Der Glanz der Pharaonen ist längst vergangen. Nur ihre prächtigen Bauleistungen erinnern weiter an sie. Reiner Knizias Ra, das Debütspiel der Alea-Reihe, erscheint in ähnlichem Licht. Obzwar längst nicht mehr erhältlich und vom Autor selbst schon lieblos als Razzia kopiert, erscheint es auch nach einer Dekade immer noch als zeitloses Meisterwerk.

Ra ist ein reinrassiges Versteigerungsspiel. Reihum kann jeder Spieler entweder einem Paket zu versteigender Objekte ein weiteres hinzufügen oder eine Versteigerung auslösen. Dabei kann jeder nur ein Gebot abgeben, um alles oder nichts zu erhalten. Alles kann auch Katastrophen beinhalten, die zum Verlust von Plättchen führen. Auch Ra-Plättchen lösen Versteigerungen aus und bringen gleichzeitig das Spiel einer Zwischenwertung oder dem SpielEn.de ein Stückchen näher. Dadurch entsteht ein wirkungsvoller Can’t-Stop Effekt. Denn wer mit Geboten zu lange wartet, droht leer auszugehen.

Die Wertungen sind Knizia typisch vielfältig: Mal gibt es Pluspunkte für Kombinationen bestimmter Plättchen, mal Minuspunkte für die wenigsten Pharaonen.

Dies klingt trocken und abstrakt, doch das Spiel ist genial und gehört zweifellos zu den bisher besten Versteigerungsspielen. Denn es ist kurzweilig, knackig und bietet genügend Spielraum für taktische Spielereien. Grübler werden enttäuscht, da es keine Ansätze für ihre gefürchteten Denkorgien bietet. Die gut steuerbaren Zufallselemente erlauben schließlich verschieden riskante Spielweisen.

Auf den ersten Blick wirkt das Thema aufgesetzt. Im Detail finden sich aber für einzelne Elemente Anspielungen auf die ägyptische Kultur. Dies beginnt mit den sandfarbenen Plättchenrückseiten, die in groben Haufen zu Spielbeginn eine Wüstenlandschaft um das Spielfeld bilden. Offensichtlich ist die thematische Umsetzung der Nilplättchen, die viele Siegpunkte versprechen, wenn nur die Überschwemmung nicht ausbleibt. Monumente brachten den Pharaonen den Ruhm in der Ewigkeit, deshalb punkten sie bei Ra erst in der Schlusswertung.

Vordergründig scheint das Design den ägyptischen Stil genau abzubilden. Im Detail schlichen sich dabei aber auch ein paar Fehler ein. So zeigt zum Beispiel das Palastplättchen zweifellos einen Pylonen, der immer Teil einer Tempelanlage war. Alle ägyptischen Monumente bezogen sich aufs Jenseits. Ihre weltlichen Bauten überdauerten selten eine Generation. Verwirrend ist die Darstellung der Pharaonen. Sie sitzen bei Ra mit gekreuzten Armen auf ihrem Thron. Dies ist jedoch immer ein Symbol für den Tod. Warum ist dann das Begräbnisplättchen, das den Mumifizierungspriester mit Anubismaske zeigt, eine Katastrophe?

Das Spiel verläuft über drei Epochen, die durch Wertungen unterbrochen werden. Die Anleitung stellt dies in Kontext mit den drei großen Abschnitten der ägyptischen Geschichte: Dem altem Reich, dem mittleren und dem neuen Reich. In jedem dieser Reiche gab es mehrere Dynastien. Keine Dynastie überdauerte ein Reich. Somit verwirrt die Spielregel mit der Aussage, dass die Spieler je eine Dynastie verkörpern.

Die drei Reiche entstanden und zerfielen vor dem Hintergrund der Jahrtausende erstaunlich spontan. Merkmal dieser Reiche war die Einheit von Ober- und Unterägytpen. Zwischen den Reichen herrschten die erste und zweite Zwischenzeit, die jeweils etwa hundert Jahre dauerten. Extrem vereinfacht stand das alte Reich im Zeichen der Pyramiden und der Sphinx. Die Pharaonen waren unglaublich reich und mächtig, und unter ihrer Herrschaft entstanden phantastische Kunstwerke. Nicht nur die Pyramiden, die sich nicht jeder Herrscher leisten konnte, zeigen dies, sondern auch viele prächtige Statuen.

Das mittlere Reich war vor allem kurz und vergleichsweise arm. Nur wenige Zeugnisse aus dieser Zeit können sich qualitativ mit den anderen Reichen messen. Die größte Leistung dieser Epoche ist ein künstliches Überschwemmungsgebiet, das den Ertrag der Landwirtschaft wesentlich steigerte.

Im neuen Reich herrschten wieder Luxus und Überschwang. Da Pyramiden als Lager großer Schätze von Grabräubern allzuleicht aufzuspüren waren, begannen die Pharaonen versteckte Höhlengräber in den Tälern der Königinnen und Könige anzulegen. Aus den Reichtümern der Grabbeigaben des eher unbedeutenden Tutenchamuns lässt sich nicht mal erahnen, welche Schätze wirklich mächtige Pharaonen in ihr Grab bringen ließen. Neben Grabmalereien stammen aus dieser Epoche die meisten berühmten Tempelanlagen. Auch Echnaton mit seinem Aton-Kult fällt in diese Zeit. Nach dem neuen Reich ging es noch etwa 1500 Jahre weiter mit diversen Reichen und Zeiten bis mit dem Aufkommen des Christentums die Zeit der Pharaonen und der ägyptischen Götter zu Ende ging.

Epische Zivilisationsspiele gibt es einige. Doch neben Ra kenne ich keines, dem es gelingt, 2000 Jahre Geschichte auf 45 spannende Minuten zu verdichten.

Bild von 2 von 3 Monumente
Prädikat
: 2 von 3 Monumenten

Ein Kommentar

  1. Avatar-Foto Arne Hoffmann

    Hallo Peter,

    ich nehme mal zwei Deiner Sätze aus dem Kontext, die meine Erfahrung mit Ra wiedergeben:

    „Ra ist ein reinrassiges Versteigerungsspiel. […] Dies klingt trocken und abstrakt, doch das Spiel ist genial und gehört zweifellos zu den bisher besten Versteigerungsspielen. “

    Mich hat der Ausspruch, dass Ra ein reinrassiges Versteigerungsspiel ist, jahrelang davon abgehalten, dem Spiel eine Chance zu geben, da ich diesem Spielgenre nicht viel abgewinnen kann. Zumindest nicht, wenn der Großteil eines Spiels aus Versteigerungen besteht. Aus meiner Sicht wird diese Charakterisierung dem Spiel nicht gerecht. Die Can’t Stop Charakterisierung zusammen mit dem Sammeln von Sets passt aus meiner Sicht weit besser.

    In jedem Verkauf kann ich gerade einmal ein Gebot abgegeben und habe dazu bis zu vier verschiedene Beträge zur Verfügung. Gleichzeitig sehe ich, welche Beträge meinen Mitspielern zur Verfügung stehen. Dies hat aus meiner Sicht sehr wenig mit einer Auktion zu tun, auch wenn das höchste Gebot hier den Zuschlag erhält. Zugegeben, es gibt viele Auktionsspiele, in denen ich nur einmal ein Gebot abgeben darf – doch bin ich dort zumeist nur an das mir zur Verfügung stehende Bargeld gebunden. Bei Ra bin ich viel stärker eingeschränkt und besitze darüber hinaus vollständige Informationen über die Bietmöglichkeiten meiner Mitspieler.

    Durch seine Leichtigkeit in den Abläufen, dem Abwägen des eigenen Gebots für die Auslage und den vielschichtigen aber sehr gut verzahnten Punktwertungen ist Ra in jeder Partie ein erstklassiges Erlebnis. Dies macht es zu einem der besten Spiele überhaupt – womit ich dem zweiten zitierten Satz von Dir uneingeschränkt zustimme.

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