Race for the Galaxy & Aufziehender Sturm

Erstveröffentlichung am 24.4.2008 bei Hall9000.
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Beim Wettlauf im Weltall gewinnt, wer die besten Entwicklungen, wertvollsten Warenlieferungen und erfolgreichsten Besiedelungen hervorbringt!

Um am Ende des Spiels als erfolgreichster Weltraumfahrer den Sieg heimzufahren, punktet man in drei Sparten. Ausgehend von einer Startwelt kann man weitere Planeten besiedeln. Vorteile für die unterschiedlichsten Bereiche kann man sich durch den Kauf von Entwicklungen verschaffen. Schließlich kann man die Produkte der eigenen Siedlungen verwerten und in Bares oder in Siegpunkte umwandeln. Schauen wir uns das Ganze ein wenig detaillierter an.

Der Fahrplan einer jeden Runde erstreckt sich über fünf „Haltestationen“, wobei nicht jede davon angefahren werden muss. Gemeint sind die Phasen. Jeder Spieler hat einen identischen Satz an Karten zur Verfügung, aus dem er sich eine Phase aussucht. Gleichzeitig wird die Wahl aller Spieler aufgedeckt. Nur die ausgewählten Phasen werden von allen Spielern in vorgegebener Reihenfolge durchgespielt. Für die selbst ausgespielte Phase erhält man einen Bonus.

  • Explore: Jeder erhält zwei Karten zur Auswahl und darf eine behalten. Wer die Explore-Phase selbst gewählt hat, erhält alternativ mehr Karten zur Auswahl oder darf aus drei Karten zwei behalten.
  • Develop: In dieser Phase werden Entwicklungen gekauft, die als Handkarte ausgespielt und in die eigene Ablage gelegt werden. Der Kauf erfolgt unter Abgabe anderer Handkarten. Diese stellen also auch die galaktische Währung dar. Entwicklungen bringen Erleichterungen wie billigere Kosten bei weiteren Entwicklungen, bessere Explore-Fähigkeiten und vieles mehr. Meist bringen sie eine feste Siegpunktzahl. Die Entwicklungen der teuerste Klasse für Kosten von 6 Karten punkten jedoch abhängig von der Auslage durch die anderen Karten.
  • Settle: Auch die zu besiedelnden Welten spielt man aus den Handkarten aus. Eine nicht-militärische Welt erfordert die Bezahlung von Kosten. Diese werden wie bei den Entwicklungen aus den anderen Handkarten bestritten. Das Einnehmen einer militärischen Welt wird nicht mit Karten bezahlt. Hingegen muss man über eine ausreichend hohe militärische Stärke verfügen. Diese bezieht man aus bereits ausliegenden Entwicklungen oder Besiedelungen. Entsprechend bieten die meisten Welten ihrerseits Sonderfunktionen, die Vorteile in bestimmten Spielphasen bringen. Beim Spielende punktet jede Welt mit einer festen Siegpunktzahl.
  • Consume: Auf Welten können Güter vier verschiedener Arten liegen. Mit der Aktion „Consume“ werden diese Güter umgesetzt. Hierzu werden Fähigkeiten auf Entwicklungen oder Welten eingesetzt. Meist werden Güter direkt 1:1 in Siegpunkte umgetauscht, aber auch Karten oder eine Mischung aus Siegpunkten und Karten sind möglich. Wer als Aktion „Consume: Trade“ gewählt hat, muss zunächst ein Gut für Karten verkaufen. Eine Preisliste zeigt an, wieviel jedes Gut einbringt. Alternativ zum „Trade“ kann man als Aktionskarte diejenige wählen, die als Bonus doppelte Siegpunkterträge einbringt.
  • Produce: Und wer sich bis hierhin gefragt hat, wie die Güter auf den Welten entstehen, hat gut aufgepasst! Die Antwort findet sich mit dieser Aktion. Jede produzierende Welt wird nun mit einem Gut versehen, das wiederum von einer Karte dargestellt wird. Die so genannten „Windfall“-Welten produzieren nur, wenn man selbst die „Produce“-Aktion ausgespielt hat.

Sobald ein Spieler am Ende einer Runde 12 oder mehr Karten in der eigenen Auslage hat, oder der spielerzahlabhängige Vorrat an Siegpunktmarkern für die Phase „Consume“ erschöpft ist, endet das Spiel.

Zentrales Element bei Race for the Galaxy sind die Karten. Diese können dreierlei Funktionen einnehmen: Ausspielen als Entwicklung oder Besiedelung, Bezahlung ausgespielter Karten, Güter auf besiedelten Welten. Wem kommt das bekannt vor?! Richtig, dieser Dreiklang an Möglichkeiten zum Karteneinsatz begegnet uns bereits bei San Juan, dem „kleinen Kartenbruder“ von Puerto Rico. Das Wiedertreffen mit diesen Grundmechanismen bei Race for the Galaxy ist jedoch nicht zufällig. So finden sich in den „Credits“ – den Danksagungen – beider Spiele Verweise der Autoren aufeinander. Zumindest eine entfernte Verwandtschaft darf man also bescheinigen.

Doch lassen wir für einen Moment den Spielestammbaum beiseite und werfen einen genaueren Blick auf das Wettrennen im Weltall. Der Start ist zunächst behäbig, und es wird eine Menge Energie zum Abheben benötigt. Denn für die initiale Zündung beim Lernen der Spielregeln muss man erstmal ein „Vokabeltraining“ absolvieren: Für die Karten wurde ein Symbol-System erdacht, das nicht nur weitgehend selbsterklärend, sondern auch sprachunabhängig sein soll. Fast jede Karte hat eine besondere Funktion, die in einer der Spielphasen anzuwenden ist. Der Zeitpunkt der Anwendung kann vor, während und nach der Ausführung einer Phase geschehen – das ist schon eine recht hohe Anforderung an ein „Codierungs“-System! Im großen und ganzen ist festzuhalten, dass die Umsetzung in die Symbolsprache zwar gelungen ist. Dennoch ist diese Hürde sowohl für den Neuling als auch für den Erklärer hoch. Auch die Spielregel erleichtert dies nicht unbedingt und erfordert einigen Aufwand zur Einarbeitung.

Ist man jedoch nach diesem mühseligen Start erst einmal im All unterwegs, kann es flott voran gehen. Streng nach der Regel sollen immer alle ausgespielten Phasen hübsch der Reihe nach abgearbeitet werden. In allen unseren Runden hat sich jedoch schnell die Praxis durchgesetzt, dass man nur noch schaut, was man alles machen darf. Synchron führt dann jeder die entsprechenden Aktionen aus. Eine Partie dauert damit selten länger als eine halbe Stunde. Damit ist auch schon viel zur Interaktion gesagt: Während des Ausführens der einzelnen Phasen findet diese kaum statt! Nur wenige Karten erfordern einen Vergleich der eigenen Kartenauslage mit derjenigen der Mitspieler.

Einen kleinen Auftritt hat die Interaktion bei der Wahl der Phasen: Für welche Aktion werden sich die Mitspieler wohl in der nächsten Runde entscheiden? Jemand, der gerade tüchtig produziert hat, ist meist einem Umsatz per „Consume“ zur Erlangung von Siegpunkten oder Karten nicht abgeneigt. Wer mit einer vollen Kartenhand in die neue Runde geht, wird sicher einen Plan zur Investition in eine Entwicklung oder Besiedelung schmieden. Eine gute Einschätzung der Mitspieler ist da hilfreich. Wenn wir uns kurz in der Familie umschauen, so liegt in der Art der Interaktion der wesentliche Unterschied der ansonsten verwandten Spiele Race for the Galaxy und San Juan. Geschuldet ist dies der im Weltall festen Phasenabfolge, welche bei San Juan flexibel durch die Spieler gewählt wird.

Das Gefühl, sich auf einer Weltraum-Mission zur Erkundung neuer Welten, zur Entdeckung neuer Lebensformen und Zivilisationen zu befinden, wird durch die Karten unterstützt. Diese sind sehr stimmungsvoll gezeichnet. Durch die große Menge verschiedener Karten kann man nie wissen, welche Begegnungen man im Laufe des Spiels erfahren wird. So gleicht kein Flug dem anderen, und durch die beinahe unerschöpfliche Vielfalt an Kartenkombinationen kann man allerlei erleben. Leider kann die Erforschung auch mal ergebnislos sein. Wer einen schlechten Start erwischt und keine Infrastruktur für guten Kartennachschub aufbauen kann, hat leicht das Nachsehen. Beim Rennen in die Galaxis kann man durch Kartenpech schnell abgehängt werden. Entsprechend kann sich der Spielspaß frei in der Skala zwischen himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt bewegen. Extreme Punktunterschiede zum Spielende hin können das Resultat sein. Einzig die kurze Spieldauer mit erfahrenen Raumfahrern bildet hier einen Ausgleich.

Hervorheben möchte ich vor dem Schlusswort die gute Spielbarkeit zu zweit. Eine optionale Fortgeschrittenenregel erlaubt es, pro Spieler zwei Phasen pro Runde auszuwählen. Bis zu vier unterschiedliche Phasen können damit pro Runde gespielt werden und zusätzliches Tempo bringen. Damit wird der Charakter eines flotten Duells intensiviert.

Race for the Galaxy ist wegen des komplizierten Einstiegs als Spiel für Experten zu bezeichnen. Das Gefühl einer Expedition durch ferne Welten wird überzeugend vermittelt. Wer sich von einer gelegentlich ereignislosen und ertragsarmen Partie nicht unterkriegen lässt, wird an den meisten Ausflügen ins Universum seinen Spaß haben. Und wer bereits alle Ecken in diesem Quadranten der Galaxis kennengelernt und erforscht hat, kann sich auf die bereits angekündigten Erweiterungen freuen.

Kathrin Nos – 24.04.2008

POSTSCRIPTUM:

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Noch nie bekamen wir so viel Feedback wie auf Kathrins Race for the Galaxy Rezension bei Hall9000. Viele Leser kritisierten empört das Fazit und die Spielreiznoten. Weiteren Problemen mit Notenenttäuschungen können wir bei Das-SpielEn.de hoffentlich mit unseren Prädikaten dezent aus dem Weg gehen. Wir freuen uns übrigens über jede solch kritische Stimme, denn viel zu selten polarisieren Spiele dermaßen, dass eine echte Diskussion aufkommt. Die vielen euphorischen Stimmen dokumentieren besser als jeder Wischi-Waschi „das-Spiel-wird-nicht-im-Schrank-verstauben“-Text die inneren Werte von Race for the Galaxy. Wer bereit ist, sich in das Spiel hineinzuarbeiten und nicht gleich bei den ersten Regelhürden zur nächsten Schachtel schielt, wird mit ihm genauso viele spannende Stunden verbringen, wie wir dies bereits getan haben.

Die deutsche Ausgabe unterscheidet sich von der amerikanischen nur in einem  Detail: Die Karten wurden übersetzt. Die deutschen Texte sind durchaus gelungen. Ein paar Überschriften wie z.B. „Sprengkristallmine“ oder „Blühende Welt“ klingen aber nicht  mehr so recht spacig, sondern eher angestaubt. Ein paar andere wurden nur lieblos übersetzt oder wurden vergessen („Galaktikfilm Studios“, „Terraformte Welt“, „New Vinland“). Doch insgesamt sollte die Übersetzung bei der größeren Verbreitung des Spiels in Deutschland helfen.

Ob San Juan nun besser oder schlechter ist, lässt sich schwer entscheiden. Sicherlich ist San Juan origineller, ausgewogener, weniger glückslastig, interaktiver und besser redaktionell bearbeitet. Race for the Galaxy punktet dafür mit seiner Grafik, einer höheren Kartenvielfalt, abwechslungsreicheren Partien, seinem noch höherem Tempo und seiner eher subtilen Intaktion – wenn es zu erraten gilt, welche Aktionen die Mitspieler wohl als nächstes legen werden.

Und es gibt Erweiterungen Race for the Galaxy. Auch für San Juan wären viele weitere Boosterpacks denkbar gewesen, nur gibt es eben keine. Für Race for the Galaxy ist hingegen mit „Aufziehender Sturm“ nun die erste Erweiterung erhältlich. Sicherlich bringt sie nichts wirklich Neues oder Nützliches:

  • Eine schöne neue kleine Schachtel, die genügend Platz für Grundspiel samt Erweiterung bietet.
  • Material für einen fünften Mitspieler. Das kann in bestimmten Runden nützlich sein. Ich vermute aber, dass die meisten Runden zu zweit gespielt werden.
  • Material für ein Solospiel.  Ich finde Solitärgesellschaftsspiele ziemlich langweilig und kann mich deshalb zu ihm nicht qualifiziert äußern.
  • Blankospielkarten für einen Wettbewerb. Kein Kommentar.
  • Siegpunktplättchen der Kategorie „die längste Handelsstraße“ und „die größte Rittermacht“. Damit lassen sich vielleicht endlich auch Siedlerspieler zu Race for the Galaxy bekehren.
  • Und schließlich die eigentliche Erweiterung: 23 neue Spielkarten! (1 Austauschkarte, 4 neue Startwelten, 18 Entwicklungen und Welten.)

Auf diese 23 neuen Karten geierten alle Fans des Spiels, einschließlich uns. Falls es in der originalen Kritik nicht klar genug herauskam, hier in aller Deutlichkeit: Wir mögen dieses Spiel so sehr, dass wir es sogar gerne mit Erweiterungen spielen.

Die Karten selbst enthalten genau, was von ihnen erwartet wird. Sie bieten neue Überraschungen, und es ist sehr spannend ihre Möglichkeiten zu erkunden. Erfreulicherweise verlängert sich die Spieldauer nicht.

Alle wirklich glücklichen Race for the Galaxy Enthusiasten sollten auch die Erweiterung kaufen. Normale Spieler brauchen sie nicht.

Peter Nos

2 von 3 Planeten
Prädikat: 2 von 3 Planeten

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