Als Barde „James del Mariachi“ vermeide ich wenn immer möglich modrige Verliese. Lieber genieße ich meinen Ruhm in einer gemütlichen Taverne bei einem Glas Wein, umgeben von Fans meiner Musik. Mir ist schon längst bekannt, dass Dungeon Keeper immer am längeren Hebel sitzen. Eine realistische Simulation des vergangenen Jahrtausends lehrte dies äußerst eindrucksvoll. Leider, leider zwingen mich meine Mitabenteurer (ein großer Krieger, eine Elfendruidin, ein Zwergenpriester und eine diebische Halblingsdame) Monat um Monat in immer neue Schreckenshöhlen und Orkbauten. Ihnen fehlt halt das Wissen der veblassten Äonen. Gerüchten zufolge soll aber irgendwann doch noch ein Dungeon Keeper 3 vor den Gefahren der Unterwelt warnen.
Doch wie das Funkeln der Sonnenstrahlen in der Morgendämmerung am Ende einer klirrend klaren Wintersnacht schimmert im Osten jetzt Hoffnung auf baldig bessere Zeiten: Vlaada Chvatil nahm sich mit Dungeon Lords dem Leid der feinfühligen Abenteuer an.
Zwei Spieljahre kann nun jeder lebensmüde Held die Verwaltung eines Höhlensystems übernehmen. Im Winter, Sommer und Herbst kann das Verlies erweitert werden. Auch Monster gilt es anzuheuern und zu verpflegen. Doch nur drei von acht möglichen Aktionen sind in jeder Jahreszeit erlaubt. Erschwerend wollen auch die Verwalter der Nachbarhöhlen ihr Dungeon verschönern, und so ist nie genug für alle da. Wer zum Beispiel in die nächste Stadt geht, um ein paar Hühnerschenkel für hungrige Kreaturen zu erwerben, muss genau überlegen ob er früher oder später aufbricht. Der erste in der Stadt bekommt zwei Schenkel für eine Goldmünze, dem zweiten wollen die Städter ihre verbliebenen Vorräte vorenthalten. Nur mit etwas roher Gewalt gelingt es ihm, drei Schenkel umsonst zu erpressen. Auch dem dritten bleibt nur der Raub, dafür stiehlt er noch gleich die Münze, die der erste mitbrachte. Der vierte geht leer aus.
Die Anwendung roher Gewalt ist für Verliesmanager durchaus vertretbar und wünschenswert. Zuviel von ihr erweckt aber die Aufmerksamkeit des Paladins. Denn nicht nur schwächliche Helden vermuten in den Dungeons völlig zu Unrecht große Reichtümer und machen sich im Laufe des Jahres auf den Weg zum Eingang in die Katakomben. Der Paladin ist aus anderem Holz geschnitzt. Schon allein kann er schwer bewachte Verliese umpflügen. Wer böse sein will, sollte deshalb auch viele Fallen und starke Monster beherbergen.
Im Herbst stürmen die Helden schließlich ins Verlies und es kommt zum Kampf. In vier Runden wird nicht nur gekämpft. Diebe versuchen Fallen zu entschärfen, Magier werfen mit Zaubern um sich, Priester heilen, und alle zusammen plündern wie die Wilden. Doch am Ende des Kampfes sind die meisten von ihnen gefallen oder gefangen und fristen ab dann ihr jämmerliches Dasein im Kerker.
Nach zwei Durchgängen wird abgerechnet. Alles zählt: Größe des Dungeons minus zerstörte Räume plus gefangene Helden und so weiter. Auch Paladine und besondere Bosheit bringen zum Beispiel Extrapunkte. Mehr als bei anderen Spielen dieses Kalibers gilt aber: „Dabeisein ist alles!“
Dungeon Lords ist ein Spiel für Hartgesottene. Dreiundzwanzig Seiten überaus lustiger Regeln müssen durchgearbeitet werden. Die Spieldauer beträgt locker zwei Stunden, kleinere und größere taktische Fehler sind kaum zu vermeiden und haben fast immer dramatische Auswirkungen. Wer zum Beispiel nicht genügend Nahrung hortet, dem rennen nicht nur die Monster davon, sein schlechter Ruf eilt ihm von nun an vorweg und erhöht seine Bosheit. Dadurch kommen stärkere Helden zu ihm, die er mit weniger Monster bekämpfen muss. Solche Fehler sind kaum wieder gut zu machen. Einmal durchschaut ist das Spielprinzip aber beherrschbar. Spielerisch bieten weitere Partien keine Herausforderung mehr.
Was bleibt, ist aber der Genuss an der perfekten Umsetzung des Themas. Zumindest für jene, die schon beim Anblick der Schachtel leuchtende Augen bekommen. Das Material ist phantastisch. Immer neue Details finden sich auf den Spielplänen. Die langen Erklärungen stören kaum, und jede einzelne Spielminute bietet puren Spielspaß.
Umgekehrt: Wer schon beim Titel beginnt die Stirn zu runzeln, wen bereits die Regeln von [cref le-havre] überfordern, wer Fantasy noch nie mochte, wer meint, Spielen müsste immer bilden, wer immer gewinnen will, wer sich nie ärgern mag oder nie selbst dran schuld sein will, wer noch an Dämonen glaubt, wer auch spielerisch nicht mit dem Pendel des Todes ein paar Helden spalten mag oder irgendwelche anderen Vorbehalte hat, braucht Dungeon Lords nicht zu testen.
Er wird alle Vorurteile aufs Vollste bestätigt finden.
Ach ja: Meine Mithelden begannen prompt zu träumen und zu prahlen: „Wir könnten dies besser! Auf, lasst uns zum Orkschlachten aufbrechen!“
Prädikat:
2 von 3 Monstern
Schöne Zusammenfassung von James. Da habe ich ihn wieder erkannt. Vielleicht soll ich auch Dungeon Keeper versuchen. Was man als Profi macht muss man auch im Spiel machen können.