Glastonbury ist eine leicht erweiterte Neuauflage von Kupferkessel Co. und das ist sehr löblich. Kupferkessel Co. war und ist eines ziemlich gutes Spiel für zwei. Mit dem Niedergang von Goldsieber geriet es leider in Vergessenheit. Glastonbury lässt sich aber auch sehr gut zu viert spielen. Neben dem Material für drei und vier Personen gibt es noch ein paar Sonderkarten, die aber nicht sonderlich originell sind.
Doch der Reihe nach. Da nicht mehr alle Kupferkessel kennen, lohnt ein kleiner Blick auf die Mechanik: Um eine Auslage von 6 mal 6 Karten laufen Spielfiguren. Aus der Reihe, auf der eine Figur stehen bleibt, darf sich der Spieler eine Karte nehmen und eine nachlegen. Die Karten haben Farben und Werte von eins bis vier. Der genommene Kartenwert bestimmt auch die Weite des eigenen nächsten Zuges. Wer auf Eckfeldern stehen bleibt, darf keine Karte nehmen. Wenn es keine Karten zum Nachlegen mehr gibt, geht das Spiel noch so lange weiter, bis eine Reihe komplett leer ist.
Dann kommt es zur Abrechnung: Wer eine Karte einer Farbe hat, bekommt ihren Wert an Minuspunkten, zwei Karten zählen genau null, drei Karten bringen ihren Wert an Pluspunkten und alle vier Karten geben zusätzlich zu ihren Punkten noch einen Bonus von 5 Punkten. Karten der eigenen Spielerfarbe zählen doppelt.
Entfernt erinnert Glastonbury an [cref maori], das auch aus der Feder von Günter Burkhardt stammt, was nicht erstaunlich ist, da Maori ja auch Kupferkessel ähnelte. Die originelle Wertung wirkt zunächst etwas kompliziert und verwirrend. Dabei ist eine effiziente Strategie ziemlich einfach: So viele Karten wie möglich sammeln und dabei auf die eigene Farbe achten.
Dies lässt sich anhand einer vereinfachten Zweipersonenpartie Glastonbury ohne Sonderkarten und ohne Eckregel verstehen, bei dem alle Karten verteilt werden. Dann haben beide Spieler gleich viele Karten. Wenn ich nun nur eine Karte einer Sorte habe, bekomme ich dann zwar -1 bis -4 Punkte, mein Mitspieler bekommt umgekehrt 6 bis 9 Pluspunkte, in der Summe sind dies aber immer 10 Punkte für den Gegner. Die beiden Kontrahenten müssten also „eigentlich“ nur Mehrheiten zählen. Doch diese Symmetrie wird durch diese drei Regeln gebrochen: Wer alle vier Karten einer Sorte besitzt, erhält 5 Extrapunkte. Wer Karten der eigenen Farbe sammelt, erhält die doppelte Punktzahl (positiv wie negativ). Und schließlich gilt die Eckregel: Wer hier stehen bleibt (oder besser: bleiben muss), darf keine Karte nehmen.
Damit ist der Fahrplan klar: So viele Karten nehmen wie möglich, und unter diesen möglichst viele Viererkombinationen bilden! Wer im Spiel zu zweit eine einzelne Karte aus einer solchen Kombination nimmt, verhindert, dass der Gegner den Bonus für vollständige Kombinationen erhält. Im Mehrpersonenspiel können in der Wertung viel mehr Konstellationen auftrete, was die Situation deutlich verkompliziert.
Diese Betrachtung zeigt die Stärke von Glastonbury: Es ist möglich, das Spiel zu analysieren, das ist noch nicht mal sonderlich schwer. Es ist aber auch möglich, das Spiel einfach zu genießen, ohne sich tiefere Gedanken über die Struktur des Spieles zu machen. Denn die offensichtliche Strategie: „Viele Karten der eigenen Farbe sammeln“ ist gar nicht schlecht. Zum Sieg braucht es noch etwas Glück und einen guten Überblick über Punktestand der Mitspieler. Nun ist es bei Glastonbury zudem nicht erlaubt, die gesammelten Karten anzusehen. Nur die letzte Karte ist sichtbar. Dadurch sind alle Spieler immer gezwungen aufzupassen, und übermäßigen Grübelorgien im Endspiel ist ein Riegel vorgeschoben.
Trotz des Mehrpersonenmodus bleibt das Spiel zu zweit besonders knackig. Wer also Kupferkessel Co. noch nicht hat, sollte unbedingt Glastonbury ausprobieren. Eine Zweitanschaffung neben Kupferkessel Co. ist aber nicht zwingend notwendig.
Prädikat: 2 von 3 Zutaten