Vasco da Gama

Vasco da Gama wird der Spielewelt in Erinnerung bleiben: als Spiel mit den kleinsten dicken Kapitänen. Nichts anderes überrascht beim Auspacken oder dem ersten Spiel. Der Titel „Vasco da Gama“ erweckt Sehnsüchte an die Zeit der Entdeckungen, die auch gern die Zeit anspruchsvollerer Wirtschaftsspiele ist. Das Material ist überaus ordentlich produziert, und die Spielregel erfüllt alle Erwartungen: Vasco da Gama besitzt eine gehobene, aber nicht übertriebene Komplexität, und es passt wirklich alles harmonisch zusammen. Sogar das Titelthema fließt ein klein wenig ins Spielgeschehen ein. Zumindest der Spielplan und die handelnden Persönlichkeiten passen zu den historischen Ereignissen.

Bild von Vasco Da Gama

Es wird wohl niemand überrascht aufspringen, wenn ich verrate, dass die Kapitäne für Schiffe benötigt werden, um den Seeweg nach Asien zu erkunden. Ein paar Matrosen sind selbstredend auch noch notwendig, um die Segel zu hissen oder das Deck zu schrubben. Zu Zeiten Vasco da Gamas ging es um den lukrativen Gewürzhandel, modernen Spielern geht es natürlich nur um Siegpunkte, die durch erfolgreiche Seefahrten verteilt werden. Also gilt es notgedrungen Kapitäne, Seeleute und Schiffe einzusammeln, um in See stechen zu können. Dafür verläuft bei Vasco da Gama eine Runde in drei Teilen. Zuerst werden reihum Ansprüche auf die verschiedene Aktionsmöglichkeiten erhoben. Nebenbei wird dabei festgelegt, in welcher Reihenfolge die Aktionen im zweiten Teil ausgeführt werden sollen. Dazu stehen zwanzig Zeitpunkte zur Auswahl. Zwar kann jeder Zeitpunkt nur einmal gewählt werden, doch im Prinzip kann damit jeder frei entscheiden, welche Aktionen früher oder später wahrgenommen werden sollen. Nur kosten frühe Aktionen richtig viel Geld, und zu späten Zeitpunkten gibt es oft keine attraktiven Möglichkeiten mehr. Im Gegensatz zu vielen anderen Wirtschaftsspielen sind nicht die Aktionen, sondern das Geld die wahre Mangelware. Damit bleibt oft nur der Griff zum späten Zeitpunkt.

Während der Aktionen gibt es Matrosen und Kapitäne oder Schiffe zu kaufen, es können Persönlichkeiten genutzt werden, die gewisse Vorteile versprechen, und es können Schiffe mit Matrosen und Kapitän auf die Reise geschickt werden. Damit ist klar, dass es nicht nur wichtig ist, vor den anderen Spielern die meisten Matrosen oder die größten Schiffe zu erwerben, sondern dass auch die Reihenfolge der eigenen Aktionen wesentlich ist. Dieser Mechanismus ist der wesentliche Clou von Vasco da Gama.

Nachdem im zweiten Teil die Aktionen realisiert wurden, fahren im dritten Teil die Schiffe Stück für Stück Richtung Asien und bringen dabei Siegpunkte und Einnahmen. Aktiv kann in dieser Phase nicht ins Spiel eingegriffen werden, doch eine Reihe von Regeln bestimmt, welche Schiffe überhaupt weitersegeln dürfen und welche ausscheiden. Nach fünf Runden ist eine Partie vorbei, und wie immer gewinnt der Spieler mit dem dicksten Pfeffersack.

Eine ganze Reihe weiterer Details bringen eine gehörige Portion Komplexität ins Spiel, ohne es kompliziert erscheinen zu lassen. Zu verdanken ist dies dem überaus intuitiv gestalteten Spielmaterial. Nur die präzise formulierte Spielanleitung sollte vor der ersten Partie genau gelesen und verstanden sein. In unserer ersten Partie missachteten wir dies, lasen die Regel nicht selbst und vertrauten auf einen Erklärer. Daraufhin hatten wir eine wahrlich traumatische Spielerfahrung und hätten Vasco da Gama beinahe als unausgegorenes Durchschnittsspiel abgetan. Für Kenner des Spiels hier die drei dicksten Fehler: Es gab keine Siegpunkt beim Einsetzen von Schiffen. Die Kosten für frühe Aktionen entnahmen wir der Zeilenzahl, die eigentlich den Ertrag beim Aktionsverzicht anzeigt. Geld fürs Verzichten gab es gar keins.

Wer Vasco da Gama schon ein oder zweimal gespielt hat und dies hier liest, sollte bei der nächsten Partie mal folgendes ausprobieren:

  • In den ersten beiden Zügen sollten nur Geld und Matrosen eingesammelt werden. Dadurch kommt es zu einer Matrosenknappheit.
  • Wenn es sich ergibt, sollte einmal der Priester genommen werden, um auch weiße Matrosen zu bekommen.
  • Schiffe werden erst ab Runde drei interessant. Wenn möglich sollten nur 9er und 11er Schiffe gekauft werden.
  • Verschiffen lohnt eventuell einmal in Runde drei, eigentlich aber nur in Runde 4 und 5 und auch nur in den beiden obersten Häfen. Das erste 9er Feld in Malindi ist der lukrativste Lagerplatz, er ist bis zu 22 Siegpunkte wert (9 fürs Einsetzen, je 4 und 5 Punkte für volle Häfen und idealerweise zwei Runden lang je 2 Siegpunkte durch das Schiff selbst).
  • Schiffe auf den unteren Häfen und in früheren Runden lohnen kaum, da sie in Runde 4 und 5 höchstwahrscheinlich blockiert werden und zu wenig Siegpunkte generieren.
  • Es ist wichtig, in Runde drei die Schiffe für Runde 4 und in Runde 4 die Schiffe für Runde 5 zu erwerben. Runde 4 ist überhaupt der Zeitpunkt zum Erwerb der meisten Siegpunkte. Deshalb sollten genügend Ersparnisse vorhanden sein, um als Erster verschiffen zu können.
  • Von den Persönlichkeiten bietet der Händler die größte Flexibilität. Die anderen sind zwar nett, oft aber vernachlässigbar.

Diese Strategie garantiert keinen sofortigen Sieg. Wenn sich die Mitspieler aber fröhlich mit kleinen Schiffen begnügen und verfrüht in See stechen, kann sie ganz Erstaunliches leisten.

Vasco da Gama ist zwar ein ziemlich gutes Spiel, ich bezweifle aber noch, dass es über den aktuelle Jahrgang hinaus gespielt werden wird. Es ist perfekt konzipiert und bietet alles, was ein erfolgreiches Spiel benötigt. Ich wage sogar eine Kaufempfehlung auszusprechen.
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Prädikat
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Ob es über den aktuellen Jahrgang bekannt bleiben wird, wage ich noch zu bezweifeln, dafür ist das Thema vielleicht nicht genügend tief in der Spielmechanik verankert und der Spielablauf zu statisch angelegt. Im direkten Vergleich ziehe ich [cref age-of-empires-iii] vor. Doch ich mag mich täuschen, und wenn von Vasco da Gama mehr in Erinnerung bleibt als ein kleiner dicker Kapitän, wird ihm später noch ein höheres Prädikat verliehen. Zu Recht gewann es immerhin schon die Fairplay Scoutaktion.

2 Kommentare

  1. Avatar-Foto Dieter Niehoff

    Interessante Analyse. Insbesondere der Hinweis auf „frühe“ oder „späte Schiffe“. Ich spielte bislang stets die Strategie, so viele Schiffe wie möglich fahren zu lassen. Aber werde demnächst mal Anderes probieren.
    Und meines Erachtens ist der „Anführer“ nicht zu verachten. Insb. in kleiner Runde kann es sein, dass man ihn von Anfang bis Ende behält, und das wären dann reichlich Siegpunkte zusätzlich. Wie man den „Händler“ wirklich gewinnbringend einsetzt, das hat sich mir bislang noch nicht erschlossen.

    • Hallo Dieter,

      ja, wenn niemand zum Anführerklau bereit ist, werden sie um einiges mächtiger.

      Der Händler gewährt je nach Bedarf und genügend freie Häfen vorausgesetz einen Matrosen oder Kapitän oder 2 Geld oder ein ganzes Schiff. Sehr lustig kann dies zum Beispiel in den letzten Zügen sein. Einen Stein mit niedriger Startzahl setzt man auf die Personen. Je nach weiterer Entwicklung kann dann der Händler genommen werden um ein lukratives Schiff abzugreifen. Dies spart eine Dublone gegenüber dem Direkteinsatz und ist auch möglich wenn schon alle Schiffbauplätze belegt sind. Alternativ wird der Schatz genommen, falls die Schiffsoption doch nicht mehr wichtig ist…

      Diese Flexibilität und des Drohpotential finde ich sehr nützlich. Und er blockiert Häfen, was besonders kleine Schiffe ärgern kann. In einer sehr ausgebufften Runde kann es aber sein, das er an Wert verliert.

      Viele Grüße,
      Peter.

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