzte Alte aufgedeckt wird … macht Cthulhu einmal „Haps!“.
  • Bleibt der sechste Alte zu lange ungebannt … kann Yog-Sothoth nur noch „Mahlzeit!“ gewünscht werden.
  • Wird der dritte Held wahnsinnig … freut sich Hastur über eine knusprige Erdkugel.
  • Wird eine Wand ohne Portal versiegelt, entsteht ein neues Dimensionsloch … und Nyarlathotep kann einmal zufrieden rülpsen.

Um ein wenig Spannung ins Spiel zu bringen, behindern noch Horden von fiesen Kreaturen die unseligen Abenteurer. Um ihre Aufgaben zu erfüllen, bewegen sie sich zu verschiedenen Orten von Arkham, um dort Gegenstände zu sammeln, Portale zu suchen und zu verchließen, Monster zu besiegen oder im Nekronomikon zu lesen. In all dem Chaos eilt noch der Hexer hektisch und zufällig umher und versucht zu retten, was kaum noch zu retten ist.

Eine Menge schöner Schnörkel verkomplizieren noch den eigentlich einfachen Ablauf des Spiels: Monster aufdecken, Figur bewegen, Aktion ausführen, Gegenstand einsammeln, Hexer ziehen. Die Einstiegspartien geraten deswegen gerne etwas chaotisch. Merkwürdig erscheint eine Regel, nach der Informationen über die Portale nicht direkt ausgetauscht werden dürfen. Mit subtilen Hinweisen lässt sie sich einfach aushebeln.

Die Welt ist beim Hexer von Salem nicht leicht zu retten. Einige fehlgeschlagene Versuche bedarf es schon, bis der erste Triumph gefeiert werden kann. Neben den allgemein bekannten kooperativen Tugenden: Aufopferungsbereitschaft, Zielorientierung und Abstimmung ist auch ein gutes Timing und etwas Mut zu Lücke hilfreich. Zu früh sollten die Schatten der großen Alten nicht erforscht werden. Sobald aber klar wird, dass die meisten Portale gefunden wurden, sollten sie beherzt aufgedeckt werden. Ein Spieler muss sich dem sechsten von ihnen dann entgegenstellen. Das Spiel auf Zeit und Sicherheit dauert zu lange und geht regelmäßig verloren. Wenn sich die Gruppe zu sehr aufs Bannen der kleineren Gefahren konzentiert, wird sie bald von den riesigen Schrecken überrannt.

Die kurze Spieldauer, der ordentliche Glücksanteil und der wohlige Horror motivieren nach verlorenen Runden zu weiteren Versuchen. Auch nach erfolgreichen Partien bleibt das Spiel spannend und herausfordernd. Der Spielablauf ist jedoch immer ähnlich, einzig weitere Handicaps im Spielaufbau erlauben es, den Schwierigkeitsgrad zu erhöhen. Dafür sind die Zufallselemente des Nachziehens von Gegenständen und Monstern aber gut ausgewogen.

Im Vergleich mit Arkham Horror scheint der Hexer von Salem zunächst nur ein familientaugliches Plagiat zu sein. In beiden Spielen müssen in Arkham Monster besiegt und Portale geschlossen werden. Nicht nur die Regeln von Arkham Horror sind länger, auch die Spieldauer ist um ein Vielfaches höher. Dafür kommt der Hexer von Salem schneller zum Punkt. Bei Arkham Horror können die Spieler erst gemütlich ihre Charaktere entwickeln und eine längerfristige Strategie zum Sieg verfolgen. Würfelpech und kleinere Fehler sind dabei durchaus verschmerzbar. So gleicht Arkham Horror mehr einem epischen Gruselroman.

1 von 3 Weltenretter
Prädikat
:
1 von 3 Weltenretter

Dagegen gilt es beim Hexer direkt und gradlinig zu handeln. Kleinste Abweichungen oder Rückschläge führen fast unweigerlich zum Verlust des Spiels. Damit erinnert das Spiel von Kosmos eher an eine knackige Kurzgeschichte. So sind beide Spiele auf ihre Weise spannend und fordernd. Welches man bevorzugt, ist weitgehend Geschmackssache. Mir gefallen beide. Im Schatten des jeweils anderen braucht sich aber keines zu verstecken. Ein kurzer Schrecken ist nicht unbedingt weniger grauenhaft als ein episch gähnender Horror.

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