Twilight Struggle

Frage an Radio Eriwan: Ich habe gehört, Nixon und Breschnew hätten einen Wettlauf rund um die Mauer des Kreml gemacht, bei dem Nixon gewann. Stimmt das?

Radio Eriwan antwortet: Im Prinzip ja. Nixon und Breschnew nahmen an einen internationalen Wettlauf teil. Breschnew belegte einen ehrenvollen zweiten Platz. Nixon wurde Vorletzter.

Bei Twilight Struggle bin ich der ewige Breschnew.

Twilight Struggle ist zwar ein überaus populäres Spiel, aber doch ziemlich unbekannt. Auf Deutsch ist es mittlerweile unter dem Titel „Gleichgewicht des Schreckens“ erhältlich. Nicht nur die etwas erhöhte Spieldauer, sondern auch das Thema schrecken einige Spieler ab. Dabei ist Twilight Struggle mehr Geschichts- als Kriegsspiel. Es bringt die Geschichte des Kalten Krieges wahrlich spielerisch näher. Ein Spieler übernimmt die USA, der andere die UdSSR. Ziel ist es, den anderen zu demütigen. Das kann im Spiel passieren, wenn es gelingt eine Siegpunktdifferenz von 20 Punkten zu erreichen. Nach 1989 und damit am Ende reicht die eine einfache Mehrheit. Es kann aber auch einer einfach verlieren, wenn er nämlich durch Eskalationen den DEFCON 1 und damit den Weltuntergang auslöst. Schon diese einfache Konstruktion dreier Siegbedingungen bringt Spannung ab der ersten Runde: Es ist nicht möglich, nur langfristig zu planen, wenn das Spiel schon nach zwei Runden verloren sein kann. Dennoch muss ich meine Nation strategisch positionieren und entwickeln, um in der Endwertung zu punkten, wenn es denn soweit kommt. Mit Militär und Waffengewalt ist vieles erreichbar, doch dabei eskaliert schnell die weltpolitische Lage, und am Ende will niemand derjenige gewesen sein, der das Fass zum Überlaufen brachte.

Bild von Twilight Struggle

Der zentrale Mechanismus von Twilight Struggle sind die Aktionskarten. In einer Runde muss jeder Spieler abwechselnd Karten ausspielen, bis jeder nur noch eine übrigbehält. Karten können Ereignisse auslösen oder lassen sich zum Ausweiten der Einflusssphäre nutzen. Viele Ereignisse sind einer Seite zugeordnet. Werden diese Karten von der Gegenseite gespielt, so findet das Ereignis immer statt, und das ist für eine Seite immer schmerzhaft. Die wichtigste Entscheidung bei Twilight Struggle ist also, wann in einer Runde welche Karte gespielt und welche in die nächste Runde übernommen wird. Für ganz doofe Karten gibt es noch den Wettlauf um den Flug zum Mond. Damit ist es möglich, pro Runde eine Karte abzuwerfen. Es gibt auch Wertungskarten, die jeweils auf einem Kontinent Punkte bringen. Diese dürfen nicht behalten und ebenso wenig im Weltall versenkt werden.

Der Kalte Krieg geht über drei Epochen, bei denen immer mehr Karten hinzukommen, die natürlich passende neue Ereignisse ins Spiel bringen. Selbstverständlich gibt es noch einige trickreiche Details, die sich logisch ins Spiel einfügen.

Twilight Struggle spielt sich wie eine Achterbahnfahrt durch die Geschichte der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Viele Ereignisse sind selbst politisch nur mäßig interessierten Spielern wohlbekannt. Aber es gibt auch einige Anspielungen, die zum Nachforschen anregen. Zwar ist der Kalte Krieg in Gesellschaftspielen kaum verarbeitet aber in Sachbüchern, Romanen und Spielfilmen ständig präsent. So habe ich beim Lesen oder Fernsehen immer mal wieder die Erkenntnis: „Oh, dazu gibt es auch eine Anspielung bei Twilight Struggle!“ Damit erreicht Twilight Struggle ein von Eurogames nur viel zu selten angestrebtes Ziel: Die ernsthafte wie spielerische Auseinandersetzung mit einem gesellschaftlich komplexen Thema.

Tipps wie sich Twilight Struggle gewinnen lässt kann ich leider keine geben. So grandios ich Thema und Umsetzung finde, so glorreich scheitere ich jedes Mal. Vielleicht ist auch dies ein Grund, weshalb mich dieses Spiel so fasziniert.

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Prädikat
: 2 von 3 Ideologien

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