Nachdem der Weltuntergang doch nicht eintrat, hatten wir gar keine Ausrede mehr Rezis zu schlunzen. Da liegt es doch nahe gleich mal das aktuelle Maya Spiel zu besprechen.
An Mayas erinnern bei Tzolk’in die mächtigen Plastikzahnräder, Bienen sind hingegen wie so oft im Profispielbereich völlig unterrepräsentiert. Das ist schade, könnten doch so auch gleich größere Mengen Fußballfans auf unser Hobby aufmerksam werden.
Zurück zu Tzolk’in, der Maya Kalender. Mit dem Weltuntergang hat das Spiel nichts zu schaffen. Es geht vielmehr um den Aufbau eines Maya-Stammes (nein, dies nicht noch ein doofes Wortspiel von mir, so steht es auf der Schachtelrückseite geschrieben).
Dazu sitzen Arbeiter auf Zahnrädern, die sich Zug für Zug ein klein wenig weiterdrehen. Dabei fahren die Arbeiter an verschiedenen Aktionsfeldern vorbei. Pro Zug gilt es eine Entscheidung zu treffen: Einen oder mehrere Arbeiter auf Zahnräder einsetzen oder Arbeiter von Zahnrädern entfernen. Beim Einsetzen bekommen die Arbeiter etwas Mais mit auf den Weg. Klar, wie immer bei solchen Spielen kosten mehr Arbeiter etwas sehr viel mehr Mais. Das Rausnehmen ist umsonst und erlaubt es sogar, die Arbeiter Aktionen ausführen zu lassen. Klar, wie immer bei solchen Spielen müssen die Arbeiter für die tollen Aktionen etwas länger auf den Zahnrädern verharren.
Aktionen bringen Baustoffe, Mais oder Kristallschädel, neue Arbeiter, oder sie erlauben Kristallschädelopfer an Götter. Das ist gut für Siegpunkte. Auch ist es möglich, Gebäude und Monumente zu errichten oder Technologien zu erforschen. Viermal im Spiel wollen die Arbeiter auch mit Mais ernährt werden, und am Ende gibt es vor der Siegpunktzählung noch eine dicke Wertung.
Der Witz des Spiels sind aber wirklich die Zahnräder, sowie die Regel „entweder einsetzen oder rausnehmen“. Dies verlangt eine gute Planung, denn es gilt einen guten Rhythmus zu finden, um die Arbeiter optimal zu beschäftigen und dabei die Maiskosten zu minimieren. Die Mitspieler sind dabei ziemlich nervig. Auf jedem Zahnradplatz kann nämlich nur ein Arbeiter stehen, und wenn andere schon vorher auf ein Zahnrad einsetzen, kann ich zwar die anderen Arbeiter überspringen und quasi ein paar Warterunden verkürzen, muss dies aber durch einigen Mais bezahlen. Wer viel Mais hat, kann so Tempo ins Spiel bringen. Mais ist aber ziemlich knapp und deshalb hoffen alle auf leere Zahnräder.
Die Bewegung der Zahnräder findet immer erst am Rundenende statt, wenn alle Spieler geflucht und agiert haben. Deshalb hat der Startspieler durchaus einen dicken Vorteil, und von alleine wechselt der Startspieler nicht. Da dies ziemlich unfair ist, gibt es die Möglichkeit einen Arbeiter auch auf ein Startspielerfeld zu setzen und so ab der nächsten Runde selbst privilegiert zu sein. Dabei ist es sogar erlaubt, das Spiel zu beschleunigen und die Zahnräder gleich zwei Tacken vorzudrehen. Damit kommt die nächste Ernährungsphase schneller, aber Arbeiter sind auch schneller am Ziel – und die Mitspieler fluchen noch lauter. Das ist also eine gute Sache.
Neben einem gewissen Gefühl für den Rhythmus des Spiels ist aber auch ein Plan zum Sammeln vieler Siegpunkte unbedingt notwendig. Es gibt eine Reihe von lukrativen Strategien – besonders solche mit vielen Arbeitern und trickreichen Versorgungsplänen. Ich finde es aber ungemein anstrengend, diese auszuknobeln und zu verfolgen. Einfach so losspielen und mal schauen was so passiert ist ziemlich unbefriedigend. Deshalb kommt mir Tzolk’in mehr wie Arbeit und weniger wie ein Spiel vor. Am Ende einer Partie fühle ich mich ausgelaugt und nicht anspruchsvoll abgelenkt. Ich fühle mich auch nicht sonderlich wie ein Maja, sondern mehr wie vor der Aufgabe die Straßenbahnfahrten einer Großfamilie zu planen: „Also Hans, wenn du um 7:45 in der Schule sein willst, muss du um 6:30 in die S3 steigen. Und vergiss dein Pausenbrot nicht. Klara, du brauchst erst um 7:05 aufzubrechen, dann ist Bahn auch nicht mehr so voll, aber nimm gleich mal zwei Schokoriegel mit. Halt, jetzt muss ich schnell noch Otto anrufen, dass er seinen Ausstieg nicht verpasst und dann Strafe zahlen muss, da er schon in der nächsten Tarifzone ist…“
Prädikat:
1 von 3 Kristallschädel
Ja, Straßenbahnen, das wäre ein gutes Thema gewesen. Bitte versteht mich nicht falsch. Die Idee und Umsetzung von Tzolk’in ist klasse. Tzolk’in ist sehr anspruchsvoll und eine echte Herausforderung. Es ist aber kein Spiel, dass sich einfach genießen lässt. Um das Spiel deshalb wirklich zu mögen, ist es nötig sich vom Zahnradmechanismus einfangen zu lassen und das ist Geschmacksache.
Wirklich sehr interessante Rezension. Hab’s noch nicht gespielt und werde es wahrscheinlich auch nicht erwerben. Gerade das, was Du als Negativpunkte anführst, hatte ich aufgrund von Fotos befürchtet. Außerdem wären mir Straßenbahnen als Thema tatsächlich lieber gewesen.
Übrigens, man kann die Götter in Tzolkin auch verärgern, beispielweise durch einen erschöpften Mais-Vorrat oder durch Brandrodung in Palenque. In solch einem Fall muss man eine Stufe auf einem Tempel wieder herabschreiten.