Erstveröffentlichung am 4.6.2008 Hall9000.
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„Ich bin der Hexenmeister.“ – „Nein, ich bin der Hexenmeister!“ – „So sei es!“
Das ist ja Wie Verhext! Als Hexe, Druide, Zauberer brauen die Spieler Zaubertränke. In weitere Rollen schlüpfen sie, um die Zutaten zu besorgen, Geld umzusetzen oder sich gar an den Besitztümern der Mitspieler zu vergreifen.
Im Wettstreit der Zauberkundigen geht es um die meisten Siegpunkte durch Zaubertränke. Um diese zu brauen, bedienen sich die Spieler der Rollen. Einen jeweils identischen Kartensatz von zwölf Rollenkarten hat jeder Spieler zur Verfügung. Fünf dieser Karten werden für den aktuellen Durchgang ausgewählt. Dabei ist es unerheblich, welche Rollen in früheren Durchgängen angenommen wurden. Wer zuvor zuletzt agiert hatte, spielt nun eine Karte aus und verkündet den Titel der abgebildeten Person, zum Beispiel: „Ich bin die Hexe“. Damit erhebt man Anspruch auf die Aktion dieser Rolle. Die Hexe etwa braut ihren Hexentrank und tauscht dafür Zutaten ein. Die aktuell benötigten Ingredienzien sind immer auf der obersten Karte des Stapels sichtbar, ebenso die Siegpunktzahl. Jede Tranksorte erfordert im Laufe des Spiels immer mehr Zutaten – bringt dafür aber auch höhere Siegpunkterträge.
Jeder Spieler, der die Hexe ebenfalls in seinem Kartensatz hat, muss diese nun spielen. Zwei Reaktionen sind möglich: Durch die Aussage „Ich bin die Hexe!“ kann diese Rolle übernommen werden. Die ursprüngliche Möchtegern-Hexe kann sich das Hexentum nun abschminken und muss ihre Karte unverrichteter Dinge umdrehen. Es kann nur eine Hexe geben! Wer etwa befürchtet, im folgenden auf diese Weise den Kürzeren zu ziehen, kann sich mit der Antwort „So sei es!“ zufrieden geben. Die Aktion der ausgespielten Person darf nun sofort mit geringerer Auswirkung durchgeführt werden. Wer seinem Vorgänger also die Hexenaktion mit einem „So sei es!“ überlässt, darf dafür zwar auch den obersten Trank brauen. Er muss aber zusätzlich zwei Goldstücke bezahlen. Nachdem alle Spieler entweder ihre Hexenkarte gespielt oder gepasst haben, steht fest, wer in diesem Durchgang tatsächlich die Hexe ist. Diese Person führt nun die Aktion aus und spielt daraufhin die nächste Rolle aus. Der Durchgang endet, sobald kein Spieler mehr Karten hat.
Unter den Rollenkarten sind zunächst diejenigen Charaktere, welche wie die Hexe Tränke brauen. Insgesamt fünf Kartenstapel mit Tränken stehen bereit – und für jeden Stapel gibt es eine „zuständige“ Rolle. Zwei dieser fünf Rollen bedienen sich am Gold- oder Zutatenvorrat der Mitspieler. Wer zu viele Vorräte angehäuft hat, muss anteilig abgeben. Reicht diese milde Gabe der Mitspieler für den Trank nicht aus, kann der aktive Spieler aus dem eigenen Vorrat aufstocken. Eine weitere Gruppe an Charakteren ist für die Beschaffung von Zutaten verantwortlich. Für jede der drei Zutaten gibt es eine Rolle, deren Aktion drei Einheiten der entsprechenden Substanz erbringt. Nur eine Zutat erhält, wer die Rolle mit einem „So sei es!“ bei ihrem vorherigen Akteur belässt. Weitere Rollen erlauben den Tausch von Goldstücken in Zutaten oder umgekehrt. Der Hexenmeister hat in jeder Runde einen anderen Zauberspruch zur Verfügung, der etwa zusätzliche Zutaten einbringt oder die Zubereitung eines Trankes erlaubt. Die Wahrsagerin schließlich kann so genannte kleine Zaubertränke für Gold einkaufen. Diese bringen zum Spielende pauschal einen Siegpunkt ein.
Auf einigen Trank-Karten sind Raben abgebildet. Sobald am Ende eines Durchgangs mindestens vier dieser Karten durch Brauen vergeben wurden, endet das Spiel.
Fazit: Die Grafik von Wie Verhext! ist stimmungsvoll gestaltet, und ich habe nicht selten Begeisterungsrufe gehört, wenn die Schachtel ausgepackt wurde. Leider bringt die Grafik trotz aller Ästhetik einige Tücken mit sich, die ich in einem separaten Abschnitt unter „Weitere Infos“ detaillierter diskutiere. Die Spielregel ist klar strukturiert und stellt den Ablauf vollständig dar. Der Einstieg in die erste Partie erfordert eine komplette Übersicht zumindest über die zwölf Rollenkarten. Schließlich besteht die erste Aktion darin, sich fünf Karten für den ersten Durchgang auszusuchen. Da möchte man schon verstehen, welche Bedeutungen die verschiedenen Karten haben. Ist diese Hürde erst einmal genommen, gestaltet sich der Spielablauf meist unproblematisch. Der Verlauf prägt sich spätestens nach den ersten zwei, drei Durchgängen ein.
Hat sich die Verwendung der Sprüche „Ich bin der Wolfshüter“ – „So sei es!“ – „Ich bin der Wolfshüter“ erst einmal eingeschliffen, so kommt man nicht mehr so leicht davon los. Im täglichen (Spieler-)Leben ergeben sich irgendwie andauernd Situationen, in denen ein eingeworfenes „So sei es!“ im entsprechend getragenen Tonfall passt. Andere Spieler mit Wie Verhext!-Erfahrung greifen das gerne auf und brechen gemeinsam in schallendes Gelächter aus. Es mag im ersten Augenblick albern erscheinen, sich dieser Sprüchlein zu bedienen. Aber es funktioniert bestens! Die Aussagen sind so prägnant gewählt, dass der Spielablauf gelungen unterstützt wird.
Zentrales Element des Spiels ist die Rollenwahl. Welche Pläne möchte man verfolgen? Doch wie durchschaubar sind diese Pläne? Am besten, die Mitspieler machen sich gegenseitig ihre Rollen streitig, und man selbst hat als Einziger andere Rollen gewählt. Denn Konkurrenz verdirbt die Preise. Haben mehrere Spieler dieselbe Rolle gewählt, kann nur einer deren Aktion wirklich ausführen. Da gilt es abzuschätzen, ob hinter einem noch ein weiterer Spieler diese Rolle auf der Hand hält: Ist das Übernehmen der Rolle wohl erfolgreich? Oder gibt man sich lieber per „So sei es!“ mit der abgespeckten Variante zufrieden? Wer die Rolle ausgepielt hat, muss immer das Risiko des Totalverlustes eingehen. Da macht es keinen Spaß, oft als Erster eine Rolle auf den Tisch legen zu müssen. Wer in einer Runde hinten sitzt, kann gefahrlos die Aktion übernehmen. Dafür muss man dann selbst die nächste Rolle ausspielen … Aber eigentlich ist einem eine andere Rolle viel wichtiger? Vielleicht reicht das „So sei es!“ dann doch?! Mit dem Wechsel des Startspielers kann man einige Überlegungen betreiben. Dass die nicht immer aufgehen, liegt auf der Hand.
Das Glück spielt über die Auswahl und Entscheidungen der Mitspieler eine nicht unwesentliche Rolle. Wer mehrmals nacheinander eine Rolle abgenommen bekommt, möchte am liebsten in die Tischkante beißen. Gezielt ärgern kann man den anderen zwar nicht, weil man dessen Kartenwahl nicht kennt. Eine gewisse Frusttoleranz ist trotzdem unabdingbar. Wenn die Reihenfolge der Spieler und der gewählten Karten gegen einen läuft, muss man auch mal einen ganzen Durchgang fast vollständig abschreiben. Dass sich bei der vollen Besetzung von fünf Spielern mehr Begegnungen innerhalb einer Rolle ergeben, versteht sich von selbst. Damit entfaltet Wie Verhext! seinen Reiz besonders in der größtmöglichen Besetzung. Mit nur drei Spielern fällt aus demselben Grund meine Empfehlung einen Tick verhaltener aus.
Denn gerade von der Konkurrenz bei den Rollen lebt das Spiel. Das gegenseitige Übertreffen mit den Rollen, der gezielte Verzicht auf die Aktion zur rechten Zeit, das richtige und mitunter glückliche Händchen bei der Kartenwahl bringen Spannung ins Spiel. Mit mehr Erfahrung kommt ein Gefühl für den Spielrhythmus auf, den man durch eine unerwartete Rollenwahl bei der Auswahl oder beim Ausspielen unterbrechen kann. Wenn man etwa zu Beginn des Durchgangs Startspieler ist, kann man eine Rolle wählen, die jemand anderen zur Übernahme verleitet – und damit ist man selbst die Aufgabe des Anspielens losgeworden. Der Verlauf ist immer wieder anders und abwechslungsreich. Die Spieldauer bleibt fast immer unter einer Stunde und lädt so auch zu einer direkten Wiederholung ein.
Wie Verhext! ist spielerisch betrachtet eher ein Leichtgewicht. Der Einstieg über die Menge der Regeln ist aber nicht zu unterschätzen. Für Gelegenheitsspieler ist der Weg über die Erklärung durch einen regelkundigen Mitspieler sicher der vielversprechendere als der des Regellernens per Selbststudium. Springt einmal der Funke über, so bietet sich Stoff für viele variantenreiche Partien. Dass mein Daumen nicht uneingeschränkt nach oben geht, ist mit meiner Erfahrung in unterschiedlichen Spielerrunden zu begründen. Mir selbst bietet der Mechanismus so viel Abwechslung und Atmosphäre, dass mir das Gesamtpaket eine Menge Spielfreude bereitet. Bei meinen Mitspielern wurde der Spielspaß jedoch hier und da gebremst. Auslöser dafür gab es ganz unterschiedliche. Das konnte das empfundene Glückselement sein, oder auch das Thema, das nicht jedem liegt.
Weitere Infos: Zweck und Design können mitunter stark auseinander driften. Ein Beispiel hierfür ist die Grafik von Wie Verhext! Wunderschön anzuschauen und stimmig in die magische Atmosphäre eingebettet – dies trifft auf das Material fraglos zu! Spieltechnisch jedoch bereitet es ein paar kleinere Probleme.
Da ist zunächst die Zuordnung der drei Zaubertrankbrauer zu den Trankstapeln. Diese erfolgt anhand der Kessel. Die Form und Farbe des Gefäßes soll den Zusammenhang herstellen. Doch ist der Kessel auf der Personen- wie auf der Trank-Karte in unterschiedlicher Perspektive abgebildet. Das ist nicht intuitiv! Dauernd muss man genau schauen, was wozu gehört. Prägnant für die Personen sind etwa die charakteristischen Hutformen: Weshalb wurde nicht wenigstens diese Kopfbedeckung oder ein anderes, auf beiden Karten (Person und Trank) vorkommendes identisches Symbol zusätzlich abgebildet?
Ebenfalls problematisch ist die Farbgebung. Der Kontrast ist zu gering. So sind etwa die dunklen Raben auf den ebenfalls in dunklen Farbtönen gehaltenen Motiven nur schwer zu erkennen. Dabei lösen sie das Spielende aus. Man möchte ihre Anzahl also gerne gut im Blick behalten. Beim Brauen der Tränke durch Hexe, Druide oder Zauberer darf zusätzlich eine beliebige Zutat in einen kleinen Trank umgetauscht werden. Eine grafische Erinnerung hierfür gibt es nirgends – entsprechend wird diese zusätzliche Möglichkeit auch gerne mal vergessen.
Die Karten für die verschiedenen Tränke sollen laut Regel in Stapeln sortiert werden. Leider sieht man der obersten Karte nicht an, welche Zutaten man für die folgenden Tränke braucht. Dabei kann dies durchaus maßgeblich sein – wenn z. B. der Hexe vor ihrer Aktion durch ein „So sei es!“ der aktuelle Trank vor der Nase weggebraut wird. Dann muss sie vielleicht den nächstschwierigeren Trank mit mehr Zutaten brauen. Bei der Planung und Kartenauswahl zu Beginn eines Durchgangs möchte man dies durchaus gerne mit einkalkulieren. In unseren Partien legen wir aus diesem Grund die Trank-Karten aufgefächert hin, um die erforderlichen Zutaten jederzeit erkennen zu können. Regelkonform ist dies allemal, denn ein Nachschauen in den Kartenstapeln wird in der Spielregel explizit erlaubt.
Ein weiteres Detail betrifft die Farbgebung mancher Personenkarten. Einen grünen Hintergrund haben jene Personen, mit deren Hilfe man Zutaten aus dem Vorrat nehmen darf. Allerdings ist eine der Zutaten selbst grün. Immer wieder führte dies zu Verwirrung. Mitspieler griffen intuitiv zu dieser grünen Zutat, obwohl sie eigentlich die Karte für die roten oder weißen Zutaten gespielt hatten. Die Farbüberschneidung ist an dieser Stelle unnötig und leicht vermeidbar.
Trotz aller Kritik in diesem Abschnitt gilt: Insgesamt liegt mit der Grafik beileibe kein völliger Missgriff vor. Die Probleme mit den geschilderten Details kann man individuell lösen, indem man das Material etwas anders handhabt. Bis zu diesem Punkt werden jedoch mehrheitlich nur erfahrene Spieler kommen. Gelegenheitsspieler sind für Wie Verhext! ebenfalls eine Zielgruppe. Diesen sollte man selbst so kleine Steine nicht in den Weg legen.
Kathrin Nos
„Wie verhext!“ gehörte bisher zu den wenigen Spielen, die von Kathrin und mir unterschiedlich bewertet werden. Während ich das Spiel fürs gebotene als zu mühselig und aufwendig empfand und es deshalb im Regal gern verstauben lassen wollte, versuchte Kathrin es regelmäßig auf unseren Spieletisch zu bringen.
Da es nun mit der Schatzkiste von Alea gleich drei Erweiterungen gibt, konnte ich mich neuen Spielen nicht mehr erwehren.
Die Erweiterungen umfassen:
- Material für einen sechsten Mitpieler, sowie Pappraben zur besseren Übersicht wann das Spielende erreicht ist,
- kleine Amulette, die es dem Startspieler einmalig erlauben „Und ich bin doch der…“ zu rufen und
- Spezialkarten, die jedem Spieler in jedem Durchgang Sonderfähigkeiten verleihen.
Auch mit diesen Ergänzungen bleiben die positiven Seiten des leicht chaotische Spielgefühl von „wie verhext!“ vorhanden. Mit Freude wird am Spieltisch „Ich bin der …“ – „Nein, ich bin der … “ – „So sei es“ – „Macht doch was ihr wollt“ und ähnliches gerufen und irgendwer ist immer beleidigt am Schmollen. Die negativen Aspekte wurden hingegen abgemildert. Durch die Amulette wird der Startspielernachteil relativiert, und die Sonderfähigkeiten erlauben deutlich mehr Planung. Da sie schon vor der Kartenwahl offenliegen, lässt sich besser erahnen, welche Rollen besonders umkämpft sein werden.
Prädikat:
1 von 3 Mörsern
Bisher konnte ich mich für „Wie verhext!“ nicht sonderlich erwärmen. Doch die Erweiterungen werten das Spiel erheblich auf. Mit ihnen erscheint die Ursprungsfassung mehr wie eine Einsteigerversion, die erst durch die neuen Regeln zum vollwertigen Spiel wird. Meine Vorbehalte kann ich auf jeden Fall nicht mehr aufrecht erhalten.
Peter Nos