Lange Jahre fristeten Hong-Kong-Treter Filme ein unrühmliches Schattendasein. Erst mit „Crouching Tiger Hidden Dragon“ gelang es einem dieser Filme, in größeren Kreisen wahrgenommen zu werden. Noch enger ist die Nische der Hong-Kong-Treter-Fantasy-Splatter-Horror Filme. Doch eben in diesem Genre gelang es Tsui Hark, mit der Produktion von „A Chinese Ghost Story“ einen klitzekleinen filmischen Meilenstein zu setzen. Später folgten zwei Fortsetzungen.
Mit dem Spiel Ghost Stories gibt es nun eine spielerische Reminiszenz von Antoine Bauza an diese Trilogie. Spontan hätte ich einem „Hong-Kong-Treter-Fantasy-Splatter-Horror-Kooperationsspiel“ bestenfalls einstellige Verkaufszahlen prognostiziert. Doch es scheint eine ganze Menge Fans von Tsui Hark unter der spielenden Bevölkerung zu geben. Zusammen mit seiner fantastischen Aufmachung schien es sich auf der Essener Spielemesse 2008 recht gut zu verkaufen.
Dabei ist die Spielmechanik recht einfach angelegt. Bis zu vier taoistische Helden versuchen ein Dorf vor Geistern zu schützen. Gelingt es ihnen, lange genug zu überleben, müssen sie schließlich gegen fiese Oberbösewichte antreten, um das Spiel gemeinsam zu gewinnen oder für immer in die Hölle verdammt zu werden.
Zwei Grundpfeiler der fernöstlichen Lebensanschauung sind die sich ergänzenden Gegensätze von Ying und Yang. Alles läßt sich als Ying oder Yang klassifizieren. Ein Ziel buddhistischer und taoistischer Mönche ist es, einen Zustand harmonischen Gleichgewichts von Ying und Yang zu erreichen und somit diese Trennung zu überwinden.
Im Spiel besteht deshalb jeder Zug aus zwei Phasen: In der Yingphase agieren erst die bösen Geister. Danach dürfen die guten Helden in der Yangphase reagieren. Das Spuken und Toben der Geister ist von der Regel vollständig vorgegeben. Um sie zu bekämpfen, können die wackeren Krieger Würfel werfen oder Dorfbewohner zur Hilfe rufen. Doch da stetig neue Gespenster auftauchen, ist das Ergebnis aller Mühen höchstens ein wackliges Gleichgewicht von Ying und Yang.
Die Monster sind nicht nur zahlreich, sondern auch wahrlich furchterregend. Wenn sich die Spieler nicht perfekt abstimmen, versinkt das Dorf mit ihnen zusammen bald im Chaos. Wenn es ihnen aber gelingt, ihre Spezialfähigkeiten gemeinsam zu ergänzen, können sie zumindest teilweise das Auftauchen des Oberfeindes erleben. Wenn es sogar gelingt, diesen zu besiegen, sind die Kämpfer bereit für größere Aufgaben. In den Varianten Alptraum und Hölle gibt es gleich vier Superfeinde, und die Spieler starten das Spiel schon deutlich geschwächt.
Bei Ghost Stories überdecken Spannung und Atmosphäre die nicht sonderlich originellen Zugmechanismen. Obwohl viel gewürfelt wird, entscheidet nicht pures Glück über Triumph oder Untergang. Das Spiel kann nur mit extrem kooperativem und gezieltem Handeln gewonnen werden. Selbst in erfahrenen Runden ist der Grat zwischen Sieg und Niederlage sehr schmal. Frustresistent sollten die Spieler deshalb sein, dafür wird ihnen ein anstregendes, forderndes, aber auch immerzu kurzweiliges Gruselerlebnis geboten. Mit etwas Übung sind Ying und Yang bei Ghost Stories wahrlich ausgewogen.
Viel Licht und Schatten gibt es in der Ausstattung. Das Material und die Grafiken sind stimmungsvoll und reichhaltig. Das comichafte Design ist vielleicht nicht jedermanns Geschmack, das Wesen von „A Chinese Ghost Story“ wird mit ihm aber vorzüglich eingefangen. Furchterregend ist aber die Spielregel. Mit ihr allein ist es fast unmöglich, das Spiel fehlerfrei zu spielen. Trotz der recht simplen Mechanismen ergeben sich immer wieder wichtige Detailfragen, deren Antworten in der Regel gut versteckt oder gar nicht enthalten sind. Dabei greifen eigentlich alle Regeln logisch ineinander. Lediglich thematisch gelungen ist die an chinesische Schriftzeichen erinnernde sprachunabhängige Symbolik des Spielmaterials. Intuitiv ist sie kaum verständlich und ebenso leicht fehlzudeuten.
Prädikat: 1 von 3 Geistern |
Die Filme haben wir uns unterdessen auch wieder mit großer Freude angesehen. Hong-Kong-Treter-Fantasy-Splatter-Horror-Filmfan sollte man für ihren Genuss aber schon sein. Gleiches gilt für das Spiel: Genrefans werden begeistert sein, doch die restliche Spielergemeinde sollte ein Testspiel wagen. Ich kann und will nicht garantieren, dass jedermann begeistert ist.
Welche Detailfragen sind denn in der Anleitung nicht enthalten? Ich habe das Spiel schon sehr häufig gespielt, kenne es also sehr gut. Die Anleitung hat mir keine besondere Mühe abverlangt und einige Diskussionsteilnehmer bei BGG scheinen sie nicht wirklich gelesen zu haben.
Hallo Marcus,
mit Spielregeln ist das so eine Sache: Wahrscheinlich gibt es zu jeder Regel auch eine Spielgruppe, die sie nicht versteht. Genauso wird es immer Spieler geben, die die Intentionen des Autors direkt begreifen.
Eine gute Regel wird von einer überwältigenden Mehrheit der Zielgruppe einigermaßen problemlos verstanden. Problematisch sind Regeln, sobald vermehrt Fragen aufkommen. Dabei kommt es nicht auf die persönliche Wahrnehmung an, sondern auf die Menge der armen anderen Leute, die mit großen Fragezeichen vor der Anleitung sitzen (damit unterscheiden sich Spielregeln fundamental von mathematischen Beweisen oder soziologischen Facharbeiten. Während letztere nur inhaltlich richtig sein sollten und durchaus hingabevolles Vertiefen des Lesers erforden dürfen, muß man bei Qualitätsurteilen von Regeln immer auf die Kommentare von Spielern mit Verständnisproblemen achten).
In der Tat sind die Detailantworten auf viele Fragen bei Ghost Stories irgendwo in der Regel versteckt. In aber wirklich jedem unserer Spiele begannen wir irgendwann hektisch in den verschiedenen Sprachausgaben zu blättern und fanden dabei eher zufällig Anmerkungen, die schon ein anderes Mal gesucht wurden. (Toll ist dabei die durchaus durchdachte Tatsache, dass auf der Rückseite der französischen Geistermächte die deutschen Dorffelder erklärt sind. Wenn einmal die falsche Sprache oben liegt, findet sich die richtige nie wieder…) Dies finde ich bei kooperativen Spielen besonders ärgerlich, denn am Ende weiß man dann eben nicht, ob man regelgerecht verloren oder nur wegen einer speziellen Auslegung gewonnen hat.
Doch nun zu deiner Frage. Hier sind ein paar Regelfragen, die ich nicht präzise von der Anleitung beantwortet finde:
– Was passiert wenn ich zwei Geister besiege, die Belohnungen und Flüche verteilen? Gehe ich diese sequentiell durch oder kommen erst alle Flüche? In welcher Reihenfolge werden dann die Belohnungen und Flüche abgehandelt? Man kann da einiges in die Regel hineininterpretieren, eindeutig ist sie aber nicht.
– Oder beim Spiel zu dritt: Wo liegen zu Beginn die Kraftmarker? Werden sie verteilt oder schon wie gebrauchte in die Dorfmitte gelegt? Darf man Kraftmarker kombinieren (z.B. doppelte Aktion und Extrabewegung) und wie lange wirkt einer (für den ganzen restlichen Zug?)?
Von dieser Art Fragen könnte ich mir noch mehr ausdenken. Vielleicht stehen irgendwo Antworten oder es lassen sich zumindest solche ableiten. Den Spiefluß förden solche Problemchen aber nicht.
Sorry, das war jetzt etwas länger, aber ich finde deine Anmerkung im positiven Sinne interessant!
Viele Grüße,
Peter.
Du hast Recht, dass nicht alle Detailfragen schnell zu finden sind. Die allermeisten sind aber in den 12 Seiten tatsächlich enthalten.
Zu deinen Fragen:
a. „zwei Geister“: Die Regel sagt hervorgehoben: „Die Flüche werden immer vor den Belohnungen ausgeführt.“. Sollte also wirklich einmal der Fall eintreten, dass man zwei so hochrangige Geister auf einmal besiegen kann, werden also zunächst die Flüche und dann die Belohnungen ausgeteilt. In welcher Reihenfolge man zweimal mit dem Fluchwürfel würfelt ist vermutlich genauso egal wie die Reihenfolge der Belohnungen.
b. „Kraftmarker“: „Neben dem Tao-Marker und dem Yin-Yan-Marke teilt Ihr jedem Spieler noch einen Kraftmarker aus.“ Ich denke, dass das deine Frage deutlich beantwortet.
Aber warum hängen sich die „Leute“ eigentlich daran auf, dass man „Ghost Stories“ richtig spielen *muss*. Ich bin mir sicher, dass wir selbst mit einer falschen Spielregelauslegung einen Riesenspass und viel Spannung haben würden. Und ist es nicht das, was man haben will?
Hallo Marcus,
zu a: das haben wir auch so interpretiert. Die Hervorhebung steht aber nur im allgemeinem Belohnungs- und Fluchabschnitt, wie sich dies auf mehrere Geister erstreckt bleibt ungeklärt. In der Tat ist dies aber eine ziemlich konstruierte und irrelevante Frage.
zu b: du hast Recht und ich habe wohl eine schwarz-blau Schwäche. Ich habe die Regel im Aufbau für 1,2,3 Spieler bestimmt zehnmal gesucht und immer überlesen.
Die sehr ästhetischen blauen Hervorhebungen auf schwarzem Hintergrund besonders wichtiger Details sind vielleicht eine Ursache der vielen Verwirrungen. Zumindest ich tendiere dazu sie als unwichtige Anmerkungen zu übersehen.
Auch beim letzen Punkt gebe ich dir Recht. Wer – wie ich – das Thema mag, sollte sich den Spaß nicht an unwesentlichen Details verderben lassen und sich die Zeit nehmen das Spiel zu erarbeiten. Denn im Gegensatz zu vielen anderen thematischen Horrorspielen gibt es auch einen tollen Mechanismus. Umgekehrt bezweifle ich aber, dass Ghost Stories viele Freunde nur wegen seiner Regel finden wird.
Hehe, ja da wirst du Recht haben. Und die Farbgebung ist wirklich suboptimal…
Nachtrag: Mittlerweile gibt es eine aktualisierte Regel bei Asmodeé in schwarz auf weiß:
http://blog.proludo.de/wp-content/uploads/2008/05/gs_rules_ge_ver12.pdf
Wenn ich mich mal einmischen darf: wir haben das Spiel gestern gespielt, und die Anleitung ist eine Katastrophe! Sicherlich steht alles drin; aber in puncto Strukturierung und klarer Erläuterung versagt diese Anleitung auf voller Linie. Die vielen Zusatzblätter und wild durcheinander gewürfelten Sprachversionen machen die Sache auch nicht eindeutig besser. Wir haben aber auch festgestellt, dass die englische Anleitung das, was die deutsche auf einer halben Seite mühsam und unverständlich erklärt, in wenigen Zeilen klar abhandelt. Z. B. wenn man einen Spieler wiederbeleben will: „Mit 2 Qi zurück ins Spiel bringen.“ Hä? Wie jetzt? 2 ausgeben, um ihn völlig geheilt zurück zu bringen? Oder ihn für lau zurück holen, er hat dann 2 Qi? Die englische Anleitung sagt ganz einfach: „Raise dead, give him 2 Qi.“ Aha, ich ich lasse einen Toten wiederauferstehen, indem ich 2 Qi an ihn abgebe. Furchtbar uneindeutig, so wie an vielen anderen Stellen auch. Hinzu kommt, dass die Anleitung wie selbstverständlich von irgendwelchen Dorffeldern oder symbolen redet, von denen man noch nie zuvor gehört hat, selbstverständlich ohne diese abzubilden. Wir sind schließlich in den 1000 Zusatzzetteln fündig geworden, die als Referenzkarte vielleicht ganz nett sind, aber die Spielanleitung nicht von der Abbildung der beschriebenen Zeichen entbinden sollte. Nachdem wir uns also ziemlich entnervt durch dieses pamphlet gekämpft haben, ging es ans Spielen.
Nach nicht einmal einer halben Stunde Spielzeit (inclusive der Zeit, die wir zum Nachschlagen brauchten) hatten wir verloren, wohlgemerkt auf der Anfängerstufe. Keinem von uns hat das Spiel ansatzweise Spaß gemacht. Wie auch? Die Marker waren schnell ausgegeben, pausenlos kamen irgendwelche Monster, die die Spezialfähigkeiten blockierten, und die Würfelwürfe waren unter aller Sau. Die 4er-Monster konnten nur durch die Hexe gekillt werden, wodurch es, natürlich ohne Belohnung, einigen Leuten ziemlich schnell ziemlich schlecht ging. Dem Ansturm der Monster hatten wir, allesamt erfahrene Spieler, nichts entgegenzusetzen. Schnell waren vier Felder bespukt und das Spiel für uns verloren, wo wir am Ende auch froh drüber waren. Selbst die vorgeschlagene Variante mit 5 Qi-Punkten hätte es nicht besser gemacht. Und ja, wir haben versucht, die Fähigkeiten der Dorfbewohner zu nutzen, wenn diese nicht gerade beflucht waren. Insgesamt ein Spiel, das überhaupt keinen Spaß macht.
Weitere Beispiele der herrlichen Uneindeutigkeit des Regelwerk: In den Geisterstapel sollte eine Inkarnationskarte gemischt werden? Eine was? Wir haben uns schließlich gedacht, dass es sich um den auf der Übersichtskarte mit I angegebenen und in der Regel nicht beschriebenen (geht nur bis H) Stapel handeln muss. „Der Spieler nimmt 4 Qi-Marker, den Yinyang-Marker seiner Farbe und den Tao-Marker seiner Farbe.“ Hä? es gibt 4 Tao-Marker jeder Farbe. Soll man die jetzt alle nehmen? Ein Blick auf die Übersicht, die vermutlich die Startaufstellung darstellen soll, zeigt: da liegt nur ein so ein Ding, also EINEN Tao-Marker seiner Farbe. Kann man aber auch gleich sagen.
Hallo, bin seit ein paar Tagen stolze Besitzerin von „Ghost Stories“ und habe aber ein Problem:
die Anleitungen sowie die Spielhilfe sind in englisch, holländisch und französisch. Ich habe mir auf der Seite von „Asmodee“ die überarbeiteten deutschen Regeln und den Strategieführer heruntergeladen. Was mir aber fehlt, ist die Spielhilfe in deutsch. Hat die jemand und könnte mir die zukommen lassen??
Ich hab mich schon endlos „durchgegoogelt“, nirgendwo ist die zu finden. In einer Rezension war ein Screenshot davon, da ist da Auflösung aber zu schlecht, sodass man nichts lesen kann.
Liebe Grüße,
Ingrid.
Hallo Ingrid,
bevor ich meinen Scanner anwerfe: bei unserer Ausgabe befinden sich die deutschen Spielhilfen auf den Rückseiten der englischen und französischen. Auf Boardgamegeek gibt es auch eine einseitige Spielhilfe:
http://www.boardgamegeek.com/filepage/36224/ghost-stories-ubersichtsblatt-deutsch – du musst dir aber dafür einen User anlegen.
Viele Grüße,
Peter.