Risiko Evolution

Spielkarten zerreißen ist wie Bücher verbrennen

Risiko war eine meiner ersten Spielelieben. Und sie blieb lange unerwidert. Ich lernte es als Kind bei Freunden kennen und war ihm sogleich verfallen. Monatelang legte ich jeden Pfennig zur Seite, um schließlich ein eigenes Exemplar erwerben zu können. Befreien hieß damals noch erobern, und Verteidiger hatten drei Würfel. Alles war gut. Nur fehlten auf Dauer die Mitspieler, und so vergammelte mein Risiko einige Jahre im Schrank. Zehn Jahre später entdeckte ich es auf der Suche nach einem lockeren Spiel für zwischendurch ein zweites Mal. Fortan spielten wir es Woche um Woche – Tag und Nacht. Dann kamen die Siedler von Catan.

Ich wagte später noch ein paar Partien, doch irgendwie war der Glanz verlorengegangen. Die meisten Derivate und Regelirrungen ignorierte ich lieber und hatte auch vor, Risiko Evolution nicht weiter zu beachten. Aber Risiko Evolution ist etwas wirklich anderes. Von Partie zu Partie ändert sich das Spiel und zwar unwiederbringlich. So ist jedes Risiko Evolution nach kurzer Zeit ein Unikat. Diese Idee ließ uns nicht mehr los, denn echten Spielern graust es ja bei der Vorstellung, Spielmaterial zu zerstören oder auf Plänen mit Permanentmarkern herumzukritzeln. Also warfen wir alle Vorbehalte über Bord und starteten eine regelmäßige Risiko Evolution Runde.

Die Grundregeln von Risiko Evolution entsprechen im Wesentlichen dem Original. Statt Aufträgen gibt es Siegpunkte, und das Spiel wurde in Details etwas modernisiert. Vor allem lässt sich eine Partie durchaus in 60 Minuten beenden. Vor, während und nach dem Spiel gibt es aber Möglichkeiten, das Spiel permanent zu ändern. Zum Beispiel haben alle Spieler eine Mankokarte, die es erlaubt, einen Aufkleber auf ein Land zu kleben, um dessen Verteidigungswert zu ändern. Nach dem Spiel darf der Sieger zum Beispiel eine Hauptstadt gründen und so ein Land aufwerten oder eine Nachschubkarte vernichten. Das ist besonders lustig: Spielkarten zerreißen. Aber auch die anderen Spieler dürfen das Spiel ein klein wenig modifizieren.

Bild von Risiko Evolution

Nach ein paar Partien gibt es auch größere Änderungen, nämlich wenn erstmals bestimmte Bedingungen erfüllt sind, z.B. ein Spieler 30 Armeen auf den Plan stellt. Dann wird das Spiel unterbrochen, um neues Spielmaterial aus kleinen versiegelten Paketen zu holen. Das verändert dann so ziemlich alles: Neue Spielregeln werden in die Anleitung geklebt, Länder werden neu gegründet oder auf immer zerstört.

Das alles ist ausgesprochen liebevoll gestaltet, aber auch politisch vollkommen inkorrekt. Bei Risiko Evolution dürfen ganze Landstriche per Atomwaffe vernichtet werden, und eine Bedingung lautet: „Wenn ein Spieler erstmals eliminiert wird.“ Genaueres will ich natürlich nicht verraten. Das Überraschungsmaterial zu erforschen ist natürlich ein wesentlicher Bestandteil des Spielspaßes. Falls Sie aber Risiko Evolution schon gespielt haben und nach noch mehr Erweiterungen suchen: Schauen Sie mal hinter den Schachteleinsatz.

Risiko Evolution ist wahrlich kein Spiel für die ganze Familie oder sanfte Gemüter. Es ist auch kein Spiel für nur ein oder zwei Partien. Es ist ein Spiel für eine feste Runde, die bereit ist, sich auf ein Experiment einzulassen und etwas Spezielles zu erleben. Die prickelnde Spannung, ein neues Regelpaket zu öffnen oder der Spaß, endlich mal nach 30 Jahren Australien abzuwerten (da setzt sich sonst eh immer nur der Startspieler fest…) und so das Spielgleichgewicht zu ändern. Risiko Evolution kann und will dabei kein ausgeglichenes Spiel sein. Es setzt voraus, dass die Spieler gut aufpassen, wer führt und sich auch gegen einen durch die Änderungen bevorzugten Spieler verbünden.

Bild von 1 von 3 Welten
Prädikat
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1 von 3 Welten

Die Idee von Risiko Evolution sollte Schule machen. Wie wäre es mit einem Siedler von Catan Evolution oder einem kooperativen Evolution?

P.S.: Das Prädikat fand sich im MOMA in New York. Es ist eine Teppichweltkarte von Alighiero Boetti. Mehr dazu gibt es hier.

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